2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Christian Telch konnte 15 Jahre vom Fußball leben und hat bei einigen Traditionsvereinen in Deutschland gespielt. Im Sommer wechselt er zum SV Gimbsheim.
Christian Telch konnte 15 Jahre vom Fußball leben und hat bei einigen Traditionsvereinen in Deutschland gespielt. Im Sommer wechselt er zum SV Gimbsheim. – Foto: Bettina Stritter/stock.adobe

Pizzabote aus Langeweile

Serie - Teil 48: Der Armsheimer hat seinen Traum vom Fußballprofi über ein Jahrzehnt lang gelebt +++ Viele Traditionsvereine in der Vita und Torschütze des Monats +++ "Absprung relativ leicht gefallen"

Mainz. Einen Satz würde Christian Telch dann doch gern noch im Artikel stehen haben. „Ich bin zu schlecht für die erste und zweite Liga“, hält der 34-Jährige fest. Kein Lamentieren über einen denkbar ungünstigen Trainerwechsel am Scheitelpunkt seiner Karriere, keine „Wenn ich nur...“-Szenarien, die noch in seinem Kopf herum geistern, keine Schuldzuweisungen, weder an sich selbst noch an andere, nichts dergleichen. Telch schnupperte ans Bundesligaaufgebot der 05er heran, schoss ein Tor des Monats, war Berufsfußballer, kam aber nie über die dritthöchste Spielklasse heraus. Ob er etwas bereut? „Nö.“

„Ich war schon ein sehr entspannter Typ“, blickt der Armsheimer, der nach einer Tour quer durch die Bundesrepublik inzwischen in Saulheim wohnt, auf seine Karriere zurück, „ein bisschen faul vielleicht. Ich hätte in der Freizeit mehr machen können.“ Aber er hadert nicht. „Ich habe 15 Jahre lang quasi mein Hobby zum Beruf gemacht. Was will ich mehr?“ Für diese Saison hat sich Telch dem SV Gonsenheim angeschlossen, seine Heimkehr nach Rheinhessen. Zur neuen Saison geht es zwei Klassen hinab in die Landesliga zum SV Gimbsheim. Nahe bei Worms, wo Telch arbeitet, mit weniger Trainingsaufwand. „Entspannt“, sagt er.

Im Dress des TSV "nur umgetreten"

Zwischendurch hatte es Telch schon mal noch unterklassiger probiert. Das war nach seiner Saison bei Rot-Weiß Essen, als der Wechsel zu Waldhof Mannheim geplatzt war. „Ich wollte mit Fußball aufhören.“ Ein Testspiel machte er für den TSV in seiner Heimatgemeinde, den Klub, bei dem er mit Fußball angefangen hatte. „Da wurde ich nur umgetreten.“ So wurde es nichts mit der Rückkehr, zum Glück, denn einige spannende Jahre im höherklassigen Bereich sollten noch auf ihn warten.

Ein Muss für jeden Fan: Telch (rechts) präsentiert gemeinsam mit André Schürrle, Dragan Bogavac und Nikolce Noveski (von links) eine DVD des FSV.
Ein Muss für jeden Fan: Telch (rechts) präsentiert gemeinsam mit André Schürrle, Dragan Bogavac und Nikolce Noveski (von links) eine DVD des FSV. – Foto: hbz/Sämmer

Man kennt Telch als defensiven Mittelfeldspieler und Verteidiger. Mit elf Jahren ging es als D-Jugendlicher zu Mainz 05. Mit der U23 stieg der 1,81-Meter-Mann in die Regionalliga auf, war Stammspieler, schaffte es in den Notizblock von Jörn Andersen. Der Profitrainer des FSV, der gerade die Bundesliga-Rückkehr erreicht hatte, nahm Telch mit ins Trainingslager – und flog dann zur allgemeinen Überraschung raus. „Tuchel hat mich rasiert“, blickt Telch auf den nachgerückten Jugendtrainer, der als eine seiner ersten Amtshandlungen den Kader verkleinerte.

Highlights am Bieberer Berg

Glück im Unglück, dass Telch ein Angebot von den Offenbacher Kickers vorliegen hatte, jenem Klub, den Andersen vor seiner Zeit bei den 05ern trainiert hatte. Die Zeit am Bieberer Berg bot einige Highlights, etwa die Pokalerfolge gegen Bochum und den BVB. Doch Rechtsverteidiger Christopher Lamprecht hatte im Rennen um den Stammplatz langfristig die Nase vorn, nach zwei Jahren zog Telch nach Essen weiter.

