Symptomatisch für das Erscheinungsbild des SV Wacker im Herbst 2019 steht der Auftritt am vergangenen Samstag am Fürther Ronhof. Eine Halbzeit lang liefern Kapitän Kevin Hingerl und Co. eine starke Leistung ab, am Ende reicht`s nach einer unerklärlich schwachen Performance in Abschnitt zwei gegen neun (!) Fürther trotzdem nur zu einem Remis. Coach Wolfgang Schellenberg, der grippekrank das Bett hüten musste und beim Kleeblatt nicht mit dabei sein konnte, hält sich mit Kritik dennoch zurück: "Freilich ist es bitter, wenn man 2:0 führt und dann noch gegen einen Gegner, der in Unterzahl agiert, den Ausgleich schlucken muss. Aber ich war ja nicht live dabei und werde mich daher hüten, ein Urteil über die Leistung der Mannschaft zu fällen." Nicht unter den Tisch fallen lassen will Schellenberg, dass mit Denis Ade und Alexander Mankowski ein 18- und 19-Jähriger auf der Sechserposition agierten. Da fehlt eben der Schuss Erfahrenheit, auswärts so ein Spiel über die Zeit zu schaukeln.
Dass der SV Wacker derzeit im grauen Mittelfeld der Regionalliga Bayern ein eher tristes Dasein fristet, fuchst natürlich auch den ehrgeizigen Übungsleiter: "Keiner ist derzeit zufrieden, das ist doch ganz klar. Nicht die Zuschauer, nicht wir als Trainerteam und auch nicht die Mannschaft." Schellenberg mahnt allerdings auch zu mehr Realitätssinn, der "Stockerlplatz" in der Vorsaison hätte vielleicht so manchem die Sinne vernebelt: "Der dritte Platz im vergangenen Jahr war ein Zerrbild. Wir haben lange Zeit über unserem Limit agiert. Man sollte sich in Erinnerung rufen, dass, als ich die Mannschaft im Juni 2018 übernommen hatte, erst kurz vor Saisonende der Klassenerhalt sichergestellt werden konnte und es seitdem einen großen personellen Umbruch gab. " Der Aderlass in den letzten zwölf Monaten sei nicht unerheblich gewesen, Eckpfeiler wie Flückiger, Wächter, Coskun oder auch Marinkovic sind weggebrochen. Neu dazugekommen sind neben Sammy Ammari überwiegend junge Akteure, die sich in der vierten Liga erst ihre Sporen verdienen müssen. "Ich habe schon vor der Saison gesagt, dass man das alles vernünftig einschätzen muss. Es gibt zwei Wege, in der Regionalliga vorne mitzuspielen: Entweder man nimmt wie Türkgücü, Schweinfurt oder auch Bayreuth Geld in die Hand und verstärkt sich richtig. Oder man arbeitet unter Profibedingungen wie die Teams aus den Nachwuchsleistungszentren."
Bei Wacker hingegen trifft weder das eine noch das andere zu. Weshalb die Träumereien von einem Spitzenplatz für Schellenberg nur Luftschlösser sind: "Die Jungs bauen sich alle neben dem Fußball eine berufliche Zukunft auf. Wir haben schlicht nicht die Zeit und die Möglichkeiten wie andere Klubs im Spitzenfeld, Dinge einzustudieren. Der Verein hat sich für diesen Weg entschieden, damit müssen wir umgehen." Hinzu kommen immer wieder Verletzungssorgen, die sich wie ein roter Faden durch die Saison ziehen. Auch die Partie in Fürth überstand Wacker nicht ohne Hiobsbotschaft: Christoph Buchner hat sich einen Haarriss am Hüftknochen zugezogen und fällt damit zumindest die nächsten 14 Tage aus.
Zufall, dass sich so viele Akteure mit Blessuren herumschlagen, oder doch darauf zurückzuführen, dass die Belastung Viertligafußball und Berufsleben enorm hoch ist? "Keine Frage, das ist ein Balanceakt. Viele sagen immer: Bei anderen Mannschaften arbeiten doch die Spieler auch. Stimmt schon, aber bei uns sind viele erst ins Berufsleben eingestiegen und sind die Doppelbelastung einfach nicht gewohnt", betont Teammanager Karl-Heinz Fenk, der seinem Übungsleiter zur Seite springt und mehr Realismus einfordert: "Die Erwartungshaltung ist zu hoch. Ja klar, wir waren mal in der zweiten Liga. Aber die Zeiten haben sich eben geändert, heute und damals kann man nicht einmal ansatzweise miteinander vergleichen. Aber diese erfolgreiche Phase wird immer noch als Maßstab verwendet. Die zweite Liga war Fluch und Segen zugleich. Für den Verein und die Region war das eine Riesensache, aber daran werden wir immer noch gemessen. Auch wenn wir heute im Grunde ein ganz anderer Verein sind."
Und wie so viele Klubs mit ruhmreicher Vergangenheit hat auch der SV Wacker mit den Schatten der Vergangenheit zu kämpfen. Im Moment reicht es eben nur für einen Mittelfeldplatz in der Regionalliga. Coach Wolfgang Schellenberg weiß das, er kann seine Truppe am besten einschätzen. Der ehemalige Jugendleiter der Münchner Löwen ist Arbeiten in schwierigem Umfeld gewohnt und bleibt betont gelassen: "Die bisherige Saison war ein Auf und Ab. Wir müssen schauen, dass die Ausschläge nach unten weniger werden." Schellenberg nimmt dabei auch seine Führungsspieler in die Pflicht: "Sie müssen jetzt vorangehen." Grundlegende Dinge wie läuferische Qualitäten und Athletik seien nun gefragt. Am kommenden Samstag will der SV Wacker wieder sein anderes Gesicht zeigen.