2024-05-02T16:12:49.858Z

Kommentar
– Foto: imago images / Norbert Schmidt

Fußball und Corona: »Was ich vermisse, ist das Einmischen des DFB«

HARTPLATZHELDEN-Kolumne #20: »Ich will das düstere Jahr 2020 abhaken, aber es gelingt mir nicht so recht. Wenn ich sehe, dass unsere Mitglieder keinen Sport treiben dürfen, obwohl es ja trotz Corona möglich wäre, stelle ich mir die Frage: Wie sollen wir Fußballvereine die nähere Zukunft gestalten?« Von UTE GROTH

In der Hartplatzhelden-Kolumne kommen kreative und kritische Köpfe aus dem Amateurfußball zu Wort, die sich mit den Sorgen und Nöten unseres geliebten Sports befassen, aber auch Ideen für die Zukunft vorstellen. In der 20. Ausgabe erläutert Ute Groth, 1. Vorsitzende der DJK TuSA 06 Düsseldorf, warum sie einen Perspektive für die Wieder-Öffnung der Sportanlagen für so wichtig erachtet.

2021 hat begonnen, doch irgendwie ist 2020 noch nicht zu Ende. Ein paar Zitate und Schlagzeilen aus den letzten Tagen des Jahres klingen in mir nach:

  • Sportschau, 4. Dezember: "Studie Universitätsklinikum Münster: dramatischer Bewegungseinbruch bei Kindern und Jugendlichen"
  • Rheinische Post, 12. Dezember: "Wen Corona einsam macht – je härter der Lockdown desto klarer eine Erkenntnis: Die Pandemie steigert das Gefühl, sozial isoliert zu leben. Überraschenderweise empfinden das vor allem junge Leute."
  • Rheinische Post, 14. Dezember: "Sport spielt in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle. Er vermittelt Kindern und Erwachsenen ein Gemeinschaftsgefühl, Fairness und Teamgeist. Sportvereine wirken integrativ, motivieren und geben nicht zuletzt in Krisen Halt."
  • Düsseldorfer Anzeiger, 16. Dezember: "In der Pandemie zeigt sich verstärkt, dass besonders Kinder unter den aktuellen Einschränkungen leiden: Fernunterricht, Isolation, Kontaktbeschränkungen, häusliche Quarantäne, die Sportanlagen sind zu und die Spielplätze mit Flatterband abgesperrt. Dies führt zu Konfliktsituationen zu Hause."
  • Süddeutsche Zeitung, 18. Dezember: "DFB-Vizepräsident Peters attackiert Curtius"
  • Süddeutsche Zeitung, 19. Dezember: "DFB – Vernehmung in Frankfurt"
  • Süddeutsche Zeitung, 21. Dezember: "DFB – die verschwundene Selbstanzeige"
  • Süddeutsche Zeitung, 23. Dezember: "1.FC Nürnberg – versöhnt mit dem Seuchenjahr"


Ich bin nicht versöhnt mit dem Seuchenjahr. Mir fehlt die Perspektive für die Zukunft, auch wenn es für unseren Verein strategisch, inhaltlich, finanziell sogar ein erfolgreiches Jahr gewesen ist. Der neue Kunstrasenplatz in der Kooperation mit dem Nachbarverein ist auf's Gleis gesetzt. Die Fußballer, als Hauptnutzer, haben für die 1. Frauenmannschaft das Ziel Regionalliga ausgegeben. Mit neuem Trainer und einem großzügigen Sponsor ist das ein Plan, der realisierbar ist. Die 1. Herren stellt sich unter Einbeziehung großer Teile der erfolgreichen A-Jugend neu auf. Das erste Mal seit Jahrzehnten, dass Trainer den Mut haben, der Jugend mehr zu vertrauen als geholten erfahrenen Fußballreisenden. Ziel: Festigung in der Kreisliga diese Saison, Aufstieg in die Bezirksliga in der nächsten. Es gibt viele andere Beispiele aus unseren anderen Sportabteilungen, die zeigen, dass Vereine kein veraltetes Modell sind und neue Ideen Menschen ansprechen, die dann Mitglied werden.

Finanziell kommen wir gut über die Runden, auch dank Fördermitteln. Zuschauereinnahmen fehlen zwar, doch für uns sind Mitgliedsbeträge wichtiger. In der Landesliga mag das anders sein.



Ein weiteres Fundament unserer Arbeit sind die Sportangebote für Kinder und Jugendliche. Laut Vereinssatzung fördert der Verein die sportliche Jugend- und Seniorenbetreuung, die Jugend- und Altenhilfe und die Erziehung. Das betrifft bei uns gut 1000 Mitglieder.

