2024-05-08T14:46:11.570Z

Kommentar
– Foto: Imago / Martin Rottenkolber

"Danke, Fußball!": Warum Vereine & Eltern besser kommunizieren müssen

Hartplatzhelden-Kolumne #76: Dass ich dem Fußball einmal danken würde, hätte ich mir nie träumen lassen. Und dass ich heute als Kommunikationsexpertin Vereine im Umgang mit Eltern unterstütze, hätte ich lange für einen Witz gehalten. Von SUSANNE AMAR

Seit meiner Jugend stehe ich mit dem Fußball auf Kriegsfuß. Solange ich mich erinnere, ist Fußball für mich mit Verzicht verbunden. Samstags konnte ich oft meine Lieblingssendung "disco" nicht schauen, weil mein Vater die "Sportschau" sehen wollte. Als ich älter wurde, waren es meine Freunde, die samstagabends aus gleichem Grund keine Zeit hatten.

Ich habe mich oft gefragt: Was ist toll daran, dass elf Spieler hinter einem Ball herlaufen? Grölende Fans ihre Mannschaft anfeuern? Erwachsene Männer weinen, wenn der Lieblingsverein absteigt? Eltern gefrustet sind, wenn das Kind nicht so spielt wie gewünscht?

Mittlerweile weiß ich, dass der Sport Leidenschaft ist. Diese Erkenntnis verdanke ich unserem Sohn. Er hat mich an seiner Fußballleidenschaft mehr als dreizehn Jahre teilhaben lassen und mir gezeigt, wie sehr er dafür brennt. Er gehörte zu den 2,2 Millionen Kindern und Jugendlichen, die unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes kicken. Er hat in Amateurvereinen, in Fußballschulen und in Nachwuchsleistungszentren gespielt.

Mit Anfang 20 ist er ausgestiegen, denn er wollte andere Erfahrungen machen, die mit dem Leben eines Nachwuchsfußballers nicht zu vereinbaren sind: Reisen, um die Welt kennenzulernen, Jobs und Praktika, um sich beruflich zu orientieren und nicht zuletzt Beziehungen und Freunde, um das Leben zu genießen. Ihm ist es gelungen, sich gut von seiner Leidenschaft zu verabschieden und lebt heute ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben, in dem er gerne, jedoch ohne Wehmut, auf die Zeit zurückblickt. Doch bis zu seinem Ausstieg war der Fußball ALLES für ihn. Und genau das war der Grund, ihn zu unterstützen, obwohl mich der Sport kein bisschen interessierte.

Als Mutter war der Einstieg in den Kinderfußball für mich eine Expedition in fremde Gefilde. War ich anfangs wie viele Eltern mit Trikotwaschen, dem Fahrdienst und Trostspenden beschäftigt, wenn ein Spiel verloren ging oder das aufgeschlagene Knie verarztet werden musste, kamen im Laufe der Jahre sehr essenzielle Themen hinzu. Denn hat der Fußball im Alter von sieben Jahren noch sehr viele spielerische Züge, verändert er sich mit zunehmendem Alter und Leistungsniveau. Und damit verbunden stehen auch die Eltern vor neuen Herausforderungen.

Ist Trainern und Verantwortlichen eigentlich bewusst, wie sehr ihr Tun das Familienleben bestimmt? Wissen sie, dass viele Eltern wenig bis gar keine Ahnung vom Fußball haben? Wie bekommen wir Schule und Ballsport unter einen Hut? Wie kann ich mein Kind unterstützen, wenn es verletzt ist und lange nicht spielen kann?

Ein paar Fragen, die sich viele Eltern stellen, egal, ob das eigene Kind im Amateurverein oder im NLZ spielt. Und die auch mich immer wieder beschäftigt haben und auf die ich leider kaum Antworten erhielt. Denn egal, wo unser Sohn gespielt hat, gab es wenig bis gar keine Gespräche zwischen Trainern und uns, wurden uns kaum Informationen an die Hand gegeben.

