2024-05-14T11:23:26.213Z

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Mit Fußball lässt sich Geld verdienen. Vier Funktionäre des TSV Aindling stehen deshalb vor Gericht.  Symbolfoto: Franz Neuhäuser
Mit Fußball lässt sich Geld verdienen. Vier Funktionäre des TSV Aindling stehen deshalb vor Gericht. Symbolfoto: Franz Neuhäuser

Steuerprozess: Vergleich bahnt sich an

Schaden durch das »Bezahlsystem« des TSV Aindling soll neu berechnet werden +++ Die vier Funktionäre würden Strafen auf Bewährung bekommen +++ Und sie sollen sehr viel zahlen

Im Steuerprozess gegen vier Funktionäre des TSV Aindling bahnt sich eine Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung an. Simone Hacker, Vorsitzende des Augsburger Schöffengerichts, berichtete am sechsten Verhandlungstag umfassend aus einem detaillierten Protokoll über das Ergebnis eines zweistündigen Rechtsgesprächs der Parteien zu Wochenbeginn.

Der Kern: Der Schaden für Fiskus und Sozialkassen durch das „Bezahlsystem Aindling“ für die Bayernliga-Fußballer soll neu berechnet werden. Die „Geringverdiener“ unter den Kickern sollen herausfallen und der Aufwand pauschalisiert werden. Dann würde sich der Schaden, den die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage noch auf 2,1 Millionen Euro hochrechnet, etwa um ein Drittel oder auch mehr verringern. Wenn die vier Angeklagten dann ein Geständnis ablegen und die angebotene Schadenswiedergutmachung (bislang ist die Rede von insgesamt 550.000 Euro) aufstocken, dann könnte für sie der Prozess mit Haftstrafen auf Bewährung zu Ende gehen. Das hat die Staatsanwaltschaft angeboten.

Dieser „Vergleich“ ist aber noch nicht in trockenen Tüchern, denn der Teufel liegt im Detail. Insbesondere geht es dabei um das Raster für die Neuberechnung und die Unterscheidung der Spieler in „Arbeitnehmer“, für die Steuern und Sozialbeiträge abgeführt werden müssen, und „Geringverdiener“. In den acht Jahren zwischen 2003 und der Razzia Ende 2011 hat eine hohe zweistellige Zahl an Spielern Geld beim TSV verdient. In den nächsten Wochen wollen die Parteien untereinander sprechen, eventuell findet ein weiteres Rechtsgespräch statt. Richterin Hacker will beim nächsten Verhandlungstag am 4. April die Öffentlichkeit wieder informieren.

Die Verteidiger stimmten für ihre vier Mandanten grundsätzlich dem Vorschlag für eine Neuberechnung und eine Verständigung zu. Eine Aufstockung der Wiedergutmachung bezeichneten drei der vier aber als kaum möglich. Der amtierende und die ehemaligen Präsidenten sowie zwei weitere TSV-Funktionäre, die nicht auf der Anklagebank sitzen, haben angeboten, zusammen 200.000 Euro des Schadens zu übernehmen. Die Beiträge sind unterschiedlich hoch – die Präsidenten würden zwischen 20.000 und 50.000 Euro aus ihrer privaten Kasse zahlen. Den Löwenanteil von 350.000 Euro des angebotenen Schadensausgleichs trägt der ehemalige Vorstand Finanzen. Laut seinem Rechtsanwalt Thorsten Junker würde der Steuerberater auch noch einen Mehrbetrag für einen der angeklagten Ex-Präsidenten begleichen.

Das vorläufige Insolvenzverfahren gegen den TSV ist immer noch am Laufen und eine Entscheidung noch nicht absehbar. Zumindest eine gute Nachricht wurde bekannt. Der Verein ist seit einer guten Woche wieder gemeinnützig und zwar rückwirkend zum Jahresbeginn 2012. Im Zuge der Steueraffäre waren dem TSV die Gemeinnützigkeit und damit auch Steuervorteile und die Möglichkeit, Spendenquittungen auszustellen, aberkannt worden.

Angeklagte, Anklage, »Bezahlsystem«, Schaden und Vorgeschichte

  • Angeklagte Vor Gericht stehen der aktuelle Präsident und seine zwei Amtsvorgänger sowie der frühere Vorstand Finanzen des Vereins. Alle vier sind im Rentenalter, bislang unbescholten und haben sich laut Anklage nicht persönlich bereichert.
  • Anklage Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Steuerhinterziehung in insgesamt 145 Fällen und Sozialversicherungsbetrug in zusammen 600 Fällen vor. Es geht um die Bezahlung der Bayernligafußballer zwischen 2003 und 2011. Sie sollen auch Geld aus einer „Schwarzen Kasse“ bekommen haben. Die sei mit Spielerablösen, Sponsoring, Einnahmen aus Spielbetrieb und dem Speise- und Getränkeverkauf gefüllt worden.
  • „Bezahlsystem Aindling“ Die Fußballer verdienten zum Teil über 10.000 Euro im Jahr und waren als „Minijobber“ angestellt. Reguläre Zahlungen mit geringen pauschalen Steuern und Sozialabgaben von bis 5400 Euro im Jahr sind so möglich. Beträge darüber hinaus seien Aufwandsentschädigungen, so die Verteidigung. Für die Staatsanwaltschaft steht fest: Das waren keine Geringverdiener, sondern reguläre Arbeitnehmer. Ein Teil des Geldes wurde aufs Konto überwiesen. Prämien für Punkte, Einsatz und Fahrtgeld wurden bar ausgezahlt.
  • Schaden Die Strafverfolger rechnen die Schadenssumme für Fiskus (rund 500.000 Euro) und Kassen (1,6 Millionen Euro) auf 2,1 Millionen hoch. Insbesondere die Forderungen der Sozialversicherungen schaukeln sich durch die langen Fälligkeiten hoch.
  • Vorgeschichte Im November 2011 rücken Steuerfahnder und Zoll mit Großaufgebot in Aindling an. Bei einer Razzia werden die Geschäftsstelle des TSV und die Privatwohnungen von acht ehemaligen und aktuellen Vorstandsmitgliedern durchsucht und dabei Dokumente und Datenträger beschlagnahmt. Eine ganze Reihe von Spielern bekommt Besuch vom Finanzamt. Sie müssen teilweise fünfstellige Summen an Steuern nachzahlen. Ihre Strafverfahren werden gegen Geldauflagen (meist vierstellige Beträge) eingestellt. Im Juli 2014 erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die vier TSV-Funktionäre. Im August 2015 meldet der Verein Insolvenz an. Die Kassen lassen sich nicht auf eine „Abschlagszahlung“ ein. Verwalter Christian Plail erreicht einen Aufschub. Der Landesligist spielt die Saison zu Ende.
Aufrufe: 022.3.2016, 17:52 Uhr
Friedberger Allgemeine / Christian LichtensternAutor