Doch was mir wirklich Sorgen macht: Wie geht es weiter in 2021? Der Fußballkreis Düsseldorf schreibt in seinem Newsletter Dezember: „Zum heutigen Zeitpunkt wäre es unseriös, eine Prognose für den weiteren Verlauf der Saison abzugeben.“ Das ist richtig, verkürzt aber die Sichtweise auf den Sportbetrieb Mannschaftstraining und Ligabetrieb.

Was wir brauchen, ist die Möglichkeit, wie bereits am Ende des ersten Lockdown im Frühjahr 2020, die Sportanlagen zu öffnen. Das Ziel war und ist, den Mitgliedern für individuelle Sportausübung Platz zu geben. Das hat im Mai funktioniert und auch in den ersten Novembermonaten. Mitglieder haben im Familienverband ein Stück Sportanlage gebucht, womit die Nachverfolgung im Infektionsfall möglich war. So konnten sie der räumlichen Enge der Wohnung entfliehen, an der frischen Luft Sport treiben, sich auspowern und Spaß haben. Manchmal konnten sie mit Abstand Vereinskameraden zuwinken. Dann fühlt man sich nicht alleine. Ein Ausgleich für alle in schwierigen Zeiten.

Was ich vermisse, ist das vernehmbare, sichtbare, lesbare Einmischen des DFB. Mein Kollege Gerd aus Berlin sagt, der DFB sei nur der Dachverband, die Landesverbände hingegen seien für uns zuständig. Das mag formal richtig sein. Doch wie in der Politik gilt im Fußball: Ein klarer
Standpunkt von oberster Stelle gäbe uns Orientierung und wäre eine klare Hilfe für die Basis. Dann wäre es leichter, das Jahr 2020 bald auch gedanklich zu beenden.


Zur Autorin:
Ute Groth, Jahrgang 1959, ist seit 2007 die Vorsitzende der DJK TuSA 06 Düsseldorf, einem Verein, der sich dem Breitensport verschrieben hat. 2019 wollte sie sich zur ersten DFB-Präsidentin wählen lassen, wurde aber zur Kandidatur nicht zugelassen. Ihr Verein, einer der mitgliederstärksten im Rheinland, ist Teil der DJK, dem katholischen Sportverband Deutschlands.

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Zur Hartplatzhelden-Kolumne:
In regelmäßigen Abständen lassen wir kreative und kritische Köpfe aus dem Amateurfußball zu Wort kommen, die sich mit den Sorgen und Nöten unseres geliebten Sports befassen, aber auch Ideen für die Zukunft vorstellen.

#19: Rassismus: »Sie riefen „Deck den Weißen“ – das tat mir weh!« von Younis Kamil
#18: Sportpolitik: »Neue Köpfe braucht der Fußball« von Gerd Thomas
#17: Kommunalpolitik: »Willkommen in der Sportstadt "Schilda" München« von Michael Franke
#16: Sportwissenschaft: »Wünsche mir Wissensspeicher für Amateurfußball« von Tim Frohwein
#15 »Die Politik muss das Fußballverbot für Kinder wieder aufheben!« von allen
#14 Sportpolitik: »Amateure, organisiert Euch!« von Gerd Thomas
#13 Sozialverhalten im Kinderfußball: »Mannschaft ist unser Spiegelbild« von Younis Kamil
#12 Gewalt im Fußball: »Wäre schön, wenn die Politik begreift« von Gerd Thomas
#11 »Wer das Hauptamt fördert, fördert auch das Ehrenamt« von Ute Groth
#10 Neue DFL-Taskforce: »Wir Amateure sind denen egal« von Michael Franke
#9 Kinderfußball: »Es sollen wirklich alle spielen!« von Younis Kamil
#8 »Duschen nach dem Spiel ist jetzt gefährlicher als nach dem Training« von Gerd Thomas
#7 Integration: »Flüchtlingsmannschaften machen mich skeptisch« von Michael Franke
#6 Pro Jugendarbeit: »Lieber kauft man ein neues Herrenteam zusammen« von Gerd Thomas
#5 Stellenwert des Amateurfußballs: »Großer Konkurrent ist die Kultur« von Michael Franke
#4 »Der Plan mit dem Neustart ist nicht durchdacht« von Ute Groth
#3 DFB: Gegen das System Pattex von Gerd Thomas
#2 Kindern die Angst nehmen: »Fehler sind etwas Tolles« von Younis Kamil
#1 »Corona hat die Leute vom Fußball entwöhnt« von Michael Franke

Aufrufe: 016.1.2021, 07:00 Uhr
Ute GrothAutor