2024-05-14T11:23:26.213Z

Allgemeines
Gute Zeiten: Vor 13 Jahren war der TSV Aindling im DFB-Pokal Gastgeber von Schalke 04. Wenig später begannen die Schwarzgeldzahlungen an Kicker.   F.: Bernhard Weizenegger
Gute Zeiten: Vor 13 Jahren war der TSV Aindling im DFB-Pokal Gastgeber von Schalke 04. Wenig später begannen die Schwarzgeldzahlungen an Kicker. F.: Bernhard Weizenegger

Schicksalswoche für den TSV Aindling

Angeklagte gestehen und wollen hohe Wiedergutmachung zahlen +++ Das könnte auch Vereinsinsolvenz abwenden

Seit Ende 2011 schwebt ein Damoklesschwert über dem Traditionsverein TSV Aindling und vier langjährigen führenden Funktionären. Jetzt könnte in einer Woche (fast) alles entschieden sein. Schon am Mittwoch soll Geld auf einem Treuhandkonto sein. 550.000 Euro wollen die vier Angeklagten im Steuerprozess und zwei weitere Vereinsvertreter, die nicht auf der Anklagebank im Augsburger Schöffengericht sitzen, an Wiedergutmachung bezahlen. Sie gleichen damit aus eigener Tasche einen großen Teil des Schadens aus, der bei Fiskus und Rentenversicherung über Jahre hinweg durch Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug mit Schwarzgeldzahlungen an Bayernliga-Fußballer entstanden ist.

Am Donnerstagabend findet eine Mitgliederversammlung satt. Dort geht es darum, in einem Vergleichsangebot an die Gläubiger die Insolvenz des Vereins abzuwenden. Die 550.000 Euro sind Teil des Angebots. Am Montag nächster Woche könnte dann der Strafprozess enden. Mit Freiheitsstrafen auf Bewährung zwischen elf Monaten und einem Jahr und zehn Monaten.

Die vier Angeklagten, alle sind schwer krank oder zumindest gesundheitlich angeschlagen, legten nun ein Geständnis ab und ihre finanziellen Verhältnisse offen. Das beides nicht leicht fiel, war zu spüren. „Ich bin damit einverstanden, aber nur dem Verein zuliebe“, so ein Ex-Präsident. Insgesamt übernehmen sie fast eine halbe Million des Schadens. Den Löwenanteil begleicht der frühere Finanzvorstand mit 380.000 Euro. Die Präsidenten greifen Rücklagen an, einer nimmt ein Darlehen aufs Eigenheim auf.

Monatelang war der Prozess auf der Stelle getreten. Es fehlten die neuen Schadenssummen. Auf eine Neuberechnung einigten sich die Beteiligten schon beim ersten Verständigungsgespräch Anfang März. Seither liegen die Eckpunkte auf dem Tisch: Die Staatsanwaltschaft lässt eine Neuberechnung mit pauschalen Aufwandsabzügen zu. Die Angeklagten legen ein Geständnis ab und zahlen eine Wiedergutmachung. Das Gericht verhängt Bewährungsstrafen. Was fehlte, waren die neuen Zahlen der Sozialkassen.

Die liegen jetzt vor, wurden aber am elften Verhandlungstag seit Januar nicht vorgestellt. Dafür aber die Zahlen des Finanzamtes. Und die sind jetzt deutlich niedriger als in der Anklage. Die Strafverfolger rechneten zu Prozessbeginn den Schaden für Fiskus (rund 500.000 Euro) und Kassen (1,7 Millionen Euro) noch auf insgesamt 2,2 Millionen Euro hoch. Die Summen ergeben sich neben den Nachzahlungen durch Strafzinsen und hohe Säumniszuschläge. Bei der Schadensneuberechnung wurde jetzt ein pauschaler Aufwand der Spieler (Schuhe, Fahrtgeld etc.) abgezogen. Ganz unter den Tisch fallen jetzt Spieler, die unter 625 Euro im Monat bekommen haben. Für alle, die darüberliegen, werden 250 Euro Aufwand abgezogen. Dies gilt für den Zeitraum von 2003 bis Mitte 2008. Später machte der Verein einen Aufwand für Fahrtkosten geltend. Deshalb liegt die Latte von Mitte 2008 bis Ende 2011 bei 500 Euro. Für alle, die darüberliegen, werden dann noch 125 Euro Aufwand abgezogen.

Der Gesamtschaden verringert sich damit deutlich. Ein Steuerfahnder stellte jetzt im Zeugenstand die Neuberechnung vor: Demnach beläuft sich die hinterzogene Lohnsteuer nun auf rund 65.000 Euro. Einen großen Teil davon haben mittlerweile die Spieler beglichen, die vom Finanzamt seit 2011 nachträglich zur Kasse gebeten wurden. An Umsatzsteuern ist dem Finanzamt laut dem Steuerfahnder rund 110.000 Euro vorenthalten worden. Wie? Ablösesummen, Einnahmen aus Eintrittsgeldern und bei Veranstaltungen, Verkauf von Getränken etc. wurden gar nicht oder nicht richtig deklariert. Insgesamt fehlen dem Fiskus jetzt also rund 175.000 Euro statt den zunächst angeklagten 500.000 Euro – ein gutes Drittel der Schadenssumme. Wenn sich das bei der Neuberechnung der Sozialkassen fortsetzt, dann werden aus 2,2 Millionen etwa 750.000 Euro Gesamtschaden. Diese Rechnung wird am nächsten und eventuell letzten Prozesstag am Montag nächster Woche öffentlich gemacht.

Rückblick auf den Prozessverlauf

Aufrufe: 021.6.2016, 09:21 Uhr
Aichacher Nachrichten / Christian LichtensternAutor