„In der A-Jugend war ich Kapitän, mein damaliger Trainer Jürgen Kramny hat mich sehr gefördert“, erzählt er, „natürlich kommt da der Traum vom Profi immer näher. Ich hatte bei 05 eine schöne Zeit, habe viele kommen und gehen sehen, war am Ende der Letzte aus meinem D-Jugend-Jahrgang, der noch da war. Man weiß, dass nur wenige es schaffen.“

Christian Telch während seiner A-Jugend-Zeit bei Mainz 05.
Christian Telch während seiner A-Jugend-Zeit bei Mainz 05. – Foto: hbz/Sell

Unaufgeregt, nicht ohne Stolz, aber ohne jede Verklärung blickt Telch zurück. Er nahm, wie alle NLZ-Spieler, einige Entbehrungen in Kauf. „Wenn die Kollegen am Wochenende etwas gestartet haben, war man natürlich raus.“ Dabei sind seine Kollegen, seine Kumpels aus dem rheinhessischen Dorf, ihm wichtig, auch heute noch. „Die Freundschaften haben unter dem Fußball gelitten, ganz klar. Aber Fußballer ist der geilste Job der Welt.“

Langeweile? Pizza ausgefahren!

Mit dem Schritt ins Ruhrgebiet war Telch klar, dass es für ganz oben nicht reichen würde. Aber auch auf den Ebenen darunter lässt es sich gut leben, vor allem: entspannt. „Mehr Essen geht nicht“, titelte die Bild-Zeitung, als Telch in Essen Pizza ausfuhr. Nicht, wie er erzählt, weil das Geld nicht reichte. „Mir war so langweilig, ich habe es zur Abwechslung gemacht.“ Lehre oder Fernstudium waren nicht notwendig, schon als 05er zog Telch seine Ausbildung zum Industriekaufmann durch. Darauf haben seine Eltern gepocht, zum Glück.

Bei RW Essen (links #15) spielte Telch Regionalliga - und fuhr aus Langeweile nebenher Pizzas aus.
Bei RW Essen (links #15) spielte Telch Regionalliga - und fuhr aus Langeweile nebenher Pizzas aus. – Foto: Pugbowler

Das liebe Geld. „Der einzige Unterschied zu den großen Profis und mir waren die Millionen“, lacht Telch, „der Tagesablauf war eigentlich derselbe.“ Er war froh, schon etwas in der Tasche zu haben, eine Sicherheit im Lebenslauf. „Viele Fußballer sind doof wie Brot und stehen am Ende mit nichts da.“ Telch suchte sich seinen Weg. Nachdem der Wunschtraum Waldhof geplatzt war, schüttelte er sich, ging zum SVN Zweibrücken, schoss ein Tor fast vom Mittelkreis – und erlebte, wie dem Verein das Geld ausging.

Ein Jahr spielte Telch (rechts) für Zweibrücken.
Ein Jahr spielte Telch (rechts) für Zweibrücken. – Foto: Agentur View / Michael Schäfer

Kurz vor Toreschluss ging es nach Niedersachsen, zum Goslarer SC. Eine, für Regionalliga-Verhältnisse, kräftig hochgerüstete Truppe, die abseits des Rasens mehr Freude bereitete als auf dem Fußballplatz.

In Trier: Tor des Monats, aber der Absturz in die Oberliga

Bei Eintracht Trier traf Telch wieder fast vom Mittelkreis, in Kassel, im Oktober 2015. „Das Spiel lief auf Sport1“, erzählt er, „wir waren so schlecht. Ich wollte, dass wir wenigstens einen Torschuss haben.“ Sein Freistoß wurde zum Tor des Monats. „Das war meine schönste Regionalliga-Zeit. Wir hatten ein super Teamgefüge, hatten Erfolg. Danach war es umso schlimmer, weil der Verein einige falsche Transfers getätigt hat.“ Das Ergebnis war der Abstieg in die Oberliga, wo die Eintracht seither fest hängt.

Bei Eintracht Trier war Telch Kapitän, stieg aber im zweiten Jahr in die Oberliga ab. Dort spielt Trier noch heute.
Bei Eintracht Trier war Telch Kapitän, stieg aber im zweiten Jahr in die Oberliga ab. Dort spielt Trier noch heute. – Foto: Sebastian J. Schwarz

Dort fand sich auch Telch wieder, aber beim FC Homburg. Er wurde Kapitän, stieg auf, auch das Gehalt passte. „Ich hatte ein tolles Leben“, blickt er zurück. Bis Trainer Matthias Mink kam und Telch von Neuem rasiert wurde.

In Homburg blieb Telch viertklassig und war auch Kapitän, wie hier im Spiel beim SV Waldhof Mannheim.
In Homburg blieb Telch viertklassig und war auch Kapitän, wie hier im Spiel beim SV Waldhof Mannheim. – Foto: Pressefoto Eibner

Zuvor hatte er schon überlegt, wann der richtige Zeitpunkt wäre, ins Berufsleben zu starten. Ende 2020 war es so weit. Die Pandemie hatte die Republik im Griff. „Ich wusste ohnehin, dass ich mit Fußball kürzer treten muss.“ Sein früherer Teamkollege Andreas Backmann lotste ihn zum VfR Mannheim und vermittelte ihm einen Job beim Logistikunternehmen TST.

