2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
"Natürlich würde mich die Super League reizen - und die Fähigkeiten dazu hätte ich", sagt Ergün Dogru Vogt im Interview.
"Natürlich würde mich die Super League reizen - und die Fähigkeiten dazu hätte ich", sagt Ergün Dogru Vogt im Interview. – Foto: Instagram / FC Kosova
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"Auch wenn man enttäuscht ist, muss man professionell bleiben"

Ergün Dogru Vogt spricht über seinen unrühmlichen Abgang bei Baden und die Zukunft mit Kosova

Der überraschende Wechsel von Assistenztrainer Ergün Dogru Vogt zu Kosova kurz vor der Winterpause hat beim FC Baden für viel Wirbel gesorgt. Nun spricht der 49-Jährige im Interview über seine Beweggründe, erzählt, wie er dank Baden die Freude am Fussball wiedergefunden hat, warum er trotzdem nicht länger Assistent bleiben wollte und was er in der Rückrunde mit Kosova in der Erstliga-Gruppe 3 erreichen will.

"Reisende soll man nicht aufhalten", meinte Badens Präsident Heinz Gassmann zu Deinem überraschenden Abgang im "Badener Tagblatt". Ergün, bist Du ein Reisender?

Nein, ich würden mich nicht als Reisender bezeichnen. Meine Zeit in Baden war zwar kurz, aber bei meinen früheren Vereinen war ich jeweils für mehrere Saisons engagiert: drei Saisons bei Thalwil, eineinhalb bei Zug 94 und zwei Jahre bei YF Juventus.

Anders gefragt: Siehst Du die Vereine nur als Durchgangsstationen auf deinem Karriereweg?

Würde ich so denken, dann wäre ich bei Baden in der Promotion League geblieben, mit der Chance, im Sommer in die Challenge League aufzusteigen, statt in die 1. Liga zu wechseln, zu einem Verein, dem es gerade nicht gut läuft. Oder ich hätte im Sommer 2021 das unterschriftsreife Angebot des SC Kriens angenommen, wo man mich als Assistent von Davide Morandi verpflichten wollte.

Du hast die UEFA Pro-Lizenz, Du könntest also auch einen Super-League-Verein coachen. Wo siehst Du Dich in Zukunft, wo liegt das Ziel Deiner Reise?

Fussball war für mich immer alles im Leben, ich habe dem Fussball alles untergeordnet. Natürlich würde mich die Super League reizen - und die Fähigkeiten dazu hätte ich, auch wenn das jetzt vielleicht etwas arrogant tönt. Aber seien wir realistisch: In der Schweiz ist es sehr, sehr schwierig, so weit nach oben zu kommen, wenn man selbst nie als Profi gespielt hat.

Ausserdem: Jetzt bin ich bei Kosova und hier bin ich happy. Ich gebe immer dort alles, wo ich gerade angestellt bin.

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Sprechen wir über Kosova: Wann und wie kam der Kontakt zustande?

An einem Montagnachmittag im November hat mich Kosova-Präsident Nesret Limani angerufen und mir erzählt, dass sie ihren Trainer David Pallas entlassen werden und ich ihr Wunschkandidat für seine Nachfolge sei. Ich habe ihm geantwortet, dass das ein sehr attraktives Angebot sei und ich Interesse hätte, ich es aber zuerst mit Baden anschauen müsse, da mein Vertrag dort bis im Sommer 2023 lief.

Im "Badener Tagblatt" stand etwas anderes: Du hättest trotz laufendem Vertrag bei Kosova zugesagt und den FC Baden erst drei Tage später informiert.

Das ist nicht korrekt. Einerseits habe ich am Montag bei Kosova noch nicht zugesagt. Und andererseits habe ich gleich am Dienstag, also einen Tag später, das Gespräch mit meinem Cheftrainer Mike Winsauer und mit Präsident Heinz Gassmann gesucht.

Nach dem Team- und Supporteranlass?

