2024-04-25T14:35:39.956Z

Relegation
Er ballt die Faust: Die Ettmannsdorfer feiern ihren Elfmeter-Helden Michael Lingauer. – Foto & Montage: Florian Würthele
Er ballt die Faust: Die Ettmannsdorfer feiern ihren Elfmeter-Helden Michael Lingauer. – Foto & Montage: Florian Würthele

Vom Buhmann zum Helden – die Nachlese aus Weiden

So lief das spektakuläre Relegationsmatch zwischen der SpVgg SV Weiden und dem SV Schwandorf-Ettmannsdorf

„So ein Spiel habe ich noch nie in meinem Leben gesehen“, meinte André Klahn, Akteur des SV Schwandorf-Ettmannsdorf, noch während er mit seinem Mitspielern und den Fans auf dem Rasen des Weidener Sparda Bank Stadions ausgelassen feierte. Selbst die Spieler konnten wohl kaum glauben, was in den vorangegangenen zweieinhalb Stunden vor sich gegangen war. Ettmannsdorf lieferte sich im Relegations-Rückspiel zur Bayernliga ein für den objektiven Zuschauer fantastisches Duell mit dem SpVgg SV Weiden. Die rund 1.600 Zuschauer erlebten ein Wechselbad der Gefühle. Gipfelnd im Elfmeterschießen, behielt der Landesligist mit 9:8 (1:2, 4:4, 4:4) die Oberhand – und darf weiter vom Aufstieg träumen. In der zweiten Relegationsrunde wartet nun der VfR Garching. Auf der anderen Seite herrscht bei Weiden Tristesse pur, man steigt wieder ab in die Landesliga. Die ausführliche Nachlese.

Die Stimmen zum Spiel: „Wir kommen wieder!“


Weidener Schludrigkeit bringt Gäste in Führung

Grundsätzlich gefiel die SpVgg SV in der Anfangsviertelstunde besser. Länger und mehr am Ball, ging der Mannschaft von Michael Riester in ihren Offensivaktionen jedoch die nötige Entschlossenheit und Präzision ab. Die Chronologie: 2. Minute: Freistoß Weiden aus dem linken Halbraum. Stefan Graf stieg zum Kopfball, den Tormann Michael Lingauer sicher fing. 6.: Jeremy Schmidt tankte sich auf Linksaußen durch, seinen Querpass verpasste André Klahn im Zentrum knapp, weil sich Graf gekonnt drehte. 11.: Doppelpass Stefan Pühler und Josef Rodler, Letzterer setzte Moritz Zeitler in Szene, der aus spitzem Winkel aus der Kurzdistanz an Lingauer scheiterte. Diese fehlende Effizienz Weidens rächte sich. Weil Rechtsverteidiger Matthias Heigl bei einem Abpraller im Mittelfeld kurzzeitig schlief, konnte Jeremy Schmidt dazwischen spritzen und das Tempo anziehen. Auf und davon, legte er den Ball an Keeper Fabian Scharnagl vorbei und ins Tor zum 1:0 für Ettmannsdorf (13.).

Die Heimelf dreht das Spiel

Weiden war um eine schnelle Antwort bemüht. Pühler setzte einen Flugkopfball klar am Gästetor vorbei (16.) und eine Minute später kam Pühler erneut zum Kopfball. Die umkämpfte Folgezeit war von vielen (Luft)-Zweikämpfen geprägt. Intensität pur. Dann zögerten Erol Özbay und Zeitler aus spitzem Winkel jeweils zu lange. Ein Standard sollte der SpVgg SV den erlösenden Ausgleich einbringen. Bei einer Zeitler-Ecke setzte sich Pühler gegen die baumlange Abwehr des SVSE durch und köpfte zum 1:1 ein (31.). Auch Ettmannsdorf blieb nicht ungefährlich, zweimal musste Scharnagl eingreifen. Groß war der Jubel im Sparda Bank Stadion kurz vor dem Pausenpfiff, als sich Zeitler in relativ zentraler Position den Ball schnappte, er sich aus über 20 Metern ein Herz fasste und den Ball ins linke untere Toreck hämmerte. Hier machte Lingauer im SVSE-Tor keine ganz glückliche Figur, ob die im Urlaub weilende Nummer eins Wolfgang Hesl den Schuss gehabt hätte?