"Absprung ist mir leicht gefallen"

Doch das Pendeln wurde Telch bald zu aufwendig, er schloss sich dem SV Gonsenheim an. „Der Absprung ist mir relativ leicht gefallen“, blickt der 34-Jährige auf das Ende seiner Zeit als Berufsfußballer. Im Kreis seiner Kollegen auf der Arbeit fühlt er sich wohl, zurück in der Heimatregion sowieso, in Gonsenheim auch. „Ein recht entspannter Verein“, sagt Telch, „ich konnte in der Heimat höchstmöglich spielen.“

In dieser Runde lief Telch für den SV Gonsenheim in der Oberliga auf.
In dieser Runde lief Telch für den SV Gonsenheim in der Oberliga auf. – Foto: Edgar Daudistel

Doch nach gutem Start wurde es eine von Verletzungen geprägte Oberligasaison. Auch das anspruchsvolle Trainingspensum wurde ihm zu viel. Telch hat den B-Schein, will in Gimbsheim auch ins Jugendtraining einsteigen. An der Seite von Chefcoach Steven Jones, der ihn einst schon zur Wormatia lotsen wollte. „Aber Homburg war lukrativer.“

„Ich war ein gestandener Regionalligaspieler“, blickt Telch auf seine Karriere zurück. Ob mehr gegangen wäre? „Am Ende des Tages entscheidet die Leistung, und da hat es wohl bei mir nicht gereicht.“

Zur Serie: In dieser Reihe porträtieren wir ehemalige NLZ-Spieler, die nun bei Amateurteams aus der Region spielen. Sie erzählen uns, wie nah dran sie wirklich am großen Traum Profifußball waren und welche Ambitionen sie jetzt haben - sowohl auf als auch neben dem Platz.

- Teil 1: Linus Wimmer (SV Eintracht Trier)
- Teil 2: Lukas Fischer (TSG Bretzenheim)
- Teil 3: Lars Hermann (TSV Schott Mainz)
- Teil 4: Nik Rosenbaum (SV Alemannia Waldalgesheim)
- Teil 5: Joshua Iten (SG Hüffelsheim)
- Teil 6: Bilal Marzouki (FC Maroc Wiesbaden)
- Teil 7: Kevin Frey (VfB Bodenheim/TSG Mainz Futsal)
- Teil 8: Giorgio del Vecchio (TSV Schott Mainz)
- Teil 9: Marco Waldraff (SV Niedernhausen)
- Teil 10: Manuel Konaté-Lueken (RW Walldorf)
- Teil 11: Sandro Loechelt (Wormatia Worms)
- Teil 12: Marvin Esser (SG Walluf)
- Teil 13: Patrick Huth (TSG Pfeddersheim)
- Teil 14: Ilker Yüksel (Hassia Bingen)
- Teil 15: Tim Burghold (SV Niedernhausen)
- Teil 16: Noel Wembacher (RW Darmstadt)
- Teil 17: Tobias Schneider (RWO Alzey)
- Teil 18: Noah Michel (Türkgücü Friedberg)
- Teil 19: Marleen Schimmer (San Diego Waves)
- Teil 20: Deniz Darcan (SG Eintracht Bad Kreuznach)
- Teil 21: Max Pflücke (FC Basara Mainz)
- Teil 22: Jann Bangert (SV Rot-Weiß Hadamar)
- Teil 23: Aleksandar Biedermann (Wormatia Worms)
- Teil 24: Volkan Tekin (SV Dersim Rüsselsheim)
- Teil 25: Ilias Tzimanis (SV Unter-Flockenbach)
- Teil 26: Lukas Lazar (TSV Gau-Odernheim)
- Teil 27: Dimosthenis Papazois (SG Eintracht Bad Kreuznach)
- Teil 28: Sammy Kittel (SV Rot-Weiß Hadamar)
- Teil 29: Burak Bilgin (VfR Groß-Gerau)
- Teil 30: Luis Majrchzak (Hassia Bingen)
- Teil 31: Noah Schmitt (FC Eddersheim)
- Teil 32: Christian Lang (FSV Nieder-Olm)
- Teil 33: Fabio Moreno Fell (TSV Gau-Odernheim)
- Teil 34: Nico Heupt (SV 07 Geinsheim)
- Teil 35: Benjamin Himmel (TSG Pfeddersheim)
- Teil 36: Daniel Zeaiter (FC Eddersheim)
- Teil 37: Kai Hofem (FSV Nieder-Olm)
- Teil 38: Baris Yakut (Hassia Bingen)
- Teil 39: Daniel Knapschinski (VfB Unterliederbach)
- Teil 40: Dustin Ernst (Karriereende)
- Teil 41: Michael Seidelmann (Karriereende)
- Teil 42: Marko Verkic (SG Bad Soden)
- Teil 43: Kevin Kratz (TuS Dietkirchen)
- Teil 44: Ivan Mihaljevic (TSV Steinbach Haiger)
- Teil 45: Raphael Laux (TuS Dietkirchen)
- Teil 46: Gökhan Simsek (FSC Eschborn)
- Teil 47: Christian Kunert (FV Biebrich)

Aufrufe: 02.6.2022, 10:00 Uhr
Torben SchröderAutor