Genau. Das war vielleicht nicht der ideale Rahmen dafür, aber die Zeit drängte. Kosova brauchte eine schnelle Entscheidung, weil sie am Dienstag Pallas informieren wollten und noch zwei andere Kandidaten im Rennen waren. Ich habe Mike schon vor dem Anlass per SMS informiert, dass ich am Abend noch mit ihm und mit Heinz eine Angelegenheit besprechen möchte.

War da Deine Entscheidung schon gefallen?

Fakt ist, dass ich immer noch bei Baden unter Vertrag stand und dieser nur nach gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst werden konnte. Ich bin in dieser Hinsicht professionell genug, dass ich meinen Vertrag mindestens bis Ende der Vorrunde erfüllt hätte.

Hättest Du Dir auch vorstellen können, bis im Sommer in Baden zu bleiben, wenn der Verein der vorzeitigen Vertragsauflösung nicht zugestimmt hätte?

Als wir an diesem Dienstag vom Tisch aufgestanden sind, war mir klar, dass sich unsere Wege trennen werden - jetzt oder im Sommer 2023. Alles nur dem "falschen" Zeitpunkt der Kommunikation unterzuordnen, denke ich, war nicht korrekt. Gibt es überhaupt bei solchen Themen einen richtigen Zeitpunkt?

Die "Aargauer Zeitung" hat geschrieben, dass Dein Abgang für Haupttrainer Michael Winsauer und Präsident Heinz Gassmann völlig überraschend gekommen sei, nichts habe darauf hingedeutet. Siehst Du das auch so?

Für sie kam es aus heiterem Himmel, das stimmt schon. Für mich war das Angebot von Kosova ja auch nicht absehbar. Ich war bis zu diesem Zeitpunkt sehr happy in Baden, es lief super, die Zusammenarbeit zwischen mir und Mike funktionierte bestens. Wir hatten eine tolle Mannschaft beisammen und waren erfolgreich. Was will man mehr?

Cheftrainer sein?

Innerlich wusste ich, dass ich nicht ewig Assistent bleiben will. Aber als ich mich im vergangenen Sommer bei Baden als Assistent beworben hatte, war das eine bewusste Entscheidung. Ich wollte etwas kürzer treten, weil ich die Freude am Fussball verloren hatte. Bei Baden habe ich sie wiedergefunden - und dafür bin ich dem Verein sehr dankbar.

Ich hatte gegenüber Mike schon einmal angesprochen, dass ich gerne wieder etwas mehr Verantwortung übernehmen würde, dass mich das Amt des Sportchefs interessieren würde. Zwei Wochen vor dem Team- und Supporteranlass hatten wir eine Sitzung mit Heinz, der nebst dem Vereispräsidium auch das Amt des Sportchefs innehat. Mein Wunsch wurde bei dieser Sitzung nicht zur Sprache gebracht, was bei mir einen etwas faden Beigeschmack hinterliess.

Wäre das Angebot von Kosova nicht gekommen, wärst Du bis im Sommer bei Baden geblieben?

Ja, dann hätte ich meinen Vertrag erfüllt, wäre glücklich gewesen und hätte vielleicht im Sommer einen Wechsel angestrebt.

Und wenn Du mit Baden in die Challenge League aufgestiegen wärst?

Dann hätte ich im Gegensatz zu Mike das nötige Diplom gehabt, um das Team in der Challenge League als Cheftrainer zu betreuen. Ich habe Mike schon vor einer Weile gefragt, ob er sich vorstellen könnte, in so einem Fall ins zweite Glied zurückzurücken. Das konnte er nicht.

Zurück zu diesem ominösen Dienstagabend: Wie haben Michael Winsauer und Heinz Gassmann an diesem Abend reagiert?

Es wurden einige sehr beleidigende Dinge gesagt. Mir wurde unterstellt, dass ich nur des Geldes wegen zu Kosova wechsle, dabei hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht über das Finanzielle geredet. Der Präsident verlangte von mir, wenigstens die Vorrunde mit Baden zu Ende zu spielen - was aber für Kosova keine Option gewesen wäre. Dort brauchte man sofort Ersatz.

