2024-04-16T09:15:35.043Z

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Fast ein Jahrzehnt in Biebrich und in seinem Ausbildungsverein Chemnitz im Einsatz: Christian Kunert.
Fast ein Jahrzehnt in Biebrich und in seinem Ausbildungsverein Chemnitz im Einsatz: Christian Kunert. – Foto: stock.adobe/Biebrich 02

Plötzlich Funkstille zum Berater

Serie - Teil 47: Der 36-Jährige wechselte einst aus Chemnitz in die Region +++ Beim SV Wehen Wiesbaden geriet er durch einen Trainerwechsel aufs Abstellgleis und erlebte die negativen Seiten im Fußballbusiness

Wiesbaden. Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. Läuft es gut, hat man viele, die einem auf die Schulter klopfen. Vertragsverlängerung hier, verlockende Angebote da. Genauso schnell kann aber auch alles in die andere Richtung umschlagen. Keine Spielzeit, Verletzungen, ein ausgelaufener Vertrag, vermeintliche Weggefährten, die sich von einem abwenden, Berater, die einen im Stich lassen. Und schon droht im Fußballbusiness die Perspektivlosigkeit. Erfahrungen, die auch Christian Kunert in seinem Fußballerleben durchgemacht hat.

Dabei hat ihn der Fußball überhaupt erst in unsere Region geführt. In Gröditz, einem Dörfchen an der sächsisch-brandenburgischen Grenze, ist Kunert groß geworden, beim lokalen FV fing er mit dem Kicken an. Im Jahr 2000 - mit gerade einmal 14 Jahren - zog Kunert von zuhause aus, wechselte in den Nachwuchs vom Chemnitzer FC, rund 100 Kilometer von der Heimat entfernt. "Für mich war klar, dass ich diesen Schritt gehe", sagte Kunert.

Alles auf den Fußball ausgerichtet

2000, es war das Jahr, als Deutschland eine desaströse EM spielte und der DFB begann, sein gesamtes Nachwuchskonzept zu hinterfragen. Quasi die Geburtsstunde der heutigen Nachwuchsleistungszentren, wie es sie mittlerweile an vielen Standorten deutschlandweit gibt. Doch in Chemnitz, wo sich diverse Sportarten auf einem riesigen Sportgelände tummelten, sei damals schon "alles auf den Fußball ausgerichtet gewesen", erinnert sich Kunert. Sein Abitur konnte er beispielsweise von zwei auf drei Jahre strecken, um dem Rhythmus aus Training und Spielen Rechnung zu tragen. Im Internat, wo er lebte, gab es zusätzliche Erzieher, die den Kindern fernab der Heimat auch in sozialer Hinsicht zur Seite standen, die Sportler konnten sich in einer Mensa verpflegen. Dazu die Kontrolle, dass Hausaufgaben gemacht werden sowie strenge Bettruhe ab 21 Uhr.

Demuth formt ihn zum CFC-Stammspieler

Insgesamt blieb Kunert neun Jahre in Chemnitz. Mehr als nur ein Indiz, dass sich der Schritt zum CFC auch sportlich ausgezahlt hatte. Der rechte Außenspieler rückte von der Jugend zu den Profis auf, entwickelte sich in der damals noch drittklassigen Regionalliga Nord unter Trainerlegende Dietmar Demuth zum Stammspieler. Mit dem CFC stieg Kunert in seiner Premierensaison bei den Herren zwar direkt in die Oberliga ab, nach zwei Jahren aber wieder in die Regionalliga auf. Dazu feierte Kunert zwei Landespokalsiege, den Wiederaufstieg in die Regionalliga und erlebte Highlight-Spiele im DFB-Pokal gegen Alemannia Aachen und die TSG Hoffenheim. Mit dem späteren Bundesliga-Profi und heutigem Kapitän von Dynamo Dresden, Chris Löwe, spielte Kunert in seinem letzten Jahr beim CFC zusammen. "Hut ab, seine Entwicklung habe ich immer verfolgt", sagt Kunert. Der Trainer der beiden damals: Gerd Schädlich, eine weitere, leider kürzlich verstorbene Legende des Ost-Fußballs.

Wehen ruft: Fixer Wechsel zum SVWW

Doch 2009 gerieten die Vertragsverhandlungen mit Chemnitz ins Stocken. "Finanziell hätte das schon ein bisschen mehr sein können", fühlte sich Kunert als Spieler aus dem eigenen Nachwuchs damals vom CFC "abgespeist". Parallel dazu gab es eine Info vom Berater: Ein Wechsel zum SV Wehen Wiesbaden, damals gerade aus der Zweiten Liga abgestiegen, sei möglich. Dazu lockte ein Zweijahresvertrag. "Das ging alles relativ fix", erinnert sich Kunert. Wenige Tage später packte er drei Sporttaschen ins Auto und machte sich auf ins neue Fußballabenteuer.

