2024-05-08T14:46:11.570Z

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Während seiner Zeit im NLZ von Eintracht Frankfurt war der Zeitaufwand so groß, dass Sport und Schule nicht unter einen Hut zu bekommen waren. Erst nach seinem Wechsel ins Internat bei Dyanmo Dresden gingen seine schulischen Leistungen wieder bergauf.
Während seiner Zeit im NLZ von Eintracht Frankfurt war der Zeitaufwand so groß, dass Sport und Schule nicht unter einen Hut zu bekommen waren. Erst nach seinem Wechsel ins Internat bei Dyanmo Dresden gingen seine schulischen Leistungen wieder bergauf. – Foto: stock.adobe/TuS

"Wäre ich bei der Eintracht geblieben, hätte ich heute kein Abitur"

Serie - Teil 43: Verzeichnete Einsätze in der Jugend von Wehen Wiesbaden, Eintracht Frankfurt und Dynamo Dresden +++ Nach der A-Jugend fehlte ihm das Feuer sich nochmal neu beweisen zu wollen +++ Stattdessen wechselte der Mittelfeldmann zurück in Richtung Heimat in die Hessenliga

Limburg-Weilburg. Um den großen Traumberuf Profifußballer zu erreichen, müssen die Grundtugenden Einsatz und Leidenschaft erfüllt werden. Beides brachte Kevin Kratz von Beginn an mit. Zum Profi hat es dennoch nicht gereicht. In der B-Jugend verbrachte der Jugendliche nahezu jeden Tag mehrere Stunden im ICE, um von seinem Wohnort Wirbelau zur Eintracht nach Frankfurt zu kommen. Schule und Freizeit blieben dabei deutlich zurück. Doch trotz des immensen Aufwands will der 26-Jährige heute keine Erfahrung aus seiner Zeit in den Nachwuchsleistungszentren missen.

Großer Aufwand für den großen Traum

Nach seinem zweiten Jahr C-Jugend bei Wehen Wiesbaden entschied sich Kevin Kratz für den nächsten logischen Schritt in seiner Karriere: der Wechsel zu einem Verein, der auch in der U17 in der höchsten Junioren-Spielklasse, der Jugend-Bundesliga, vertreten ist. Sowohl der FSV Mainz 05 als auch Eintracht Frankfurt waren am zentralen Mittelfeldspieler interessiert. Aufgrund der Nähe zu Frankfurt und der Freundschaft zu einigen Spielern der Eintracht, auf Basis der Hessenauswahl, entschied sich der Limburger für den Wechsel in die Main-Metropole. "Das Internat bei Frankfurt war komplett neu", erklärt der Mittelfeldspieler, "es gab lediglich sieben bis acht Internatsplätze. Mir wurde leider keiner angeboten." So musste der Schüler jeden Tag mit dem ICE von Limburg nach Frankfurt ins Training fahren. Ein Riesenaufwand, wenn man bedenkt, dass Kratz jeden Tag zwei Stunden mit der An- und Abreise verbrachte. Auf zwei Jahre gesehen kommen damit circa 1000 Stunden in Zügen zusammen.

In der B-Jugend läuft der Jugendliche Kevin Kratz für die Eintracht aus Frankfurt auf.
In der B-Jugend läuft der Jugendliche Kevin Kratz für die Eintracht aus Frankfurt auf. – Foto: Privat

Dazu kam noch der Stress. "Ich musste immer um 19.30 sofort den Platz verlassen und so schnell es geht duschen", erinnert sich Kratz, "denn spätestens um 20.15 musste ich am Hauptbahnhof sein, um den letzten ICE nach Hause nicht zu verpassen." Viel Zeit mit den Teamkollegen blieb Kratz somit nie. Auch die schulischen Leistungen litten extrem unter dem ständigen Reisestress und der kaum vorhandenen Freizeit. Nach zwei Jahren bei der Eintracht stand für den gebürtigen Wirbelauer und seine Familie fest, es müsse eine andere Lösung her. "Der Aufwand in Kombination mit der Schule war schlichtweg zu groß. Ich habe nochmal nach einem Internatsplatz gefragt und eine Absage von der Eintracht bekommen. Die Prämisse war klar: Internat oder gar nichts." Kevin Kratz ist sich heute sicher, wenn er weiter bei Frankfurt geblieben wäre, hätte er trotz Nachhilfe vor dem Training sein Abitur nicht geschafft.

Kevin Kratz im Einsatz für Dynamo Dresden.
Kevin Kratz im Einsatz für Dynamo Dresden. – Foto: Privat

Heimat statt zweiter Mannschaft

Zu diesem Zeitpunkt wurde der ehemalige Trainer der Hessenauswahl, Volker Pikarski, NLZ-Leiter bei Dynamo Dresden. Über ihn entstand der Kontakt zwischen Kevin Kratz und dem Verein aus dem Osten Deutschlands. Das Komplettpaket von Schule und Fußball habe dem Jugendlichen sofort überzeugt. "Im ersten Jahr im Internat war es eine große Umstellung. Es war alles auf einem Fleck. Ich musste gerade mal 100 Meter zum Platz laufen", erzählt Kratz begeistert. Im zweiten Jahr erreichte der Wirbelauer mit Dynamo den Aufstieg in die A-Jugend-Bundesliga. Die Hoffnung, durch diese Leistungen sich für die erste Mannschaft oder andere hochklassige Profiverein zu empfehlen, ging nicht in Erfüllung. Kevin Kratz wurde lediglich angeboten, sich bei der zweiten Mannschaft der Dresdener in der Oberliga für größeres zu beweisen. "Mir hat der letzte Ehrgeiz gefehlt, mich nochmal in der Oberliga empfehlen zu müssen", erklärt der 26-Jährige, "Ich habe mir die Frage gestellt: Macht das wirklich Sinn, 450 Kilometer weg von daheim Oberliga zu spielen?" Letztendlich entschied sich Kevin Kratz, nach zwei Jahren für eine Rückkehr nach Hessen. "Mir war es zu blöd, nochmal so weit wegzuziehen, um wo anders Regionalliga zu spielen. Bereut habe ich es keine Sekunde."

Die ersten Erfolge erlebte Kevin Kratz (vorne, zweiter von links) bei der JSG Beselich/Gaudernbach/Wirbelau.
Die ersten Erfolge erlebte Kevin Kratz (vorne, zweiter von links) bei der JSG Beselich/Gaudernbach/Wirbelau. – Foto: Bethke

Kein gelungener Start

So ging es zurück nach Hessen, wo Kevin Kratz auch seine ersten Schritte auf dem Platz gemacht hatte. Den Beginn seiner fußballerischen Laufbahn erlebte er im Alter von vier Jahren beim TuS Wirbelau. Bereits früh merkte der junge Offensivspieler, dass er den Jungs in seiner Mannschaft einen Schritt voraus war. "Am Anfang war ich Stürmer, so wie alle Jungs, die was draufhatten", lacht Kratz, "doch ich merkte schnell das Fußball ein Mannschaftssport ist und ein Team nur zusammen funktioniert." In der Kreisauswahl hatte er das erste Mal wirklich das Gefühl, besser zu sein als alle anderen. Und folgerichtig kam der Schritt in der C-Jugend zu Wehen Wiesbaden. Nach den Zwischenstationen Eintracht Frankfurt und Dynamo Dresden kehrte der Limburger von Sachsen zurück. In Hessen wollte der ehemalige NLZ-Spieler sofort in der Hessenliga mit SV Rot-Weiß Hadamar nun auch im Herrenbereich angreifen. Doch es lief für Kevin Kratz nicht wie geplant: "Der Schritt von Jugendfußball zu Herrenfußball war sehr krass. Ich dachte ich werde auf jeden Fall spielen. Doch in Hadamar waren nur gestandene Hessenligaspieler." So kam der Mittelfeldspieler nur auf zwei Einsätze in seiner ersten Saison. Das sei das erste Jahr in seiner Karriere gewesen, in dem es nicht bergauf sondern bergab ging.

Der Dietkirchener konnte vor allem mit seinen Fähigkeiten am Ball in der Jugend und auch im Herrenbereich überzeugen.
Der Dietkirchener konnte vor allem mit seinen Fähigkeiten am Ball in der Jugend und auch im Herrenbereich überzeugen. – Foto: René Weiss

Eine fußballerische Heimat gefunden

Nach einem Jahr bei Hadamar entschloss sich Kevin Kratz dazu einen Schritt zurück zu machen. Er gab dem damaligen Verbandsligisten, TuS Dietkirchen, seine Zusage. Eine sehr gute Entscheidung aus heutiger Sicht. Seit mittlerweile sieben Jahren spielt der zentrale Mittelfeldspieler für das Team von Thorsten Wörsdörfer. In dieser Zeit erreichte der Wirbelauer mit der TuS den Aufstieg in die Hessenliga und feierte einige Pokalerfolge. In der aktuellen Saison erreichte Dietkirchen sogar die Aufstiegsrunde. "Ich habe meine fußballerische Heimat gefunden", sagt Kratz sehr zufrieden. Auch abseits des Feldes läuft es beim 26-Jährigen. Gleichzeitig mit dem Wechsel zu Dietkirchen begann er eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Nach dem erfolgreichen Abschluss steht heute nun schon der nächste berufliche Schritt zum Betriebswirt an. Den außerordentlichen Ehrgeiz und den unermüdlichen Einsatz bewahrte sich Kevin Kratz und blickt zufrieden auf seine Vergangenheit in den verschiedenen Nachwuchsleistungszentren zurück: "Ich habe so viel fürs Leben gelernt in dieser Zeit."

Zur Serie: In dieser Reihe porträtieren wir ehemalige NLZ-Spieler, die den Sprung zum Profi nicht gepackt haben und nun bei Amateurteams aus der Region spielen. Sie erzählen uns, wie nah dran sie wirklich am großen Traum Profifußball waren und welche Ambitionen sie jetzt haben - sowohl auf als auch neben dem Platz.

- Teil 1: Linus Wimmer (SV Eintracht Trier)
- Teil 2: Lukas Fischer (TSG Bretzenheim)
- Teil 3: Lars Hermann (TSV Schott Mainz)
- Teil 4: Nik Rosenbaum (SV Alemannia Waldalgesheim)
- Teil 5: Joshua Iten (SG Hüffelsheim)
- Teil 6: Bilal Marzouki (FC Maroc Wiesbaden)
- Teil 7: Kevin Frey (VfB Bodenheim/TSG Mainz Futsal)
- Teil 8: Giorgio del Vecchio (TSV Schott Mainz)
- Teil 9: Marco Waldraff (SV Niedernhausen)
- Teil 10: Manuel Konaté-Lueken (RW Walldorf)
- Teil 11: Sandro Loechelt (Wormatia Worms)
- Teil 12: Marvin Esser (SG Walluf)
- Teil 13: Patrick Huth (TSG Pfeddersheim)
- Teil 14: Ilker Yüksel (Hassia Bingen)
- Teil 15: Tim Burghold (SV Niedernhausen)
- Teil 16: Noel Wembacher (RW Darmstadt)
- Teil 17: Tobias Schneider (RWO Alzey)
- Teil 18: Noah Michel (Türkgücü Friedberg)
- Teil 19: Marleen Schimmer (San Diego Waves)
- Teil 20: Deniz Darcan (SG Eintracht Bad Kreuznach)
- Teil 21: Max Pflücke (FC Basara Mainz)
- Teil 22: Jann Bangert (SV Rot-Weiß Hadamar)
- Teil 23: Aleksandar Biedermann (Wormatia Worms)
- Teil 24: Volkan Tekin (SV Dersim Rüsselsheim)
- Teil 25: Ilias Tzimanis (SV Unter-Flockenbach)
- Teil 26: Lukas Lazar (TSV Gau-Odernheim)
- Teil 27: Dimosthenis Papazois (SG Eintracht Bad Kreuznach)
- Teil 28: Sammy Kittel (SV Rot-Weiß Hadamar)
- Teil 29: Burak Bilgin (VfR Groß-Gerau)
- Teil 30: Luis Majrchzak (Hassia Bingen)
- Teil 31: Noah Schmitt (FC Eddersheim)
- Teil 32: Christian Lang (FSV Nieder-Olm)
- Teil 33: Fabio Moreno Fell (TSV Gau-Odernheim)
- Teil 34: Nico Heupt (SV 07 Geinsheim)
- Teil 35: Benjamin Himmel (TSG Pfeddersheim)
- Teil 36: Daniel Zeaiter (FC Eddersheim)
- Teil 37: Kai Hofem (FSV Nieder-Olm)
- Teil 38: Baris Yakut (Hassia Bingen)
- Teil 39: Daniel Knapschinski (VfB Unterliederbach)
- Teil 40: Dustin Ernst (Karriereende)
- Teil 41: Michael Seidelmann (Karriereende)
- Teil 42: Marko Verkic (SG Bad Soden)

Aufrufe: 017.5.2022, 05:00 Uhr
Karim MathisAutor