Dabei ist es so einfach! Die Amateurvereine sollten erkennen, dass viele Eltern wenig über die Herausforderungen, die an ihr Kind und an sie gestellt werden, wissen, wenn sie ihr Kind im Verein anmelden. Gleiches gilt für die Vereinsarbeit verbunden mit dem Ehrenamt. Themen, die den Vereinen und Eltern das Leben oft schwer machen.

Um das zu verändern, braucht es die Bereitschaft innerhalb der Vereine, sich zu verändern – sowie Kommunikation und Aufklärung. Meine Erlebnisse und Erfahrungen, die schönen wie die unschönen, haben mich zu meinem heutigen Tun geführt. Denn sie haben mir gezeigt, dass der Kinder- und Jugendfußball die Eltern als Partner akzeptieren muss, um mit ihnen eine wertvolle Zusammenarbeit eingehen zu können.

Als systemischer Coach und Mediatorin bestärke ich Vereine darin, das Potenzial der Eltern zu nutzen und sie ins Boot zu holen, damit gemeinsam bestmögliche Voraussetzungen für die Spielerinnen und Spieler geschaffen werden. Ich weiß selbst, dass es nicht immer einfach ist, sich an etwas heranzutrauen, wenn man sich kaum auskennt. Doch ich weiß auch, wie toll es ist, wenn man genau diesen Schritt geht. Wie in jeder Beziehung ist es auch hier wichtig, sich zu kennen, zu verstehen und zu respektieren. Dazu sind Informationen, Akzeptanz, Wertschätzung und den Wunsch der Veränderung nötig – auf beiden Seiten.

Ich zeige durch einfache Handlungsoptionen und direkt umsetzbare Impulse auf, wie das gelingen und wie jeder Amateurverein sie entsprechend seiner Ressourcen nutzen kann. Das ist die Basis für ein effizientes Miteinander, die die Arbeit der vielen ehrenamtlichen Beschäftigten im Amateurfußball entspannter macht und Eltern befähigt, kompetent ihr Kind zu begleiten. Denn im Kinder- und Jugendfußball sind so viele tolle Menschen tätig – neben und auf dem Platz, die ich dabei unterstützen möchte, damit sie ihre Aufgaben mit Spaß und Entspannung statt mit Frust und Stress erledigen.

Auch wenn es viele Missstände im Amateurfußball gibt, möchte ich Vereinen zeigen, dass sie selbstwirksam handeln und nicht nur auf Vorgaben, Regeln und Veränderungen von außen angewiesen sind. Daher wirst du ab 2024 immer mal wieder etwas von mir zu Kommunikation im Kinder- und Jugendfußball lesen.

Letztlich bin ich, auch wenn ich nicht alles toll im Kinder- und Jugendfußball finde, sehr dankbar, dass unser Sohn dort lange ein zweites Zuhause hatte. Er hat in diesem Mannschaftsport so viele soziale Kompetenzen erlernt, die wertvoll sind und von denen er damals auf und heute neben dem Platz sehr profitiert. Etwas, was uns als Eltern alleine nicht gelungen wäre. Dafür sage ich: "Danke, Fußball!"

Mehr zu mir und meiner Arbeit findest du hier.

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Zur Autorin:
Susanne Amar ist Expertin für Kommunikation im Jugendfußball, Autorin und Podcasterin aus Köln. Sie hilft Fußballer-Eltern und Trainer*innen, auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren.

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Über die Hartplatzhelden-Kolumne:
In regelmäßigen Abständen lassen wir kreative und kritische Köpfe aus dem Amateurfußball zu Wort kommen, die sich mit den Sorgen und Nöten unseres geliebten Sports befassen, aber auch Ideen für die Zukunft vorstellen.

