2024-05-08T14:46:11.570Z

Kommentar
Yvandro Borges Sanches war einer der herausragendsten Akteure in den letzten zwei Qualifikationsspielen
Yvandro Borges Sanches war einer der herausragendsten Akteure in den letzten zwei Qualifikationsspielen – Foto: paul@lsn.sarl (Archiv)

Nicht den Ast absägen, auf dem man sitzt

Die Luxemburger Nationalelf ist ausgezeichnet in die EM-Qualifikation gestartet. Doch die personenbezogenen Diskussionen trüben den positiven Gesamteindruck.

Heute veröffentlicht FuPa Luxemburg die sechste monatliche Kolumne des ehemaligen Sportjournalisten Laurent Schüssler. Mittlerweile in einem komplett anderen Bereich tätig, ist Schüssler trotz allem immer noch am Puls des luxemburgischen Fußballs. Schüssler kommentiert Themen, die den einheimischen Fußball bewegen.

Am 8. September spielt die Luxemburger Nationalmannschaft ihr nächstes Qualifikationsspiel zur EM 2024 in Deutschland. Bis zum 19. November folgen dann gleich sechs weitere Spiele – zweimal gegen Island, je eine Begegnung gegen Portugal, die Slowakei, Bosnien-Herzegowina und Liechtenstein. Die FLF-Auswahl hat dabei die erste „Hälfte“ bzw. die ersten 40% der Kampagne ausgezeichnet abgeschlossen. Sieben von möglichen zwölf Punkten zu erreichen ist eine Leistung, die selbst der größte Optimist nicht für möglich gehalten hat. Wenngleich der historische Erfolg in Bosnien-Herzegowina zu Recht noch in aller Munde ist, soll das Unentschieden zum Qualifikationsauftakt in Trnava nicht unterbewertet werden. Zwar entsprach die spielerische Leistung nicht den Erwartungen, doch schaffte es Luxemburg bislang als einzige Mannschaft der Slowakei, dem aktuellen Tabellenzweiten, Punkte abzunehmen.

Selbst wenn es noch ein sehr steiniger Weg zu einer möglichen EM-Qualifikation ist, so ist es auch ein Fakt, dass noch nie zuvor in den vergangenen 60 Jahren eine Luxemburger Nationalmannschaft sich nach quasi der Hälfte der Vorrundenspiele noch Chancen auf eine Finalteilnahme für ein großes Turnier ausrechnen konnte. Die Kampagne von 1963, als Luxemburg denkbar knapp und erst nach einem Entscheidungsspiel gegen Dänemark den Sprung in die Finalrunde zur damaligen Europameisterschaft verpasste – zu dem damals nur die vier besten europäischen Mannschaften zugelassen waren – wurde unter gänzlich anderen Bedingungen ausgespielt.

Der Himmel könnte für den Luxemburger Fußball also voller Geigen hängen, wenn da nicht noch einige Gewitterwolken am Horizont sichtbar wären. Nach dem EM-Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein „knallte“ es: Zwei Nationalspieler stellten sich selbst ins Abseits. Es war der vorläufige – und traurige – Höhepunkt einer Reihe personenbezogener Affären, die seit längerem im Hintergrund brodelten. Selbst wenn die Reaktion der Luxemburger Mannschaft beim 2:0-Sieg in Zenica vorbildlich war – und man sich ob der gezeigten Leistung fragen muss, ob ein Danel Sinani ohne Gerson Rodrigues an seiner Seite nicht gar effektiver ist –, so darf der Luxemburger Fußball nicht einfach wieder zum Alltagsgeschäft zurückkehren.

Diskussionen sind im Fußball unumgänglich, zuweilen nötig. Die (zu vielen) Affären der vergangenen Monate aber sind überflüssig wie ein Kropf. Es geht nicht um eine Schuldzuweisung. Fehler werden immer auf beiden Seiten gemacht, auf der einen mehr als auf der anderen. Die elf Wochen bis zum nächsten EM-Qualifikationsspiel müssen für klärende Gespräche genutzt werden. Das ist keine leichte Aufgabe, wenn man die starken Persönlichkeiten aller Protagonisten kennt. Vielleicht bedarf es auch der Unterstützung durch einen Mediator. FLF-Präsident Paul Philipp, dessen Wort noch immer ein gewaltiges Gewicht hat, könnte diese Person sein. Zumindest steht er jetzt in der Verantwortung, dass die Wogen abseits des Spielfelds geglättet werden.

Denn eines ist sicher: will die FLF-Auswahl ihre Chancen auf eine EM-Teilnahme voll ausspielen, braucht sie jedermann an Bord. Das Schwierigste steht nämlich noch bevor!

Weitere Kolumnen

Aufrufe: 024.6.2023, 11:00 Uhr
Laurent SchüsslerAutor