2024-05-02T16:12:49.858Z

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Vor dem Amtsgericht Augsburg müssen sich vier Funktionäre des TSV Aindling verantworten. Es geht um viel Geld.  Foto: Bernhard Weizenegger
Vor dem Amtsgericht Augsburg müssen sich vier Funktionäre des TSV Aindling verantworten. Es geht um viel Geld. Foto: Bernhard Weizenegger

Steueraffäre: Funktionäre stehen vor Gericht

Ein aktueller und drei ehemalige Vorstände des TSV Aindling müssen sich ab Montag für Sozialversicherungsbetrug und Steuerhinterziehung verantworten +++ Für Schwarzgeld-Zahlungen an Fußballer fordern Fiskus und Kassen 2,1 Millionen

Es ist ein sehr schwerer Gang: Ab Montag, 9 Uhr, stehen ein aktueller und drei ehemalige Vorstände des TSV Aindling im Augsburger Strafjustizzentrum vor Gericht. Die Ehrenamtlichen sind angeklagt wegen Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug. Sie werden dafür verantwortlich gemacht, dass ihr Verein über Jahre hinweg „Schwarzgeld“ an Fußballer ausbezahlt hat. Die Schadenshöhe aus Nachzahlungen und Strafzinsen liegt laut Staatsanwaltschaft bei 2,1 Millionen Euro. Es wird ein Wirtschaftsprozess, der nicht nur wegen der Dimension für überregionale Aufmerksamkeit sorgt. Seit Beginn der Steueraffäre beim langjährigen Bayernligisten vor über vier Jahren hat nicht nur die Amateurfußballszene den Fall am Lechrain und die Konsequenzen für den Verein und die Funktionäre verfolgt.

Den aktuellen und ehemaligen Vereinsvorständen wird nicht vorgeworfen, dass sie sich persönlich bereichert haben. Alle vier sind im Rentenalter und ohne Vorstrafen. Das alles könnte sich im Prozess strafmildernd auswirken. Sie stehen vor Gericht, weil sie als für die Geschäfte verantwortliche Funktionäre (drei Präsidenten und ein Finanzvorstand) den Verein im Zeitraum von 2003 bis 2011 geschäftsmäßig vertreten haben. Damit waren sie Arbeitgeber der beschäftigten Fußballspieler. Und allein der Arbeitgeber ist für die Abführung der Sozialabgaben zuständig. Dass Amateurfußballer auch schon in unteren Ligen Geld fürs Kicken bekommen, ist kein Geheimnis. Dafür gibt es geregelte Bezahlmodelle wie den Vertragsamateur. In Aindling waren Spieler aber laut Anklage als Geringverdiener gemeldet. Das ist auch möglich. Sie erhielten unter der Hand aber deutlich mehr. Zum Beispiel zusätzliche Fahrtkosten (obwohl mit dem Mannschaftsbus zu Auswärtsspielen gefahren wurde) oder Punktprämien. Die „Schwarze Kasse“ soll mit Spielerablösen, Sponsoring sowie Einnahmen aus Spielbetrieb und dem Speise- und Getränkeverkauf an Heimspieltagen gefüllt worden sein. Wären das Gehalt regulär versteuert und die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden, dann wäre den Spielern netto deutlich weniger geblieben. Das Finanzamt hat von Spielern bereits hinterzogene Steuern plus Strafen nachgefordert. In einigen Fällen sollen es Zahlungen im unteren fünfstelligen Bereich sein. Je nach Fall ist auch eine Beihilfe zum Sozialversicherungsbetrug möglich.

Für die jetzt vor Gericht stehenden Funktionäre geht es aber um insgesamt deutlich höhere Beträge. Die Schwarzgeldzahlungen über acht Jahre mit einer ganzen Reihe von Spielern, und die hohen Strafen und Säumniszuschläge addieren sich auf die 2,1 Millionen Euro hoch, die Fiskus und Kassen vom Verein fordern und dazu geführt haben, dass der TSV Aindling im August vergangenen Jahres einen Insolvenzantrag stellen musste.

