2024-05-10T08:19:16.237Z

Kommentar
So voll wie am Mittwoch in Differdingen sind Luxemburgs Tribünen in den einheimischen Wettbewerben nur sehr selten
So voll wie am Mittwoch in Differdingen sind Luxemburgs Tribünen in den einheimischen Wettbewerben nur sehr selten – Foto: paul@lsn.sarl

Zuschauer dringend gesucht!

Die Zuschauerzahlen in der BGL Ligue nehmen konstant ab. Was sind die Gründe dafür? Eine Ursachenforschung.

Heute veröffentlicht FuPa Luxemburg die vierte monatliche Kolumne des ehemaligen Sportjournalisten Laurent Schüssler. Mittlerweile in einem komplett anderen Bereich tätig, ist Schüssler trotz allem immer noch am Puls des luxemburgischen Fußballs. Zunächst bis Ende der laufenden Saison wird er Themen kommentieren, die den einheimischen Fußball bewegen.

Einem Spiel der höchsten Spielklasse in Luxemburg wohnen im Durchschnitt 400 Personen bei. Die Spannweite reicht dabei von 824 Zuschauern pro Heimspiel für Jeunesse (laut den Statistiken von FuPa) bis hin zu 215 für Strassen. Es gibt noch sechs weitere Clubs, die die Barriere der 300 Zuschauer pro Spiel nicht übertreffen. Auf der Gegenseite sind es mit Differdingen (609) und Niederkorn (685) nur zwei weitere Vereine, die im Durchschnitt über 500 Zuschauer begrüßen dürfen. Setzt man diese Zahlen zum Beispiel in Verbindung zu den bei Luxemburger Spitzenvereinen üblichen Budgets, entsteht eine enorme Diskrepanz.

In dieser Saison gab es kein halbes Dutzend Spiele, das über 1.000 Zuschauer anzog. Die 1.340 Zuschauer aus dem Spitzenspiel zwischen Swift Hesperingen und F91 Düdelingen sind der absolute Spitzenwert. Dieser Zuschauerrückgang sollte zum Nachdenken anregen.

>> Die Zuschauerzahlen in der BGL Ligue

Eine gesellschaftliche Entwicklung …

Bedauerlich ist, dass sich quasi niemand Gedanken macht, wie dieser Abwärtstrend zu stoppen ist. Dabei gibt es mehrere Gründe. Solche, auf die niemand einen Einfluss hat und solche, die man zu ändern versuchen kann. Die Gesellschaft hat sich verändert. Das Freizeitangebot ist – weit über den Sport und den Fußball hinaus – größer geworden und kann nicht mehr mit jenem vor beispielsweise 30 Jahren verglichen werden. Salopp ausgedrückt bieten sich den Menschen andere Möglichkeiten, den Sonntagnachmittag zu verbringen als auf einem Fußballfeld. Hinzu kommt, dass die Zahl der Fußballfans, die jedes Wochenende ins Ausland reisen, um ein Spiel in einer europäischen Topliga zu verfolgen, rasant steigt. War früher der Trip ins Münchener Olympiastadion ein absolutes Jahreshighlight, so gibt es mittlerweile Fans, die sich regelmäßig Spiele in der englischen Premier League gönnen.

und Punkte, die man verbessern kann

Es gibt aber Punkte, an denen die Vereine ansetzen können. Die Steigerung der Identifikation der Zuschauer mit ihrer Mannschaft ist nur einer davon, aber sicherlich nicht der unwichtigste. Das ist leichter gesagt als getan und bedarf einer vorausschauenden Politik. Jedes zweite Jahr den kompletten Kader auszuwechseln ist kontraproduktiv. Allerdings versperrt der Wille oder der verspürte Zwang zum sofortigen Erfolg einer mittelfristig angesetzten Entwicklung zumeist den Weg

Es ist ebenfalls Fakt, dass die Zuschauerzahlen – nicht nur im Fußball, sondern in allen Ballsportarten, die in der RTL Arena zu sehen sind – seit der regelmäßigen Übertragung durch die vollautomatischen Rundkameras abnehmen. Die Verträge, die damals abgeschlossen wurden, ließen es verbandsübergreifend aus Sicht der Vereine an Weitsichtigkeit vermissen. Während im Basketball erste Stimmen laut werden, die ein System fordern, an denen die Clubs monetär beteiligt werden, ist der Fußball durch seinen Ligaverband immerhin bereits einen Schritt weiter und verhandelt den Vertrag mit dem Anbieter neu aus. Wie groß der Anteil des Kuchens dann sein wird, den die Vereine erhalten, ist noch offen. Oder gehen sie weiter leer aus? Davon abgesehen wird dies keinen weiteren Zuschauer aufs Feld locken. Doch immerhin würde dessen Abwesenheit finanziell entschädigt.

Ein verbessertes Angebot – in vielen Bereichen, angefangen von den Park- und Zufahrtsmöglichkeiten über den eigentlichen Komfort im Stadion bis hin zu einem (heute inexistenten) Rahmenprogramm – wäre hingegen gleichbedeutend mit einer größeren Attraktivität. Heutzutage will niemand mehr während 90 Minuten durchnässt ein Spiel verfolgen. In diesem Zusammenhang war die Einweihung der neuen Gegentribüne auf dem Jeunesse-Spielfeld in Esch bei strömenden Regen ein mahnendes Beispiel. Die Gemeinde verzichtete hier bewusst auf eine Überdachung.

Zum Abschluss noch eine ganz interessante Statistik einer belgischen Internetseite, die die Zuschauerzahlen in den europäischen Ländern vergleicht und in Verbindung mit der Zahl der Einwohner setzt. Schottland (21,3 Zuschauer pro 1.000 Einwohner!), die Niederlande (12,9) und Dänemark (12,2) stehen hier an der Spitze. Luxemburg folgt auf Platz 14 (6,5), hinter Israel (6,6), aber vor Österreich (6,2). Das ist jetzt kein Resultat, worüber man sich grämen müsste. Aber auch kein Grund zur Freude.

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Aufrufe: 029.4.2023, 11:00 Uhr
Laurent SchüsslerAutor