2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview der Woche
Foto: System/ Stock.Adobe
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"Solche Geschichten schreibt nur der Fußball"

Nachspielzeit mit Lars Flommersfeld +++ Spielertrainer der SG Monzingen/Meddersheim muss nach dem 7:6 gegen die "kleine Eintracht" erst einmal durchatmen +++ "Selbst die Alten haben so etwas noch nie erlebt."

In unserer Interview-Rubrik "Nachspielzeit" befragen wir wöchentlich in lockerem Rahmen interessante Spieler, Trainer oder Persönlichkeiten der Region über ihren Verein und ihre persönlichen Ziele. Heute zu Gast: Lars Flommersfeld. Der Spielertrainer der SG Monzingen/Meddersheim muss dieses Spiel erst einmal verarbeiten. 1:6 lag seine Mannschaft gegen die SG Eintracht II nach einer Stunde zurück. Am Ende gewann der A-Klassist noch mit 7:6. Was der 30-Jährige dazu sagt und wie er das Spektakel erlebt hat, verrät er im Interview der Woche.

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Lars, verrate uns, wie startet man nach so einem Spiel in die Arbeitswoche?

Ich bin ehrlich gesagt noch am Verarbeiten. Das war wirklich der pure Wahnsinn und je mehr man darüber nachdenkt, desto verrückter wird die ganze Geschichte. Selbst die Alten unter den Zuschauern haben gesagt, dass sie so etwas noch nie erlebt haben.

Wie hast du die Schlussminuten erlebt, als ihr in der Nachspielzeit den Ausgleich und den Siegtreffer erzielt habt?

Völlig ungläubig, ich konnte es gar nicht fassen. Vielleicht können sich einige noch an den Gesichtsausdruck von Pep Guardiola erinnern, als Lewandowski binnen zehn Minuten den Fünferpack gegen Wolfsburg gemacht hat. Genau so habe ich mich gefühlt. (lacht) Auch in der Ansprache nach dem Spiel ist es mir extrem schwer gefallen, die richtigen Worte zu finden, weil ich ehrlich gesagt auch nicht mehr daran geglaubt habe.

Was ging dir alles durch den Kopf?

Eigentlich war ich mega angefressen und sehr unzufrieden mit unserer Leistung, weil wir eine Stunde lang den größten Mist gespielt haben. Darüber, dass wir bis zum 2:6 nicht das gemacht haben, was wir uns vorgenommen hatten, kann das Ergebnis auch nicht hinwegtäuschen. Sechs Gegentore sind für mich als Trainer natürlich ein absoluter Dorn im Auge. In der Halbzeit habe ich gesagt, dass wir 16 Mentalitätsmonster sein müssen, um hier zu bestehen. Mit jedem Tor und der zweiten Luft kamen dann auch die Emotionen und der Glaube daran zurück, dass wirklich noch was möglich ist. Genau das wollten wir leben und alles raushauen. Dass es am Ende wirklich gereicht hat, ist der Wahnsinn.

Gibt es jemanden aus deinem Team, den du hervorheben möchtest?

Auf jeden Fall unseren Torhüter Tim Eigelsbach. Nach der Verpflichtung von Daniel Hahn ist er ins zweite Glied gerutscht und saß auf der Bank. In der Schlussphase haben wir ihn im Sturm eingewechselt, wo er sich in alles reingeschmissen hat und noch zwei Vorlagen für diese Sensation geliefert hat. Solche Geschichten schreibt nur der Fußball.

Wie läuft nach so einer Partie das obligatorische Abklatschen zwischen den beiden Mannschaften ab. Was sagt man dem Kontrahenten?

Es war in der Schlussphase natürlich hoch emotional und irgendwie konnte niemand fassen, was da passiert ist. Verdient hat sich der Sieg auf keinen Fall angefühlt und ich habe meinen Jungs auch gesagt, dass ich direkt nach dem Spiel heimgefahren wäre, wenn uns sowas passiert wäre. Auch wenn es für Ferdi Özcan und die Eintracht extrem bitter war, muss man wirklich den Hut vor ihrer Leistung ziehen. Was sie da mit ihrer U21 machen, wie variabel sie spielen und auftreten, das ist echt top. Man hat einfach gemerkt, dass unser System noch sehr fragil ist und wir nach wie vor in der Findungsphase sind. Das sieht man auch an unserem Torverhältnis…

...das lautet nach fünf Spielen 27:18. Was sagt der Trainer dazu, wenn die eigene Mannschaft Woche für Woche solch ein Spektakel liefert?

Gemessen an dem, was ich hier in den ersten zwei Monaten miterlebt habe, muss ich sagen: So viele Haare, wie ich verlieren könnte, habe ich gar nicht mehr. (lacht) So viele enge Spiele, fast jede Woche ein Ritt auf der Rasierklinge. Für mich als Trainer ist das natürlich nicht schön, aber es gehört zu dem Prozess, den wir durchmachen. Wir wollen Vieles spielerisch lösen und da passieren eben auch Fehler, die zu Toren führen. Wir müssen weiter dazulernen, aber langsam auch die nötige Stabilität finden, dass es nicht so weitergeht.

Wo setzt du hierfür an?

Das Hauptaugenmerk liegt auf der Defensive, denn offensiv sind wir brutal gut aufgestellt und immer für Tore gut. Zum Glück kommen jetzt die letzten Urlauber zurück und wir gehen nicht mehr so auf dem Zahnfleisch. Im Training können wir dann auch mehr im gruppentaktischen Bereich machen, was uns hoffentlich helfen wird, konstanter zu werden und die taktischen Vorgaben so umzusetzen, wie wir es uns wünschen. Dann dürfen wir es am Wochenende auch gerne mal nicht ganz so spannend machen.

Hört sich ganz so an, als sei dir ein 1:0 lieber als ein weiteres 7:6?

Aus Trainersicht auf jeden Fall, rein aus gesundheitlichen Gründen. (lacht) Wir wissen, dass wir vorne immer für ein Tor gut sind. Wenn hinten dann die Null steht, gibt es dafür auch drei Punkte.

Dieses Erlebnis wird doch aber sicher nicht ganz ohne Spuren an euch vorbeigehen, oder?

Nein und rein von der Euphorie her ist das für die nächsten Wochen, wo es für uns gegen die Top-vier der Liga geht, der absolute Wahnsinn und kann uns, gerade vor dem Derby gegen Sobernheim am Samstag (16 Uhr), sicher nochmal einen Schub geben.

Wer gehört für dich zu den Favoriten in der Liga?

Ich würde sagen: Hargesheim, Rüdesheim und Sobernheim. Vielleicht noch die SG Alsenztal, die im Pokal gegen uns wirklich einen sehr guten Fußball gespielt haben. Insgesamt ist die Liga aber sehr ausgeglichen, da kann jeder jeden schlagen und man findet sicher acht bis zehn Teams, die oben mitmischen können.

Wie sieht eure Zielsetzung aus?

Generell bin ich jemand, der immer nach dem Höchsten strebt und das Bestmögliche aus der Mannschaft rauskitzeln will. Einen konkreten Tabellenplatz lasse ich aber erstmal außen vor, weil es mir darum geht, hier etwas aufzubauen. Wenn wir im ersten Tabellendrittel landen, wäre ich zufrieden. Wenn es am Ende zu mehr reicht, nehmen wir das gerne mit und wenn es ein Mittelfeldplatz wird, ist das auch okay. Das alles kommt darauf an, wieviel Zeit wir brauchen, um unser System zu festigen und als Einheit zusammenzufinden.

Aufrufe: 07.9.2022, 10:30 Uhr
Martin ImruckAutor