Mike meinte dann irgendwann, er spüre, dass ich schon mit Baden abgeschlossen hätte. Danach sind beide gegangen. Da unser Präsident Heinz Gassmann nicht mehr mit mir reden wollte, kam es dann zur Trennung.

Bei Baden scheinen auch verletzte Gefühle im Spiel zu sein. Er habe unter der Woche mehr Zeit mit Dir verbracht als mit seiner Frau, hat Michael Winsauer der "Aargauer Zeitung" erzählt. Und Du seist zu seinem 40. Geburtstagsfest eingeladen gewesen, wo sonst nur enge Freunde waren. Er hätte gedacht, dass Dir die Zusammenarbeit mehr bedeute. Wie stehst Du zum Vorwurf mangelnder Loyalität?

Diese Aussagen in der "Aargauer Zeitung" haben mich geärgert. Ich finde es gerechtfertigt, wenn Mike enttäuscht ist. Er muss meinen Entscheid nicht nachvollziehen können. Aber akzeptieren. Fussball und Privates muss man trennen. Auch wenn man enttäuscht ist, sollte man professionell bleiben.

Hattest Du seither noch Kontakt mit Michael Winsauer und Heinz Gassmann?

Mit Mike habe ich noch ein paar Mal telefoniert. Heinz habe ich mehrfach versucht anzurufen, doch er hat das Telefon nicht abgenommen. Über Kosova liess er mich wissen, dass er enttäuscht sei und ich nicht mehr anrufen solle, sondern nur noch per SMS mit ihm kommunzieren. So haben wir dann auch meine Vertragsauflösung organisiert.

Auch wenn zum Schluss unschöne Worte gefallen sind, bin ich dem Verein nach wie vor wahnsinnig dankbar für die tolle Zeit. Baden hat mir die Freude am Fussball zurückgebracht. Es ist ein toller Verein, den ich jedem empfehlen kann.

Du hast mehrfach erwähnt, dass Du vor deinem Engagement in Baden die Freude am Fussball verloren hattest. Magst Du darüber mehr erzählen?

Das ist etwas, worüber man nicht gerne spricht, aber ich war Anfang Jahr nahe an einem Burn-out. Privates kam mit Schwierigkeiten bei meinem damaligen Verein YF Juventus zusammen. Das alles führte dazu, dass ich keine Lust mehr auf Fussball hatte.

Woraufhin Du bei YF kurz vor Rückrundenstart das Handtuch geworfen hast.

Zu diesem Zeitpunkt, als es mir ohnehin nicht besonders gut ging, gab es einmal mehr zahlreiche Wechsel im Kader. Obwohl wir ein gutes Team beisammen hatten und die Vorrunde ganz okay war, wurden in der Winterpause sechs neue französische Spieler verpflichtet. Das hat die DNA der Mannschaft kaputt gemacht, es kam zu Grüppchenbildung, die sprachlichen Barrieren taten ihr übriges. Da wurde es mir zu bunt.

Wenige Tage später wurdest Du beim Drittligisten Zürich City als neuer Cheftrainer angekündigt.

Ich kenne Ali Yurdakul, den Präsidenten von Zürich City, und er wusste, dass es mir nicht gut ging. Darum hat er mich gefragt, ob ich Lust hätte, den vorhandenen Trainerstaff gelegentlich bei Trainings und an Spielen zu unterstützen. Ich habe schlussendlich aber nur wenig Motivation aufbringen können. Ich war nicht mit dem Herzen dabei.

Und bei Kosova bist Du das jetzt?

Auf jeden Fall. Kosova und ich als emotionaler Trainer - wir passen sehr gut zusammen. Ich kenne die Leute vom Vorstand schon lange und habe ihnen immer gesagt: 'Irgendwann, wenn der Zeitpunkt der richtige ist, dann werde ich Trainer bei euch.' Nun war es so weit.