#75: Jugendtrainer: »Ach, die sind hier gar nicht angestellt?« von Gerd Thomas
#74: Funino: »Es geht sehr wohl um Gewinnen und Verlieren!« von Tim Frohwein
#73: Vereinswechsel: »Ist die Bindung zum eigenen Verein von gestern?« von Michael Franke
#72: DFB-Amateurkongress: »Amateurfußball interessiert die Medien nicht!« von Gerd Thomas
#71: DFB & DOSB: »Sportnation braucht endlich Aufbruchstimmung!« von Gerd Thomas
#70: Jugendfußball: »Das Sommerturnier - eine Institution geht verloren!« von Michael Franke
#69: Krise des Amateurfußballs: »Früher war nicht alles besser!« von Gerd Thomas
#68: Krise des Amateurfußballs: »Schuld sind wir selbst, nicht der DFB!« von Gerd Thomas
#67: Mission Impossible Kunstrasen: »Es könnte alles so einfach sein...« von Michael Franke
#66: Wettbewerbsverzerrung: »Muss ich immer mit der besten Elf antreten?« von Michael Franke
#65: Extremisten raus aus meinem Verein? Die Satzung macht‘s möglich von FABIAN REINHOLZ
#64: Mädchenfußball: »Diese Regel führt unseren Verein in ein Dilemma!« von Fabian Reinholz
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#62: Mehr Mitsprache für Amateure: »Wir sind 99 Prozent!« von Gerd Thomas
#61: Vielfalt im Fußball: Darum muss die Politik Vereine mehr unterstützen von Gerd Thomas
#60: Alkohol & Amateurfußball: Eine Droge als Teil unserer Vereinskultur? von Tim Frohwein
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#58: Katar und Nachhaltigkeit: So können Vereine aktiv werden von Gerd Thomas
#57: »Sprachnachrichten?!« Wie Kommunikation im Verein gelingen kann von Gerd Thomas
#56: Energiekosten: »Ist Fußball das neue Golfen?« von Ute Groth
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#54: »Ich muss eingestehen: Der Minifußball-Plan des DFB ist sehr gut!« von Michael Franke
#53: Ehrenamt: »Trainer und Trainerinnen gesucht...und noch vieles mehr!« von Gerd Thomas
#52: Schiedsrichter: Mehr Respekt durch "Meet the Ref"? von Tim Frohwein
#51: Nachwuchsfußball: Förderkader gegen Talentabwerbung & Selektionsdruck? von Michael Franke
#50: »Der Platzwart: Eine Kultfigur im Wandel der Zeit« von Michael Franke
#49: Nachhaltigkeit: »Es geht um viel mehr als die vegane Bratwurst!« von Gerd Thomas
#48: Fehler im System? »Von Krusten und Kumpanen« von Michael Franke
#47: Nachwuchsfußball: Das große Aussortieren der NLZs von Michael Franke
#46: Übungsleiterpauschale: »Wir müssen das Ehrenamt neu denken!« von Michael Franke
#45: Wahl des DFB-Präsidenten: »Wer hat inhaltlich etwas zu bieten?« von Gerd Thomas
#44: Echter Vertreter der Basis? »DFB muss die Rolle endlich annehmen!« von Ute Groth
#43: „Milliardenspiel Amateurfußball“: Die große Bezahl(un)kultur von Tim Frohwein
#42: Rituale im Fußballverein: »Es lebe die Weihnachtsfeier!« von Tim Frohwein
#41: Bedenklicher Zustand: »Rettet den Jugendfußball!« von Gerd Thomas
#40: Impfung: »Joshua Kimmich und seine fragliche Vorbildrolle« von Michael Franke
#39: Frauenfußball: »Die Mädchen trauen sich was!« von Ute Groth
#38: Wahl des Präsidenten: »Der DFB muss endlich Praktiker einbeziehen!« von Gerd Thomas
