2024-04-29T14:34:45.518Z

Interview
Kadir Alkan (r.) fehlt oft die Wertschätzung der Spieler. Foto: Archiv.
Kadir Alkan (r.) fehlt oft die Wertschätzung der Spieler. Foto: Archiv.

"Türkgücü sorgt für mehr Aufsehen als Bayern II"

Kadir Alkan: "Im Nachhinein kommen von Spielern billige Ausreden"

"Sobald bei uns eine Nadel fällt, gibt es ein Erdbeben", argumentiert Kadir Alkan und sieht dies durchaus als Bestätigung der sportlichen Leistung. Ein Facebook-Kommentar von Dennis Vatany, Abgänge von Top-Spielern wie Erdal Kilicaslan oder auch kritische Interviews von Marcel Ebeling, der Team-Manager des SV Türkgücü-Ataspor steht im Vorort-Interview Rede und Antwort.

Kadir, im ersten Teil des Interviews haben wir schon über deutliche Kritik am SV Türkgücü-Ataspor gesprochen. Warum seid ihr so im Fokus?

Wir haben erfolgreich eine Mission begonnen und spielen mittlerweile in Ligen, die hochinteressant sind. Deshalb ist es völlig logisch, dass wir im Fokus stehen. Die Mannschaften, die um die goldene Ananas spielen, die werden in Ruhe gelassen. Sobald aber der Erfolg kommt, kommen auch die Neider. Das siehst du auch an Cristiano Ronaldo, er ist einer der besten Fußballer und wird trotzdem so stark kritisiert. Das motiviert uns aber nochmal mehr. Solange wir intern zusammenhalten und die ganzen Widerstände in positive Energie umwandeln, werden wir weiterhin erfolgreich sein auf unserem Weg.

Lenkt euch die Kritik nicht von euren sportlichen Zielen ab?

Wir stellen unsere Spieler mental darauf ein, dass wir polarisieren und einen hohen Druck haben. Wenn du heute auf FuPa schaust, sind wir nach 1860 München die zweite Mannschaft, die für Aufsehen sorgt. Die Bayern Amateure interessieren keine Sau. Türkgücü ist einfach der Knaller, positiv wie negativ. Sobald bei uns eine Nadel fällt, gibt es ein Erdbeben. Vor drei Jahren hat über Türkgücü keiner geredet, das spiegelt natürlich auch unseren Erfolg wider, dass wir momentan so in den Schlagzeilen sind.

Kommen wir von den negativen Schlagzeilen wieder zum Sportlichen. Ihr seid Meister geworden, lagt aber in der Winterpause weit hinter Freising. Ging da der Glaube an den Vier-Jahresplan schon verloren?

Wir sind fulminant in die Saison gestartet. Das war so auch nicht unbedingt zu erwarten, weil wir einfach noch nicht eingespielt waren. Um die Oktoberfest-Zeit, haben wir dann viele Punkte liegen lassen. Teilweise waren wir vierzehn Punkte hinter Freising, das war brutal. In der Winterpause haben wir dann von unseren vier Top-Scorern drei verloren. Erdal Kilicaslan, Josip Tomic und Cengiz Ötkun haben wir aus diversen Gründen von der Mannschaft entfernt. Mit den Neuzugängen und Daniel Jungwirth als Co-Trainer haben wir dann bewusst für ein ruhigeres Innenklima gesorgt. Mit Daniel haben wir dann auch Videoanalysen gestartet und haben unser Spiel im Detail betrachtet. Aus der Rolle des Jägers haben wir das Unmögliche möglich gemacht. So eine Aufholjagd funktioniert nur, wenn du mutig bist. Wenn du dich nicht davor scheust, dich von absoluten Top-Spielern zu trennen.

Den Abgang von Vatany fand ich auch traurig

Du sprichst die Abgänge an. Nehmt ihr es bewusst in Kauf, dass es durch die vielen Top-Spieler zu Konflikten kommt?

Da machen wir vor keinem einen Halt. Bei uns zählt eben nicht nur Qualität, sondern auch der Charakter und die Disziplin. Im Endeffekt ist der Verein immer das Wichtigste, kein Spieler und kein Vertreter. Wir wollen mit guten Charakteren aufgestellt sein.

