2024-04-30T13:48:59.170Z

Interview
Roman Plesche (re.) am vergangenen Samstag in Heimstetten, wo Türkgücü München erfolgreich in die Saison gestartet ist.
Roman Plesche (re.) am vergangenen Samstag in Heimstetten, wo Türkgücü München erfolgreich in die Saison gestartet ist. – Foto: Imago Images

Roman Plesche spricht über Türkgücü: Demütig, bodenständig, nachhaltig

Der Münchner Verein muss sich nach den krachend gescheiterten Träumen vom Profifußball neu erfinden

Türkgücü München ist erfolgreich in die neuer Spielzeit der Regionalliga Bayern gestartet. Dass dies überhaupt möglich war, gleicht einem kleinen Fußballwunder. Kurzer Rückblick: Im Frühjahr musste sich Türkgücü insolvent aus der 3. Liga zurückziehen. Die Sachlage schien klar: Der Verein muss ganz unten wieder anfangen - wenn es denn überhaupt eine Zukunft gibt. Doch ein Schlupfloch in der Spielordnung des BFV machte es möglich, dass Türkgücü in der Regionalliga an den Start gehen durfte. Theoretisch - denn, wie sollte das praktisch funktionieren? Kein Trainer, keine Mannschaft, kein Stadion - kein Geld? Und zudem mussten enorme Widerstände überwunden werden. Ein Großteil der Mitstreiter in der Regionalliga Bayern beäugt die Münchner sehr skeptisch - vorsichtig ausgedrückt. FuPa hat mit Roman Plesche, dem Kaderplaner im Hintergrund, der die Mannschaft zusammengestellt hat, über eine verrückte Zeit gesprochen.

FuPa: Roman, wie hast du persönlich die vergangenen Monate erlebt?
Roman Plesche: Nach dem Aus in der dritten Liga wusste ja niemand, ob und wie es weitergeht. Aber so einfach das sinkende Schiff verlassen, das wollte ich dann auch nicht.

Die Schlagzeilen in der Sommerpause gehörten euch.
Das war schon Wahnsinn und extrem intensiv. Wir waren quasi Tag und Nacht mit der Kaderplanung beschäftigt. Wir hatten fünf Wochen Zeit, um eine wettbewerbsfähige Mannschaft auf die Beine zu stellen. Im Hintergrund mussten wir sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, denn jeden Tag erschienen wenig förderliche Pressemeldungen.

Du spielst auf die quälend lange Stadion-Suche an?
Jeden Tag gab`s neue Wasserstandsmeldungen. Das war natürlich absolut kontraproduktiv.

Welcher Spieler kommt für den polarisierenden Klub in Frage?

Wie sah die Kaderplanung genau aus, was war besonders wichtig?
Wir hatten für jede Position ein Profil erstellt, in dem wir Kriterien festgelegt haben, was wir genau für einen Spielertyp suchen. Zusammen mit dem Trainer Alper Kayabunar hatten wir das Ziel, in einem persönlichen Gespräch schnell zu erkennen, ob der Spieler sich für einem polarisierenden Klub begeistern und sich damit identifizieren kann. Mein Netzwerk, dass ich mir die letzten Jahre aufgebaut habe, war mit Sicherheit ein weiterer Vorteil.

Du hast es eben selbst angesprochen: Türkgücü polarisiert, viele haben den Sturzflug mit großer Schadenfreude wahrgenommen. Auch am Samstag in Heimstetten waren diverse Schmähgesänge zu hören. Wie geht ihr damit um?

Das müssen wir akzeptieren. Wir nehmen das sportlich, wollen auf der Gegenseite mit Leistung auf dem Platz überzeugen. Uns allen muss klar sein, dass wir in Zukunft eine positivere Außendarstellung brauchen. Aber ein Image kann man nur langfristig ändern.

Auffällig bescheiden hat Türkgücü kommuniziert, dass am Ende der Saison "nur" der Klassenerhalt zählt. Die Ziele hat man einst forscher formuliert…
Der Klub will etwas Nachhaltiges aufbauen. Es herrscht nun mehr Demut und Bodenständigkeit. Der Mix aus jungen und erfahrenen Akteuren stimmt derzeit in der Mannschaft. Auch in Sachen Integration wollen wir eine Vorreiterrolle einnehmen. Ebenso soll die Jugendarbeit weiter ausgebaut werden. Gerade die erfolgreiche A-Jugend, die mittlerweile in der Landesliga angekommen ist, hat die letzten zwei Jahre durchaus für Furore gesorgt.


Finanzielle Mittel: Woher kommt nun das Geld?

Ein Regionalliga-Kader ist mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Viele fragen sich: Woher kommt nach dem Rückzug vom ehemaligen Präsidenten und Großsponsor Hasan Kivran das Geld?
Türkgücü hat sich sponsorentechnisch wesentlich breiter aufgestellt. Das ist fundamental wichtig, wenn nachhaltig gearbeitet werden soll. Ich will gar nicht verhehlen, dass dazu viel Aufbauarbeit und positives Image nötig ist. Das ist mühsam, keine Frage. Ich denke aber auch an die türkischen Vereine in der Region, hier wurde mit den zwei Testspielen gegen Türk Gücü Erding und Türkiyemspor Mindelheim ein Anfang gemacht, um den Verein nahbar zu machen und auf Dauer den Support, der definitiv nötig ist, zu bekommen.

Was tut sich bei Türkgücü noch bis Ende August, wenn die Sommertransferperiode endet?
Wir vertrauen unser Mannschaft und beobachten natürlich weiterhin der Markt.

Das Interview führte Mathias Willmerdinger.
Aufrufe: 020.7.2022, 09:30 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor