2024-04-25T14:35:39.956Z

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Druck, Versagensangst, falsche Versprechungen: Die schlimmen Seiten des Fußball-Business hat Marko Verkic miterlebt. Mittlerweile hat er im Amateurfußball sein Glück gefunden.
Druck, Versagensangst, falsche Versprechungen: Die schlimmen Seiten des Fußball-Business hat Marko Verkic miterlebt. Mittlerweile hat er im Amateurfußball sein Glück gefunden. – Foto: stock.adobe/Leonie Karsten

"Jeder hat nur rumgelogen"

Serie - Teil 42: Der ehemalige Spieler von Fürth, Cottbus und Magdeburg über Depressionen im Profifußball, den Wandel der Rolle des Mittelstürmers und seinen Neuanfang

Eddersheim. Mit fünf Jahren begann Marco Verkic 1995 beim FC Eddersheim seine Fußballerlaufbahn. An sein erstes Training in Eddersheim kann sich Verkic noch gut erinnern: "Ich stand nur herum und habe ein Eigentor geschossen. Ich wollte dort nicht mehr hin, weil ich sehr schüchtern war". Glücklicherweise brachte sein Vater ihn aber erneut zum Training, da er wusste, wie viel seinem Sohn am Fußball lag. Und Verkic erkannte schnell, dass er zu den Besten gehörte. Heute hat er die Stationen Greuther Fürth, Energie Cottbus und den FC Magdeburg in seiner Kariere zu verbuchen. Doch für ihn hatte die Fußballkarriere auch Schattenseiten und so hatte er mit teilweise schweren Depressionen zu kämpfen. Heute ist er ein erfolgreicher Geschäftsmann und spielt bei der SG Bad Soden.

Mit zehn Jahren zog Verkic mit seiner Familie nach Unterfranken in Bayern und fünf Jahre später verschaffte Verkics Vater seinem Sohn ein Probetraining beim FC Nürnberg. Nachdem Verkic dort überzeugt hatte und in seinem ersten Spiel gegen die Bayernauswahl direkt zwei Tore erzielt hatte, wollte ihn der FCN haben. Doch drei Monate später meldete sich Nürnberg erneut und erteilte Verkic doch noch eine Absage. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der junge Kroate bereits in einer Schule in Nürnberg angemeldet und sogar schon eine Gastfamilie gefunden. Doch glücklicherweise setzte sich der damalige Trainer der Bayernauswahl, der Verkics Talent erkannte, für ihn ein. Er rief bei der SpVgg Greuther Fürth an, welche Verkic für die U16 verpflichtete.

Bei Greuther Fürth trotz Leistung aussortiert

In seiner ersten Saison erzielte der Mittelstürmer 28 Tore, von denen er 15 mit dem Kopf versenkte. Auch in der zweiten Saison in Fürth zeigte Verkic mit 25 Toren und der Auszeichnung Torschützenkönig allen, was er darauf hat. Dennoch wollte der damalige Trainer der U19 von Greuther Fürth, Frank Kramer, der in jüngster Vergangenheit von Arminia Bielefeld entlassen wurde, den jungen Mittelstürmer nicht in seiner Mannschaft haben. "2007 kam die "falsche Neun" in Mode und plötzlich war meine Position, der klassische Mittelstürmer, wie ausradiert in Deutschland. Eine Position, auf der wir mittlerweile Probleme haben, wenn man sich die Nationalmannschaft anschaut", erzählt Verkic. In der Folge musste sich der Mittelstürmer einen neuen Verein suchen. Nach einer Absage von Köln, die ebenfalls nicht an einer "echten Neun" interessiert waren, kam Verkic über seinen Berater nach Cottbus.

In Cottbus von Verletzung zurückgeworfen

In Cottbus bekam der damals 18-Jährige einen Jugendvertrag und der Verein zahlte ihm das Internat und die Schule. "Der Verein sagte mir, dass sie mich nach dem ersten halben Jahr in der A-Jugend direkt in die erste Mannschaft befördern möchten", erinnert sich Verkic. Damals spielte der FC Energie Cottbus noch in der Bundesliga, womit Verkic den Sprung zu den Profis schaffen würde. Doch eine Verletzung warf den damals 17-Jährigen in der Vorbereitung zurück. Bereits in Fürth hatte er mit den Schmerzen zu kämpfen, doch niemand konnte ihm weiterhelfen. Erst später stellte sich heraus, dass es sich um eine Schambeinentzündung handelte, die sich bereits bis in die Adduktoren verbreitet hatte. "Niemand wusste, was ich hatte und so habe ich fast ein Jahr unter Schmerzmitteln gespielt und kam morgens vor Schmerz gar nicht aus dem Bett", erinnert sich Verkic. So wurde Verkic nicht wie geplant zu den Profis übernommen. Nachdem in der nächsten Saison der Trainer wechselte, musste Verkic aus der Mitte weichen, da Cottbus nun auch auf eine "falsche Neun" setzte.

Nominiert für die kroatische Nationalmannschaft

Obwohl er bei Cottbus nahezu keine Rolle mehr spielte, wurde Verkic von der kroatischen U19 Nationalmannschaft eingeladen. 2006 spielte Verkic bereits schon einmal mit einer kroatischen Auswahl gegen die kroatische A-Nationalmannschaft, in der bereits Stars wie Luka Modric spielten. Der neue Trainer von Cottbus, Detlef Schößler, verbot Verkic allerdings das Auflaufen für die Nationalmannschaft, da er dadurch die Vorbereitung verpassen würde. "Ich dachte mir, der kann mich mal. Schließlich ist es das größte für mich für Kroatien zu spielen. Also bin ich zur Nationalmannschaft ins Trainingslager gefahren. Seitdem war ich bei ihm unten durch", sagt Verkic.

Petersen nimmt seinen Platz ein

Obwohl Verkic unter Schößler so gut wie nie spielte, wurde er in der Saison 2008/09 dennoch in die zweite Mannschaft befördert, der eben dieser Mittelstürmer fehlte. In der Winterpause verpflichtete Cottbus dann allerdings den heutigen Freiburger Nils Petersen, der in der ersten Mannschaft mittrainierte, aber in der zweiten Mannschaft spielte. Zur selben Zeit landete Verkic mit einer schweren Grippe im Krankenhaus und fiel für drei Monate aus. So übernahm Petersen Verkics Platz. Seine zwei Jahre Vertrag, mit Option auf ein drittes Jahr, lief nach der Saison aus und Cottbus legte ihm nah, den Verein zu verlassen.

Unter Steffen Baumgart in Magdeburg

In Magdeburg war gerade Steffen Baumgart, der heute den 1.FC Köln trainiert, Trainer geworden und dieser holte Verkic in sein Team, um ihn langsam wieder aufzubauen. "Baumi war mit Abstand der beste Trainer, den ich je hatte. Er hat als einer der wenigen immer an mich geglaubt", lobt Verkic Baumgart, mit dem er auch heute noch gut befreundet ist. Wie es der Zufall so wollte, spielte Magdeburg, die damals in der Regionalliga spielten, im DFB-Pokal gegen Energie Cottbus und Verkic bekam sogar seinen Einsatz. "Als ich die Auslosung gesehen habe, musste ich lachen und habe gehofft, dass ich treffe", erzählt Verkic. Leider ging das Spiel schlussendlich vor 17.000 Zuschauern mit 1:3 verloren. In seiner ersten Saison in Magdeburg erzielte der Kroate in 33 Spielen 24 Tore für die erste und zweite Mannschaft. Doch nach nur knapp acht Monaten in Magdeburg wurde Trainer Steffen Baumgart entlassen und erneut fiel Verkic einem Trainerwechsel zum Opfer.

Auch in der Zeitung wurde über ihn berichtet
Auch in der Zeitung wurde über ihn berichtet – Foto: Marko Verkic

Depressionen durch zu hohe Ansprüche

Der neue Trainer, Ruud Kaiser, der zuvor unter anderem die U18 der Niederlande trainierte, in welcher spätere Weltstars wie Arjen Robben und Wesley Sneijder spielten, setzte auf ein schnelles Spiel, was auf einem Kontakt basierte. In dieses passte Verkic als Mittelstürmer nicht wirklich. "Ich bin kein Filigran-Techniker, besonders nicht nach meinen zwei Schambein-Operationen. Ich bin ein Wandspieler und wenn du dann kein Tor machst, wirst du kritisiert. Schau dir einen Haaland an, wenn der kein Tor macht, bekommt der auch die Note 6", sagt Verkic. In dieser Zeit hatte der damals 20-Jährige auch mit schweren Depressionen zu kämpfen, die ihm von außen niemand ansah. Er machte sich selbst zu viel Druck und wollte unbedingt Profi werden. Die fehlenden Spielminuten machten für ihn alles nur noch schlimmer. "Das war zu der Zeit als auch Robert Enke gestorben ist und ich konnte ihn komplett verstehen. Meine Frau hat mich damals gerettet", sagt Verkic. Nachts klagte Verkic in dieser Zeit auch über Albträume und träumte von nicht genutzten Chancen und Spielen ohne eigenen Treffer. "Ich konnte nicht mal meinen DFB-Pokal-Einsatz genießen, weil ich selbst kein Tor gemacht habe", ärgert sich Verkic heute.

In Magdeburg hatte Verkic neben glücklichen auch sehr traurige Phasen
In Magdeburg hatte Verkic neben glücklichen auch sehr traurige Phasen – Foto: Marko Verkic

Angebote aus der portugiesischen und tschechischen zweiten Liga

Nachdem zum Ende der Saison auch in Magdeburg sein Vertrag ausgelaufen war, wandte sich Verkic an seinen Berater. "Jeder hat nur rumgelogen. Mein Berater sagte, dass halb Europa einen Stürmer wie mich sucht, obwohl er mich gefühlt noch nie hat spielen sehen", sagt der damals noch junge Kroate. Einzig Steffen Baumgart, der immer an Verkic und seine Qualitäten glaubte, vermittelte ihn an einen Zweitligisten in Portugal. Doch das Probetraining dort sollte eine Woche vor Verkics Hochzeit stattfinden und der Flugverkehr war zu diesem Zeitpunkt durch den Vulkanausbruch in Island gestört. "Ich hatte Angst, dass ich nicht zurückkomme und bin dann nicht geflogen", erinnert sich Verkic.

"Ich hör auf mit dem Scheiß"

Nach der Hochzeit wurde der 21-Jährige dann zu einem Verein, der in der zweiten Liga Tschechiens spielte, eingeladen. Statt Flitterwochen ging es für ihn und seine Frau also nach Tschechien. "Mir wurde gesagt, der Verein sei direkt bei Prag, ich würde 2000 Euro netto bekommen und bekomme alles bezahlt. In Wahrheit war es eine Stunde von Prag entfernt. Fast niemand konnte Englisch und die Zustände dort waren grausam. Als mir dann der Vertrag vorgelegt wurde, habe ich gesagt: "Ich hab kein Bock mehr. Ich hör auf mit dem Scheiß", und bin gegangen", erzählt Verkic. Er nahm die SIM-Karte aus seinem Handy, warf sie weg und verabschiedete sich.

Der Neubeginn

In der Folge hatte Verkic und seine hochschwangere Frau von einem auf den anderen Tag nichts mehr. "Wir hatten kein Geld und mussten auf der Couch von meiner Cousine schlafen", sagt Verkic, der heute über all das lachen kann. Verkic jobbte im Lager und in Restaurants. 2012 begann er dann seine Ausbildung zum Immobilienkaufmann mit 23 Jahren und fand die Liebe zum Amateurfußball. Er machte seine B-Lizenz als Trainer und spielte in Lorsbach als Spielertrainer. Nach einem Jahr bei Nassau Diedenbergen wechselte er zu Kreisoberligist SG Bad Soden, wo er in dieser Saison 15 Treffer in 17 Spielen erzielt hat.

Mittlerweile hat Verkic mehrere Firmen im Immobilienbereich und verkauft Immobilien an Fußballprofis wie Luka Jovic, Filip Kostic, aber auch Andre Kramaric. In Zukunft plant der heute 32-Jährige Schulungen in NLZs zu geben, um seine Erfahrungen an junge Spieler weiterzugeben. "Ich bereue nichts, denn man bereut nur das im Leben, was man nicht gemacht hat", stellt Verkic klar.

