2024-05-17T14:19:24.476Z

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Kadir Alkan findet, dass die Arbeit beim SV Türkgücü-Ataspor in der Öffentlichkeit nicht genug geschätzt wird. Foto: Meier.
Kadir Alkan findet, dass die Arbeit beim SV Türkgücü-Ataspor in der Öffentlichkeit nicht genug geschätzt wird. Foto: Meier.
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Türkgücüs Alkan: "Meine Freunde lachten mich aus"

Team-Manager im ersten Teil des XL-Interviews mit Fussball Vorort

"Spinnst du? Warum gehst du dorthin und tust dir das an?" Kadir Alkan muss sich seit seinem ersten Tag beim SV Türkgücü-Ataspor scharfe Kritik gefallen lassen. Gemeinsam mit Fussball Vorort wirft Alkan einen Blick hinter die Kulissen des Vereins, der laut eigener Aussage vor drei Jahren noch am Boden lag. Im ersten Teil des Interviews spricht der Teammanger über seine anfängliche Skepsis und Imageprobleme des Clubs, die Spielerwechsel verhinderten.

Der SV Türkgücü-Ataspor polarisiert, das steht außer Frage. Spektakuläre Transfers, Ex-Profis, die beim Verein keine Zukunft haben, das Ziel bis 2020 in der Regionalliga zu spielen... Die Liste könnte man sicherlich noch um einige Punkte erweitern. Kadir Alkan versteht die negative Berichterstattung jedoch nicht. Und das, obwohl er anfangs selbst das Angebot einer Tätigkeit bei Türkgücü ablehnte. Doch der Verein habe unter der neuen Führung einen neuen Weg eingeschlagen, das Chaos von früher sei beseitigt.

Servus Kadir, wagen wir einen Rückblick in die Saison 2016/17. Nach deiner Zeit bei Unterföhring, hast du bei Türkgücü-Ataspor anfangen. Wie ist der Kontakt entstanden?

Nachdem ich bei 1860 München in der A-Jugend aufgehört habe, war ich schon ein Jahr bei Türkgücü als Spieler. 1999 war das. Damals habe ich also schon die ersten Berührungspunkte gehabt. Von dort bin ich dann erstmal in die Türkei gewechselt. 2005 bin ich nochmal als Trainer zu Türkgücü zurückgekommen, zu der Zeit spielten sie noch in der Kreisliga. Es gab daher schon eine Historie mit dem Verein.

Der Kontakt ist nie wirklich eingeschlafen. Als Fan habe ich dann die enorme Fluktuation dort zu jeder Zeit mitbekommen. Durch Andi Pummer, den ich schon seit Spielerzeiten kenne, ist der Kontakt zu Unterföhring entstanden. Ich wusste gleich, dass die Zusammenarbeit mit dem Andi hervorragend wird. Es gab dann aber zu meiner Zeit in Unterföhring die ersten Angebote von Türkgücü. Ein guter Freund, der bei Türkgücü-Ataspor als Jugendverantwortlicher aktiv war, hat mich gefragt, ob ich mir keine Tätigkeit innerhalb des Clubs in der sportlichen Leitung vorstellen könne. Der Verein war aber überhaupt nicht der richtige Ansprechpartner für mich. Dort hat viel Chaos geherrscht. Zu meiner Zeit damals ist auch nicht immer alles zuverlässig abgelaufen. Ich habe also erstmal abgelehnt.

Dabei ist es aber, wie wir wissen, nicht geblieben.

Er ist hartnäckig geblieben und hat schließlich argumentiert, dass es durch den neuen Präsidenten professionell abläuft. Ich war aber immer noch skeptisch und dachte mir, dass der Präsident vielleicht ein halbes Jahr bleibt und dann wieder wer anders an die Spitze kommt. Schließlich habe ich mich doch dazu bereit erklärt, Gespräche zu führen. Vorher habe ich mich schon bei den Spielern erkundigt, die ich bei Türkgücü kannte. Mir wurde nur Positives berichtet.

"Wir können beide nur Vollgas"

Wie ist das Treffen dann abgelaufen?

Das Treffen war mit dem Präsidenten und dem Freund. Mir kam sofort alles sehr gewissenhaft und strukturiert vor. Es gab dann noch weitere Treffen, bei diesen ich meine Bedingungen immer klar ausgesprochen habe. Kurze Handlungs- und Kommunikationswege, diese Faktoren waren mir besonders wichtig. 16 Leute bildeten den Vorstand, das muss man sich erstmal vorstellen. Mittlerweile sind es nur noch drei.

Die Treffen haben dich also überzeugt?