Rückstand als Brustlöser für Ettmannsdorf

Dass sie das Spiel gedreht hatten, gab den Weidenern allerdings nicht die nötige Sicherheit. Ganz im Gegenteil. Nach der Pause nahmen sich die Schwandorfer der Sache an und rissen das Spielgeschehen an sich. Die fast logische Konsequenz: In Folge eines Freistoßes landete das Spielgerät bei Lukas Rothut, dessen Schuss wiederum von Florian Knauer sehenswert mit der Hacke über die Linie beförderte (53.). Weiden war danach erstmal neben der Spur. Und es sollte noch besser für Mario Alberts Team kommen. Einzig Andreas Müller schien einer Flanke durch den Strafraum zu folgen und setzte sich aus kurzer Distanz durch (66.) – 2:3, Spiel gedreht! Kurz zuvor hatte SpVgg-Trainer Riester den eigentlich verletzt gemeldeten David Bezdicka für den angeschlagenen Josef Rodler ins Spiel gebracht.

Pure Tristesse herrschte am Samstagabend bei allen Akteuren der SpVgg SV Weiden.
Pure Tristesse herrschte am Samstagabend bei allen Akteuren der SpVgg SV Weiden. – Foto: Florian Würthele


Irsinnige Schlussphase

Eben jener Bezdicka war es, der in der 78. Spielminute einen Querball Florian Reichs annahm und von der rechten Seite aus der Distanz zum 3:3 traf. Damit noch nicht genug des Wahnsinns. Die 88. Minute in einer mittlerweile von sehr vielen Foulspielen durchzogenen Partie: Paul Weidhas brachte Knauer unglücklich von den Füßen, den folgerichtigen Elfmeter versenkte Johannes Böhm zur abermaligen Führung für Ettmannsdorf. Jetzt schien der Abstieg Weidens besiegelt zu sein. Aber dann kam Erol Özbay, der mit einer Art Verzweiflungsschuss aus 20 Metern Lingauer überwand. 4:4, Verlängerung!

Michael Lingauer wird zum Helden

In der 30-minütigen „Overtime“ war allen Akteuren anzumerken, dass ihnen die Kräfte fehlten. Flüssiges Kombinationsspiel war nicht mehr drin. Der eingewechselte Furkan Yalcin (93.) für Ettmannsdorf sowie Özbay (104.) für Weiden blieben Verlierer gegen die Torhüter. So sollte das Elfmeterschießen die Entscheidung bringen. Der Höhepunkt der Dramaturgie war erreicht, mehr Spannung ging nicht, beide Trainer konnten kaum hinsehen.

Schlussendlich sollte Ettmannsdorfs Ersatzkeeper Michael Lingauer zum großen Helden für seinen Verein werden. Bis hierhin bei zwei Gegentoren eine unglückliche Figur abgegeben, entschärfte Lingauer die Strafstöße von Reich, Bezdicka und Tobias Gerber allesamt. Da half es den Weidenern auch nichts, dass ihr Schlussmann ebenfalls zwei Versuche (Jeremy Schmidt und Florian Tausenpfund) entschärfte. „Fliegenfänger, Fliegenfänger!“, skandierten die Fans des SVSE süffisant, nachdem Lingauer vorm Start des Elfmeterschießens mit diesem Wort von den heimischen Fans betitelt worden wat. Die Ettmannsdorfer lagen sich anschließend in den Armen, die Weidener schlichen vom Platz. Was für eine finale Pointe eines Fußballspiels, an das sich alle Beteiligten noch lange erinnern dürften.

Aufrufe: 04.6.2023, 12:00 Uhr
Florian WürtheleAutor