2024-05-02T16:12:49.858Z

Kommentar
– Foto: Imago - Ulmer

Übungsleiterpauschale: »Wir müssen das Ehrenamt neu denken!«

Hartplatzhelden-Kolumne #46: Ehrenamt bedeutet eigentlich "unentgeltliche Erbringung gemeinnütziger Tätigkeit". Mit Jugendtrainern im Fußball kann das so auf Dauer nicht mehr funktionieren. Doch wer soll sie bezahlen? Von MICHAEL FRANKE

In der Hartplatzhelden-Kolumne kommen kreative und kritische Köpfe aus dem Amateurfußball zu Wort, die sich mit den Sorgen und Nöten unseres geliebten Sports befassen, aber auch Ideen für die Zukunft vorstellen. In der 46. Ausgabe diskutiert Michael Franke, erster Vorsitzender der FT München-Gern, die Problematik der Entlohnung von Übungsleitern und Ehrenamtlern.

Razzien beim FC Augsburg und beim FC Bayern. Man liest über Bundesliga-Jugendtrainer, die im Minijob unterbezahlt arbeiten. Ein Thema, das vermutlich viele deutsche Nachwuchsleistungszentren betrifft. Doch wie schaut das eigentlich im Ehrenamt aus?

Ehrenamt ist im Grunde die unentgeltliche Erbringung gemeinnütziger Tätigkeit. Das heißt, dass ein ehrenamtlicher Trainer erstmal auch keine Bezahlung für seine Tätigkeit bekommt. Doch wir müssen das Ehrenamt heute neu denken. Schließlich bietet sogar der Gesetzgeber die Möglichkeit, ehrenamtlich Übungsleiter mit bis zu 3.000 Euro jährlich, also 250 monatlich, zu entlohnen. Was bedeutet dies für einen Verein?

Ich nehme meinen Heimatverein als Beispiel. Hier sind rund fünfzig ehrenamtliche Trainerinnen und Betreuer für 27 Mannschaften aktiv. Würden diese alle mit der vollen Pauschale versehen, wären das für den Verein jährlich 150.000 Euro. Das bedeutet, dass jedes unserer 700 Mitglieder etwa 214 Euro Beitrag pro Jahr zahlen müsste, um diesen Betrag zu refinanzieren. Nur für die Übungsleiterpauschale.

Nun ist es ja so, dass vor allem in Ballungsgebieten der wirtschaftliche Druck auf die Menschen bedingt durch explodierende Mieten enorm ist. Die Vereine konkurrieren daher mit bezahlten Jobs, wenn es um die Zeit potentieller Übungsleiter geht. Wie soll das am Ende also aufgehen, zumal die Anforderungen von Eltern, Spielern und Verantwortlichen an Trainern permanent steigen?

Die Vereine sitzen in der Zwickmühle. Niedrige Beitragssätze stehen der Notwendigkeit gegenüber, Trainerinnen zumindest im Rahmen der steuerbegünstigten Vorgaben der Übungsleiterpauschale zu bezahlen.

Am Ende bieten sich ihnen zwei Möglichkeiten. Entweder werden die Beiträge im Durchschnitt um die oben errechneten 214 Euro erhöht, was zum Beispiel in unserem Verein mehr als eine Verdoppelung der Beiträge mit entsprechenden Folgen für die Familien bedeuten würde. Oder die Vereine erhalten einen Zuschuss für jeden Übungsleiter – einen öffentlichen oder durch eine Abgabe des Profifußballs. Sich in dieser Sache von externen privaten Sponsoren abhängig zu machen, wäre Harakiri.

Letztlich muss sich die Gesellschaft entscheiden, welchen Wert sie einer qualifizierten Betreuung im Verein beimisst. Die Erfüllung dieser Funktion im Rahmen der kostenlosen Selbstausbeutung Ehrenamtlicher steuert auf ihr Ende zu. Eine Finanzierung der Übungsleiterpauschale wird unumgänglich, will man nicht das größte soziale Projekt der Republik, den Jugendfußball im Breitensport, massiv gefährden.




Über den Autor:
Michael Franke ist seit 2003 erster Vorsitzender der FT München-Gern, dem Heimatverein von Philipp Lahm. Aktiver Spieler war er von 1974 bis 2007, Jugendtrainer von 2003 bis 2017, zwischenzeitlich Schriftführer. Im Jahr 2018 hat er die Interessengemeinschaft Sport in München mitgegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, den Breitensport zu fördern.

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Über die Hartplatzhelden-Kolumne:
In regelmäßigen Abständen lassen wir kreative und kritische Köpfe aus dem Amateurfußball zu Wort kommen, die sich mit den Sorgen und Nöten unseres geliebten Sports befassen, aber auch Ideen für die Zukunft vorstellen.

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Aufrufe: 017.2.2022, 12:00 Uhr
Michael FrankeAutor