Ich habe gemerkt, dass man unheimlich viel entwickeln kann. Das hat mich immer schon gereizt. Die Herausforderung, etwas ganz nach oben zu bringen. Der Verein war damals im Abstiegskampf, auf dem Weg in die Bezirksliga. Ich habe aber das Potential gesehen. Viele meiner Freunde und Bekannten haben mich damals ausgelacht: "Spinnst du? Warum gehst du dorthin und tust dir das an?" Ich hatte aber ein gutes Gefühl. Ich habe gleich gemerkt, dass der Präsi und ich gleich ticken, wir können beide nur Vollgas.

Wie waren die ersten Tage?

Ich habe von Anfang an viel Leidenschaft und Kraft investiert. Anfangs gab es viele Fragen. Steigen wir ab oder bleiben wir? Wir haben dann aber trotzdem den Vierjahresplan öffentlich kommuniziert. Zwei Aufstiege in vier Jahren, dadurch haben wir natürlich auch einen enormen Druck aufgebaut. Einige Spieler, die wir wollten, haben uns nicht vertraut und sind deshalb nicht gewechselt.

Der SV Türkgücü-Ataspor hatte also ein Imageproblem?

Defintiv. Das wisst ihr ja auch besser, als ich. Es war der Wahsinn. Ich habe mit hunderten von Spielern gesprochen, jedoch hatte keiner den Mut zu kommen. "Es ist immer das Gleiche bei euch, euch vertraue ich nicht", hieß es. Es war brutal schwer für uns damals. Wir haben dann aber trotzdem eine beachtliche Saison (2016/17, Anm. d. Redaktion) gespielt und sind sechster geworden. Wir haben dann deutlich an unserem Image gearbeitet, sodass wir in der Vorbereitung auf die Saison 2017/18 zahlreiche Top-Spieler verplfichten konnten.

"Bin kein Uli Hoeneß"

Wie schafft man es, das Image eines Vereins aufzupolieren, zu diesem die Spieler mangels Vertrauen nicht wechseln wollten?

Man muss Versprechen einhalten, Aufwandsentschädigungen müssen bezahlt werden. Pünktlich und ehrlich sein gehört dazu. Fairplay steht bei uns ganz oben. Letztes Jahr sind wir Meister geworden und waren die fairste Mannschaft. Diesen Gedanken wollen wir nicht nur auf dem Platz, sondern innerhalb des gesamten Vereins verinnerlichen. Es hat sich vieles bewegt. Top-Ausrüstung für die Spieler, zu den Auswährtsfahrten mit einem Bus, neue Betreuer und Physiotherapeuten, das sind alles wichtige Faktoren.

Plötzlich haben alle gemerkt: Dort tut sich was. Es gibt eine klare Struktur. Wir müssen aber immer noch mit vielen Widerständen kämpfen. Das wird in der Öffentlichkeit nicht geschätzt. Wenn es zur Winterzeit früh dunkel wird, müssen wir auf Kunstrasen trainieren und spielen dann aber am Wochenende auf Rasen. Das ist vogelwild. Das sind Konflikte mit der Stadt München und dem Sportamt, die wir alle unter einen Hut bekommen müssen. Das ist brutal, bei uns steckt so viel Fleiß und Ehrgeiz dahinter. Eine extreme Arbeitsmoral, die oft einfach unterschätzt und öffentlich nicht gewürdigt wird.

Ist der Imagewechsel trotzdem gelungen?

Wir stehen jetzt auf gesunden Füßen und haben eine Ausstrahlungskraft. Wir polarisieren, das ist klar und uns bewusst. Es ist nochmal höher anzusehen, dass wir all dies mit einem ausländischen Verein geschafft haben. Du hast viele Neider, Ex-Spieler oder Mannschaften, die es dir nicht gönnen, dir aber dann ins Gesicht lachen. Fußball ist undankbar, aber wir haben sportlich die Antwort geben. Es fokussiert sich meist alles auf Titel, Titel. Titel. Darauf wird es heruntergebrochen, das ist sehr schade. Wir haben den Aufstieg geschafft und werden trotzdem auf extreme Weise kritisiert.

Ein bisschen mehr Respekt für die handelnden Personen bei Türkgücü wäre schon abgebracht. Es ist nicht so, dass ich wie Uli Hoeneß da sitze, die Spieler anrufen und diese entgegnen: „Super, wo kann ich unterschreiben?“. Man muss sich mehrfach mit Spielern treffen, diese überzeugen und viel Zeit aufwenden. Es ist ein sehr steiniger Weg.

Im nächsten Teil blicken wir mit Kadir Alkan auf die Saison 2017/18 zurück, reden über den Facebook-Kommentar von Dennis Vatany ("2 Jahre Kapitän dieser Mannschaft und am Ende hat es nicht für ein Danke gereicht") und harte Personalentscheidungen beim SV Türkgücü-Ataspor.

Aufrufe: 025.6.2018, 17:33 Uhr
Nico-Marius SchmitzAutor