2024-05-08T14:46:11.570Z

Kommentar
Den bestehenden Naturrasenplatz in einen Kunstrasenplatz umbauen? »Geht nicht«, sagen die Münchner Behörden.
Den bestehenden Naturrasenplatz in einen Kunstrasenplatz umbauen? »Geht nicht«, sagen die Münchner Behörden. – Foto: Imago Images

Mission Impossible Kunstrasen: »Es könnte alles so einfach sein...«

Hartplatzhelden-Kolumne # 67: Wir könnten hundert Kinder mehr Fußball spielen lassen. Dazu müssten wir nur unseren Rasen- in einen Kunstrasenplatz umbauen. Doch die Politik und die Bürokratie erschweren unseren Plan. Von MICHAEL FRANKE

Bewegung fördert die Gesundheit. Bewegung ist Basis für Lernvorgänge. Bewegung im Team fördert das Erlernen und Umsetzen gesellschaftlicher Werte und Normen, von der Begrüßung bis zur Entschuldigung. Sport fördert Verantwortung und die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen. Organisierter Sport erfordert darüber hinaus die Eingliederung in ein Sozialsystem und gibt in einer sich schnell wandelnden Gesellschaft Halt. Sport ist vor allem für Kinder die Basis für eine körperlich und geistig gesunde Entwicklung. Das ist mittlerweile gesellschaftlicher Konsens. Aber leider oft Theorie als gelebte politische Praxis.

Ein Beispiel, das meinen Verein aktuell sehr beschäftigt: Unser Vereinsgelände liegt an einer der verkehrsreichsten Straßen der Republik und dennoch sehr zentral inmitten eines Wohngebiets, lediglich fünf Kilometer entfernt vom Stadtzentrum. Über die Jahre rückte die Wohnbebauung immer näher, so dass teilweise nur etwa zwanzig Meter zwischen der Auslinie und dem nächsten Gebäude liegen.

Nun haben wir einen Rasen- und einen Kunstrasenplatz. Hört sich gut an, aber bei 26 Teams im Verein relativiert sich das. Sportplätze sind in den zentralen Lagen der Großstadt Mangelware. Die einzige Möglichkeit, unsere Kapazität zu erweitern, wäre die Umwandlung des Rasens in einen Kunstrasenplatz. Einem Rasenplatz spricht man jährlich etwa 800 Nutzungsstunden zu, Kunstrasenplätze erlauben deutlich mehr als 2.000 Nutzungsstunden.

– Foto: Imago Images

Eigentlich kein Problem. Sollte man meinen. Der Teufel steckt nun im Detail. Der Umbau eines Rasensportplatzes in eine Kunstrasenfläche wird in München als Neubau bewertet. Es ist eine Baugenehmigung erforderlich. Und damit geht der Bestandsschutz für die gesamte Sportanlage verloren. Dies kann in der Konsequenz zu massiven Nutzungsbegrenzungen für die komplette Sportanlage nach einer entsprechenden Neubewertung von Licht- und Lärmemissionen führen. Ein Risiko, das der Verein nicht eingehen kann.

Die einfache Lösung wäre, den Umbau der Rasenfläche in eine Kunstrasenfläche als Sanierung der Sportplatzes einzuordnen. Dann wäre keine Baugenehmigung notwendig. Der Bestandsschutz für die Anlage bliebe erhalten.

Dies wird aber aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Denn es wird unter anderem eine intensivere Nutzung der Fläche befürchtet, der Bau des Kunstrasens gilt als Bodenversiegelung, zudem haben Kunstrasenflächen mikroklimatischen Einfluss. Alles wichtige Themen. Aber: Wir sprechen von einer Sportfläche, die genau diesem Zweck gewidmet ist. Und die am Ende völlig ineffizient genutzt wird, weil der Rasen permanent überbeansprucht und in einem schlechten nur schwer nutzbaren Zustand ist.

Ist es richtig, dass die gesellschaftlich so wichtige bestmögliche Nutzung der Sportfläche unterbleibt, weil es versäumt wurde, ökologisch sinnvolle Freiflächen zu lassen? Wäre es nicht wesentlich sinnvoller, innerstädtische Flächen zu entsiegeln, Dächer und Fassaden zu begrünen, statt wieder einmal den Sport die Rechnung zahlen zu lassen? Es ist nicht einzusehen, dass Flächen die dem Sport gewidmet sind als ökologische Ausgleichsflächen genutzt werden.

Interne Berechnung zeigen, dass der Umbau eine Erweiterung der Kapazitäten um rund hundert Kinder ermöglichen würde. Und wir könnten endlich auch Fußball für Mädchen anbieten, was uns bisher aus Kapazitäts- und Infrastrukturgründen nicht möglich war.

Am Ende zeigt die Situation eines: Sport und Bewegung haben noch lange nicht das Gewicht, das sie aufgrund der gesellschaftlichen Wertigkeit haben müssen. Eine Änderung ist nicht in Sicht.

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Zum Autor:
Michael Franke ist seit 2003 erster Vorsitzender der FT München-Gern, dem Heimatverein von Philipp Lahm. Aktiver Spieler war er von 1974 bis 2007, Jugendtrainer von 2003 bis 2017, zwischenzeitlich Schriftführer. Im Jahr 2018 hat er die Interessengemeinschaft Sport in München mitgegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, den Breitensport zu fördern.

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Über die Hartplatzhelden-Kolumne:
In regelmäßigen Abständen lassen wir kreative und kritische Köpfe aus dem Amateurfußball zu Wort kommen, die sich mit den Sorgen und Nöten unseres geliebten Sports befassen, aber auch Ideen für die Zukunft vorstellen.

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#31: DFB und Amateure: »Es braucht eine Graswurzelbewegung!« von Gerd Thomas
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#29: Digitalisierung im Verein: »Manche Apps werden bleiben!« von Tim Frohwein
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#25: Pädagogik: »Wird man zum besseren Menschen, wenn man Fußball spielt?« von Younis Kamil
#24: Vereinsstruktur:»Wir wollen unseren Verein strategisch neu entwickeln« von Michael Franke
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#21: »eSport? Wer Nachwuchs fördern will, sollte sich Teqball-Platte zulegen« von Tim Frohwein
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#18: Sportpolitik: »Neue Köpfe braucht der Fußball« von Gerd Thomas
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Aufrufe: 011.5.2023, 18:30 Uhr
Michael FrankeAutor