Bei Kosova stimmt für mich das Gesamtpaket: die Vereinsführung, mein Trainerstaff, den ich mir selbst zusammenstellen durfte. Mein Assistenztrainer aus YF-Zeiten und bester Freund, Yusuf Arslan, der nun Trainer der 2. Mannschaft von Kosova ist, und mein neuer Assistenztrainer Adnan Jashari sind eine Bereicherung in meinem Staff. Beide sind sehr talentiert und haben grosses Potenzial, eines Tages höhere Aufgaben als Cheftrainer zu übernehmen.

Gegenüber der "Aargauer Zeitung" hast Du im vergangenen September durchblicken lassen, dass die Spieler in Zürich - anders als in Baden - teilweise nur wegen des Geldes anwesend seien. Ist das in Kosova anders?

Ich kenne den FC Kosova seit eh und je. Wir waren jahrelang Gegner. Der Ruf des Vereins war früher ein anderer, doch diese Zeiten sind vorbei. Präsident Limani und der Vorstand haben hier gute Arbeit geleistet und neue Strukturen geschaffen.

13 Punkte in 13 Spielen hatte das Team unter Deinem Vorgänger, Ex-FCZ-Profi David Pallas, geholt. Das erste Spiel, bei dem du an der Seitenlinie standest, ging in Uzwil 0:2 verloren. Danach folgten zwei Siege, ein deutliches 5:0 gegen Gossau und das überraschende 1:0 gegen den erstplatzierten FC Paradiso.

In Uzwil waren die Spieler verunsichert und hatten keinen genauen Plan, wie sie auf dem Feld spielen wollten. Daran haben wir in der Zwischenzeit gearbeitet. Das gibt dem Team mehr Sicherheit und mehr Freude. Gegen Gossau und Paradiso haben wir hochverdient gewonnen.

Dank diesen sechs Punkten konntet ihr von einem Abstiegsplatz auf Rang 11 vorrücken. Was ist euer Ziel für die Rückrunde?

Wir wollen so schnell wie möglich Punkte holen und uns im gesicherten Mittelfeld platzieren.

Wird es Wechsel geben?

Wir haben ein intaktes Team mit Potenzial. Es werden maximal zwei bis drei neue Spieler dazustossen.

Wo siehst Du Kosova in Zukunft?

Ich denke, es könnte auch für weiter oben reichen. Wenn wir Erfolg haben, erzeugt das eine Euphorie, das zieht Zuschauer an.

Hast Du keine Angst, dass Dir als Cheftrainer die Freude am Fussball wieder abhanden kommen könnte?

Nein, das habe ich nicht. Die Voraussetzungen hier bei Kosova sind ganz andere als vor einem Jahr bei YF Juventus. Die Freude wird bleiben.

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Ergün Dogru Vogt (49) wohnt in Zürich, ist dreifacher Vater und arbeitet als Klassenlehrer in der Sportler:innen-KV-Ausbildung. Neben der Uefa Pro-Lizenz ist er zertifizierter Athletiktrainer Swiss Olympic. Der Schweizer mit türkischen Wurzeln ist in Winterthur aufgewachsen, wo er die Juniorenabteilungen durchlief, bis er sich in der U21 des FCW einen Schien- und Wadenbeinbruch zuzog und zwei Jahre pausieren musste. Weil ihm danach eine Rückkehr nicht mehr gelang, konzentrierte er sich auf die Trainerausbildung. In der Saison 2006/07 trainierte er – zusammen mit Willi Hunziker – beim FC Oerlikon/Polizei erstmals eine Aktivmannschaft. Darauf folgten Stationen im Nachwuchs des FC Bassersdorf, des FC Winterthur und des FC Luzern, ehe Dogru Vogt ab der Saison 2015/16 mit Thalwil, Zug 94 und YF Juventus wieder Aktivteams coachte.

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Aufrufe: 012.12.2022, 10:35 Uhr
Sandra TrupoAutor