Zusammen mit Filip Kostic und Mijat Gacinovic bei der Wohnungssuche
Zusammen mit Filip Kostic und Mijat Gacinovic bei der Wohnungssuche – Foto: Marko Verkic

Auch Luka Jovic half er bei der Wohnungsfindung
Auch Luka Jovic half er bei der Wohnungsfindung – Foto: Marko Verkic

Andre Kramaric zählt ebenfalls zu seinen Clienten
Andre Kramaric zählt ebenfalls zu seinen Clienten – Foto: Marko Verkic

Zur Serie: In dieser Reihe porträtieren wir ehemalige NLZ-Spieler, die den Sprung zum Profi nicht gepackt haben und nun bei Amateurteams aus der Region spielen. Sie erzählen uns, wie nah dran sie wirklich am großen Traum Profifußball waren und welche Ambitionen sie jetzt haben - sowohl auf als auch neben dem Platz.

- Teil 1: Linus Wimmer (SV Eintracht Trier)
- Teil 2: Lukas Fischer (TSG Bretzenheim)
- Teil 3: Lars Hermann (TSV Schott Mainz)
- Teil 4: Nik Rosenbaum (SV Alemannia Waldalgesheim)
- Teil 5: Joshua Iten (SG Hüffelsheim)
- Teil 6: Bilal Marzouki (FC Maroc Wiesbaden)
- Teil 7: Kevin Frey (VfB Bodenheim/TSG Mainz Futsal)
- Teil 8: Giorgio del Vecchio (TSV Schott Mainz)
- Teil 9: Marco Waldraff (SV Niedernhausen)
- Teil 10: Manuel Konaté-Lueken (RW Walldorf)
- Teil 11: Sandro Loechelt (Wormatia Worms)
- Teil 12: Marvin Esser (SG Walluf)
- Teil 13: Patrick Huth (TSG Pfeddersheim)
- Teil 14: Ilker Yüksel (Hassia Bingen)
- Teil 15: Tim Burghold (SV Niedernhausen)
- Teil 16: Noel Wembacher (RW Darmstadt)
- Teil 17: Tobias Schneider (RWO Alzey)
- Teil 18: Noah Michel (Türkgücü Friedberg)
- Teil 19: Marleen Schimmer (San Diego Waves)
- Teil 20: Deniz Darcan (SG Eintracht Bad Kreuznach)
- Teil 21: Max Pflücke (FC Basara Mainz)
- Teil 22: Jann Bangert (SV Rot-Weiß Hadamar)
- Teil 23: Aleksandar Biedermann (Wormatia Worms)
- Teil 24: Volkan Tekin (SV Dersim Rüsselsheim)
- Teil 25: Ilias Tzimanis (SV Unter-Flockenbach)
- Teil 26: Lukas Lazar (TSV Gau-Odernheim)
- Teil 27: Dimosthenis Papazois (SG Eintracht Bad Kreuznach)
- Teil 28: Sammy Kittel (SV Rot-Weiß Hadamar)
- Teil 29: Burak Bilgin (VfR Groß-Gerau)
- Teil 30: Luis Majrchzak (Hassia Bingen)
- Teil 31: Noah Schmitt (FC Eddersheim)
- Teil 32: Christian Lang (FSV Nieder-Olm)
- Teil 33: Fabio Moreno Fell (TSV Gau-Odernheim)
- Teil 34: Nico Heupt (SV 07 Geinsheim)
- Teil 35: Benjamin Himmel (TSG Pfeddersheim)
- Teil 36: Daniel Zeaiter (FC Eddersheim)
- Teil 37: Kai Hofem (FSV Nieder-Olm)
- Teil 38: Baris Yakut (Hassia Bingen)
- Teil 39: Daniel Knapschinski (VfB Unterliederbach)
- Teil 40: Dustin Ernst (Karriereende)
- Teil 41: Michael Seidelmann (Karriereende)

Aufrufe: 012.5.2022, 05:00 Uhr
Simon SchwarzAutor