Dabei unterscheiden sich die Schadenshöhen, die den einzelnen Vorständen von der Staatsanwaltschaft zugewiesen werden, deutlich. Das reicht von rund 150.000 Euro für ein gutes Jahr Zuständigkeit im Verein bis zu etwa einer Million Euro für acht Jahre. Den Beschuldigten werden unterschiedlich viele Einzelfälle zur Last gelegt: zwischen 41 und 287 Fälle beim sogenannten Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, zwischen vier und 58 Fälle beim Vorwurf der Steuerhinterziehung (Lohn- und Umsatzsteuer). Auf die angeklagten Straftaten stehen Freiheits- oder Geldstrafen. Das Verfahren findet ab Montag am Schöffengericht des Amtsgerichts in Augsburg statt. Das ist für alle Wirtschaftsstrafsachen nicht nur in der Region Augsburg, sondern bis zum Bodensee zuständig. Die Anklage am Amtsgericht hat eine grundsätzliche Bedeutung für das Verfahren. Ein Schöffengericht kann Strafen bis zu maximal vier Jahren Haft verhängen. Ein Landgericht könnte auch zu höheren Strafen verurteilen. Nach Stand der Dinge ist ein aufwendiger Prozess zu erwarten. Laut Auskunft von Michael Nißl, Pressesprecher der Strafabteilung des Amtsgerichts, sind bereits 16 Termine bis zur Jahresmitte angesetzt und 30 Zeugen geladen. Immer möglich ist in und vor einem Steuer-Verfahren eine Einigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung, um den Prozess abzukürzen. Ob es entsprechende Versuche schon vor der Hauptverhandlung gegeben hat, dazu gibt das Gericht zum Auftakt Auskunft.

Chronik: Steueraffäre des TSV Aindling

  • 2011 November Steuerfahnder und Zoll rücken mit Großaufgebot an Beamten in Aindling an. Bei der Razzia werden die Geschäftsstelle des TSV und die Privatwohnungen von acht ehemaligen und aktuellen Vorstandsmitgliedern des Sportvereins durchsucht und dabei Dokumente und Datenträger beschlagnahmt. Der Verdacht der Staatsanwaltschaft: Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug bei der Bezahlung der Bayernligafußballer im Zeitraum von 2003 bis 2011.
  • 2012/2013 Die Ermittlungen ziehen sich hin. Die Staatsanwaltschaft begründet das mit der komplexen Materie und den vielen Einzelfällen. Eine ganze Reihe von Spielern, die im untersuchten Zeitraum für den TSV auf dem Platz standen, bekommen Besuch vom Finanzamt. Sie werden zur Kasse gebeten und müssen teilweise fünfstellige Summen nachzahlen.
  • 2014 Juli Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen vier ehemalige und aktuelle Vorstandsmitglieder wegen Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug. Sozialkassen und Fiskus verlangen für die an Spieler ausgezahlten Schwarzgelder insgesamt 2,1 Millionen Euro an Nachzahlungen und Strafzinsen. Die Anklageschrift ist ein Wälzer mit über 100 Seiten.
  • 2015 Juli Der Versuch der Verteidiger, einen Prozess abzuwenden, scheitert. Das Amtsgericht lässt die Anklage zu. Eine erste Terminierung am Augsburger Schöffengericht für Wirtschafts-Strafsachen scheitert.
  • 2015 August Die Kassen lassen sich nicht auf eine „Abschlagzahlung“ ein. Der Verein zieht die Konsequenzen und stellt einen Insolvenzantrag. Verwalter Christian Plail übernimmt und erreicht zumindest einen Aufschub. Der Landesligist geht auch in der Rückrunde ab März an den Start.
  • 2016 Januar Das Strafverfahren gegen die vier TSV-Funktionäre am Amtsgericht in Augsburg wird eröffnet. Bis zur Jahresmitte sind 16 Termine angesetzt.
Aufrufe: 010.1.2016, 22:46 Uhr
Aichacher Nachrichten / Christian LichtensternAutor