Ballgewandt und mit aerodynamischer Frisur: Christian Kunert bei einem Vorbereitungsspiel mit dem SV Wehen Wiesbaden.
Ballgewandt und mit aerodynamischer Frisur: Christian Kunert bei einem Vorbereitungsspiel mit dem SV Wehen Wiesbaden. – Foto: rscp (Archiv)

Den Schritt zu Wehen habe er "nicht bereut", sagt Kunert. Gleich zu Beginn gab's ein Highlight, im DFB-Pokal ging es mit dem SVWW gegen den amtierenden Deutschen Meister VfL Wolfsburg. Kein Wunder: Zwar musste er sich ans höhere Tempo in der 3. Liga gewöhnen, setzte sich aber in der hessischen Landeshauptstadt durch und war zunächst Stammspieler. Am Ende der Saison standen immerhin 24 Einsätze zu Buche. "Das hatten mir viele nicht mehr zugetraut", sagt Kunert mit ein wenig Genugtuung.

Jubel: Kunert (rechts) bejubelt mit Kai Gehring, Lukas Billick und Aykut Öztürk (v.l.) einen Treffer in der Brita-Arena.
Jubel: Kunert (rechts) bejubelt mit Kai Gehring, Lukas Billick und Aykut Öztürk (v.l.) einen Treffer in der Brita-Arena. – Foto: rscp (Archiv)

Für ihn persönlich lief es zwar zunächst - doch beim SVWW nicht. Trainer Hans-Werner Moser musste im Abstiegskampf der 3. Liga gehen und der Neue Coach, Gino Lettieri, hatte andere Ideen mit anderen Spielern. "Im Sommer hieß es dann, man plane nicht mehr mit mir", blickt Kunert zurück. Immerhin: Er hatte noch ein Jahr Vertrag beim SVWW, zumindest ein wenig Sicherheit. "Aber eigentlich wäre ich gerne aus Wiesbaden weggegangen", reflektiert er.

Verbleib in Wehen nicht die richtige Entscheidung

Kunert blieb, lief in der Regionalliga für den SVWW-Unterbau auf. Das Training unter Bernhard Raab und Co-Trainer Nazir Saridogan sei gut gewesen. Aber: "Im Nachhinein war das für meine weitere Entwicklung nicht die richtige Entscheidung", sagt Kunert. Dazu kam die Ungewissheit. Sein Vertrag lief im Sommer 2011 aus, Angebote ließen auf sich warten. Und sein Berater? Meldete sich plötzlich immer seltener. Er sei dran, hieß es. Bis schließlich der Kontakt endgültig abbrach. Und damit auch seine Perspektive im Profifußball versandete. "Man wird schnell fallengelassen", findet Kunert. Ein Probetraining organisierte er sich noch selbst, beim damaligen Regionalligisten TuS Koblenz. Doch dort passte es nicht.

Kopfballstark: Beim RSV Würges spielte Kunert 2011/12 ein Jahr Verbandsliga.
Kopfballstark: Beim RSV Würges spielte Kunert 2011/12 ein Jahr Verbandsliga. – Foto: Michael Hahn (Archiv)

Nach Vertragsende beim SVWW stand Kunert am Scheideweg. Und entschied sich mit Ende 25 gegen einen Verbleib im Profifußball. "Dieser Schritt war nicht leicht. Ich habe in der Jugend so viel für meinen Traum investiert", sagt Kunert heute, knapp elf Jahre später. Letztlich landete er beruflich im Gesundheitsmanagement. Und über die Stationen Würges und Schott Mainz beim FV Biebrich, wohin ihn sein alter SVWW-Weggefährte Nazir Saridogan, der mittlerweile als Coach in Biebrich angeheuert hatte, lockte. Schon seit 2014 spielt er bei den 02ern, wo er mittlerweile fast ebenso viel Zeit verbracht hat, wie in seinem Ausbildungsverein Chemnitz.