#37: Endlich "oben"? »Nach dem Aufstieg kommen die Niederlagen!« von Michael Franke
#36: »Selbst Menschen ohne Migrationsgeschichte werden diskriminiert!« von Younis Kamil
#35 Ü-Fußball: »Nennt uns nicht mehr „Alte Herren“!« von Tom Frohwein
#34: DFB: »Es sei denn, wir ändern das System!« von Gerd Thomas
#33: Nachwuchsfußball: »Scouts stehen sich auf den Füßen!« von Michael Franke
#32: Fußball und Diversität: »Deutsche Schiris pfeifen immer gegen Türken!« von Tim Frohwein
#31: DFB und Amateure: »Es braucht eine Graswurzelbewegung!« von Gerd Thomas
#30: DFB-Präsident: »Warum nicht eine Urwahl aller 24.500 Vereine?« von Gerd Thomas
#29: Digitalisierung im Verein: »Manche Apps werden bleiben!« von Tim Frohwein
#28: Datenschutz: »Das muss jeder Amateurverein beachten von Fabian Reinholz
#27: "Generation Corona": »Kontrollierte Öffnung für Jugend-Sport jetzt!« von Gerd Thomas
#26: Türkgücü München: Streitgespräch über einen Verein, der polarisiert von Michael Franke & Tim Frohwein
#25: Pädagogik: »Wird man zum besseren Menschen, wenn man Fußball spielt?« von Younis Kamil
#24: Vereinsstruktur:»Wir wollen unseren Verein strategisch neu entwickeln« von Michael Franke
#23: Berliner Fußball-Verband: »Es geht nicht nur ums Geschlecht!« von Gerd Thomas
#22: Vereinsstruktur: »Wir wollen unseren Verein strategisch neu entwickeln« von Michael Franke
#21: »eSport? Wer Nachwuchs fördern will, sollte sich Teqball-Platte zulegen« von Tim Frohwein
#20: Fußball und Corona: »Was ich vermisse, ist das Einmischen des DFB« von Ute Groth
#19: Rassismus: »Sie riefen „Deck den Weißen“ – das tat mir weh!« von Younis Kamil
#18: Sportpolitik: »Neue Köpfe braucht der Fußball« von Gerd Thomas
#17: Kommunalpolitik: »Willkommen in der Sportstadt "Schilda" München« von Michael Franke
#16: Sportwissenschaft: »Wünsche mir Wissensspeicher für Amateurfußball« von Tim Frohwein
#15 »Die Politik muss das Fußballverbot für Kinder wieder aufheben!« von allen
#14 Sportpolitik: »Amateure, organisiert Euch!« von Gerd Thomas
#13 Sozialverhalten im Kinderfußball: »Mannschaft ist unser Spiegelbild« von Younis Kamil
#12 Gewalt im Fußball: »Wäre schön, wenn die Politik begreift« von Gerd Thomas
#11 »Wer das Hauptamt fördert, fördert auch das Ehrenamt« von Ute Groth
#10 Neue DFL-Taskforce: »Wir Amateure sind denen egal« von Michael Franke
#9 Kinderfußball: »Es sollen wirklich alle spielen!« von Younis Kamil
#8 »Duschen nach dem Spiel ist jetzt gefährlicher als nach dem Training« von Gerd Thomas
#7 Integration: »Flüchtlingsmannschaften machen mich skeptisch« von Michael Franke
#6 Pro Jugendarbeit: »Lieber kauft man ein neues Herrenteam zusammen« von Gerd Thomas
#5 Stellenwert des Amateurfußballs: »Großer Konkurrent ist die Kultur« von Michael Franke
#4 »Der Plan mit dem Neustart ist nicht durchdacht« von Ute Groth
#3 DFB: Gegen das System Pattex von Gerd Thomas
#2 Kindern die Angst nehmen: »Fehler sind etwas Tolles« von Younis Kamil
#1 »Corona hat die Leute vom Fußball entwöhnt« von Michael Franke

Aufrufe: 014.12.2023, 09:45 Uhr
Susanne AmarAutor