Dennis Vatany kommentierte zuletzt einen Facebook-Post von Fussball Vorort mit den Worten: "2 Jahre Kapitän dieser Mannschaft und am Ende hat es nichtmal für ein Danke gereicht." Ist das Innenklima also doch nicht so berauschend?

Dennis war einer der ersten Spieler, die uns vor zwei Jahren zugesagt haben. Und das trotz der schon angesprochenen Imageprobleme. Hinten raus war es sehr unglücklich. Wir haben Gespräche geführt, aber dann habe ich erfahren, dass er bei Ismaning schon zugesagt und unterschrieben hat. Das ist auch sein Recht, aber ich fand es von seiner Seite schade, dass er es uns nicht persönlich mitgeteilt hat.

Für mich war es auch sehr traurig. Aber es ist nicht so, dass wir irgendeinem Spieler nicht dankbar sind. Es beruht auch immer auf Gegenseitigkeit. Dennis war zwei Jahre Kapitän, aber in den zwei Jahren hat er eine Aufwandsentschädigung bekommen. Was ich sagen will: Die Sachen, die man bei uns leistet, bekommt man auch zurück. Man sollte immer schätzen, was der Verein einem für Möglichkeiten bietet. Speziell unser Verein. Da habe ich oft das Gefühl, dass viele es nicht würdigen.

Dennis Vatany ist bei weitem nicht der einzige Ex-Spieler, der sich negativ über Türkgücü äußert. Woran liegt das deiner Meinung nach?

Fußball bei uns ist wie ein Nebenjob. Dort ist es ebenfalls wichtig, seine Leistung zu bringen. Das verlangen wir. Wenn einer umsonst rumläuft oder halt eben freizeitmäßig, wie in der Kreisliga, ist es wieder eine ganz andere Geschichte. Viele Spieler vergessen, was sie bei uns bekommen und tun so, als wären wir ihnen noch was schuldig. Im Fußball gibt es halt keine Dankbarkeit. Es gilt das Leistungsprinzip. Jeder hat über die Saison Zeit, sich in jedem Training oder Spiel positiv zu zeigen und einen guten Eindruck zu hinterlassen.

Es werden billige Ausreden erfunden

Wenn ich Spieler habe, die keine Teamplayer sind, sobald sie nicht eingesetzt werden, kommt es halt zu Problemen. Das Gesamtpaket muss passen. Wir als Verein wollen die Professionalität vorleben und schaffen die besten Bedingungen. Alle Spieler, die zu uns kommen, erfahren aber auch sofort unsere Leitlinien. Absolute Trainingsbeteiligung, professionelles Arbeiten, der Umgang mit Druck, jeder Neuzugang, weiß auf was er sich einlässt. Wenn es einer etwas ruhiger angehen lassen möchte, ist es okay, aber bei uns funktioniert das so nun mal nicht. Der Verein hält sich an alles, die Spieler müssen ihren Verpflichtungen nachkommen. Das sehe ich ein großes Problem, dass die Spieler oftmals nicht selbstkritisch genug sind. Gebe ich alles für den Verein, von diesem ich die Aufwandsentschädigung bekomme?

Dir fehlt also die Wertschätzung der Spieler?

Bei Türkgücü ist die Situation mittlerweile so, dass Spieler gehen müssen. Bei anderen Vereinen gehen Spieler selbst, weil sie sich verändern wollen. Wenn aber einer gehen muss, der eigentlich bleiben möchte und zufrieden ist, kommt es zu Reibungspunkten. Da werden dann schon mal billige Ausreden erfunden, warum man gehen muss. Im Nachhinein sehe ich bei solchen Interviews (mit Marcel Ebeling, Christos Ketikidis und Serkan Türkcan Anm. d. Redakion) dann, dass ich richtig gehandelt habe, weil es charakterlich nicht passt. Beim Auseinandergehen offenbart sich meist das wahre Gesicht, da fühle ich mich nur bestätigt.

Das Interview führte Nico-Marius Schmitz.

Aufrufe: 026.6.2018, 15:21 Uhr
Nico-Marius SchmitzAutor