Schussstark: Eine Saison spielte Kunert im blau-weißen Dress des TSV Schott Mainz.
Schussstark: Eine Saison spielte Kunert im blau-weißen Dress des TSV Schott Mainz. – Foto: hbz/Stefan Sämmer (Archiv)

Auch wenn er seit 2011 "nur" noch im Amateurstatus in der Verbandsliga kickt. Der Fußball sei für Kunert, der mittlerweile als Rechtsverteidiger spielt, immer "ein wichtiger Teil" geblieben. Dazu die Freundschaften, die er zu einigen (ehemaligen) 02-Spielern wie Sebastian Bauschke, Moritz Christ, David Schug oder Sebastian Gurok auch abseits des Rasens entwickelt hat. Nun ist Kunert 36, will noch ein Jahr in der Verbandsliga dranhängen. "Danach muss man schauen, ob es zeitlich und von der Fitness noch für die Verbandsliga reicht", sagt er. Möglich, dass für ihn also nach über 20 Jahren als aktivem Fußballer bald die Reise zu Ende geht.

Zur Serie: In dieser Reihe porträtieren wir ehemalige NLZ-Spieler, die den Sprung zum Profi nicht gepackt haben und nun bei Amateurteams aus der Region spielen. Sie erzählen uns, wie nah dran sie wirklich am großen Traum Profifußball waren und welche Ambitionen sie jetzt haben - sowohl auf als auch neben dem Platz.

- Teil 1: Linus Wimmer (SV Eintracht Trier)
- Teil 2: Lukas Fischer (TSG Bretzenheim)
- Teil 3: Lars Hermann (TSV Schott Mainz)
- Teil 4: Nik Rosenbaum (SV Alemannia Waldalgesheim)
- Teil 5: Joshua Iten (SG Hüffelsheim)
- Teil 6: Bilal Marzouki (FC Maroc Wiesbaden)
- Teil 7: Kevin Frey (VfB Bodenheim/TSG Mainz Futsal)
- Teil 8: Giorgio del Vecchio (TSV Schott Mainz)
- Teil 9: Marco Waldraff (SV Niedernhausen)
- Teil 10: Manuel Konaté-Lueken (RW Walldorf)
- Teil 11: Sandro Loechelt (Wormatia Worms)
- Teil 12: Marvin Esser (SG Walluf)
- Teil 13: Patrick Huth (TSG Pfeddersheim)
- Teil 14: Ilker Yüksel (Hassia Bingen)
- Teil 15: Tim Burghold (SV Niedernhausen)
- Teil 16: Noel Wembacher (RW Darmstadt)
- Teil 17: Tobias Schneider (RWO Alzey)
- Teil 18: Noah Michel (Türkgücü Friedberg)
- Teil 19: Marleen Schimmer (San Diego Waves)
- Teil 20: Deniz Darcan (SG Eintracht Bad Kreuznach)
- Teil 21: Max Pflücke (FC Basara Mainz)
- Teil 22: Jann Bangert (SV Rot-Weiß Hadamar)
- Teil 23: Aleksandar Biedermann (Wormatia Worms)
- Teil 24: Volkan Tekin (SV Dersim Rüsselsheim)
- Teil 25: Ilias Tzimanis (SV Unter-Flockenbach)
- Teil 26: Lukas Lazar (TSV Gau-Odernheim)
- Teil 27: Dimosthenis Papazois (SG Eintracht Bad Kreuznach)
- Teil 28: Sammy Kittel (SV Rot-Weiß Hadamar)
- Teil 29: Burak Bilgin (VfR Groß-Gerau)
- Teil 30: Luis Majrchzak (Hassia Bingen)
- Teil 31: Noah Schmitt (FC Eddersheim)
- Teil 32: Christian Lang (FSV Nieder-Olm)
- Teil 33: Fabio Moreno Fell (TSV Gau-Odernheim)
- Teil 34: Nico Heupt (SV 07 Geinsheim)
- Teil 35: Benjamin Himmel (TSG Pfeddersheim)
- Teil 36: Daniel Zeaiter (FC Eddersheim)
- Teil 37: Kai Hofem (FSV Nieder-Olm)
- Teil 38: Baris Yakut (Hassia Bingen)
- Teil 39: Daniel Knapschinski (VfB Unterliederbach)
- Teil 40: Dustin Ernst (Karriereende)
- Teil 41: Michael Seidelmann (Karriereende)
- Teil 42: Marko Verkic (SG Bad Soden)
- Teil 43: Kevin Kratz (TuS Dietkirchen)
- Teil 44: Ivan Mihaljevic (TSV Steinbach Haiger)
- Teil 45: Raphael Laux (TuS Dietkirchen)
- Teil 46: Gökhan Simsek (FSC Eschborn)

Aufrufe: 031.5.2022, 05:00 Uhr
Philipp DurilloAutor