2024-05-08T14:46:11.570Z

Interview der Woche
Foto: System/ Stock.Adobe
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Ohne Werte und Identifikation geht gar nichts

Nachspielzeit mit Tobias Beltz +++ Trainer des VfL Rüdesheim über den Saisonverlauf, die Erwartungshaltung und eigene Ansprüche +++ "Nur wer mehr investiert als andere, hat auch die Berechtigung besser zu sein"

In unserer Interview-Rubrik "Nachspielzeit" befragen wir wöchentlich in lockerem Rahmen interessante Spieler, Trainer oder Persönlichkeiten der Region über ihren Verein und ihre persönlichen Ziele. Heute zu Gast: Tobias Beltz. Der 30-jährige Trainer von A-Klassist VfL Rüdesheim erklärt im Interview mit FuPa, wie er über Darmstadt 98 und RW Darmstadt bei den Kreuznachern gelandet ist und wie groß die Umstellung war von NLZ zu Amateurfußball. Mit 25 Punkten aus 12 Spielen, stehen die Rüdesheimer derzeit auf Tabellenplatz vier.

Tobi, die ersten 12 Spieltage sind durch. Wie fällt dein Zwischenfazit aus, seid ihr zufrieden?

Nicht gänzlich zufrieden, da wir uns zu oft selbst im Weg standen und uns in jedem Spiel, in dem wir Punkte abgegeben haben, selbst geschlagen haben. Es ist natürlich nicht leicht, wenn du vor der Saison von vielen als Topfavorit gehandelt wirst und dann unter absoluter Beobachtung stehst. Uns wird immer, auch von eigenen Zuschauern und Ehemaligen, viel Qualität nachgesagt und mit dieser Mannschaft müssen man dies und jenes erreichen. Hier habe ich meine ganz eigene Meinung und sage ganz klar: Wir haben die Qualität für einen Sprint, aber aktuell noch längst nicht für einen Marathon. Was bringt dir ein Ferrari, der dich an ein gewisses kurzfristiges Ziel bringt, aber nicht mehr zurück, weil der Sprit ausgegangen ist? Wir stecken mitten in einer Veränderung und müssen lernen, dass man sich Qualität auch erarbeiten muss. Nur wer mehr investiert als andere, hat auch die Berechtigung besser zu sein. Die Mannschaft soll und darf Fehler machen, gewisse Werte dürfen dabei aber niemals vernachlässigt oder gefährdet werden.

Mit welchen Zielen seid ihr in die Saison gestartet?

Mit dem Ziel, jeden Spieler individuell und die Mannschaft in sich im gruppentaktischen Bereich zu verbessern. Wenn wir es am Ende geschafft haben, dass jeder Spieler selbstbewusster und mit klarem Plan - was sind meine Aufgaben mit Ball und was sind meine Aufgaben gegen den Ball - Fußball spielt. Dann werden wir uns auf lange Sicht kontinuierlich verbessern. Ich halte nichts von einem schnellen Erfolg über eine gewisse "individuelle Qualität", denn diese ist irgendwann an ihren Grenzen angekommen und dann gehts oft nicht mehr weiter. Wir könnten es uns auch so einfach wie möglich machen und jeden Ball lang und blind nach vorne schlagen. Marke "Briefmarke drauf und vorne macht schon einer was aus der Situation". Was haben die Spieler dann gelernt?

Dein Weg als Trainer führte dich vor der Station in der A-Klasse, ja auch über das NLZ von Darmstadt 98. Das klingt nach einem kleinen Kulturschock. Vielleicht erklärst du diesen Schritt nochmal ...

Da muss ich etwas ausholen: Ich habe anfangs bei einem meiner besten Kumpel Sebastian Schmitt, damals U14-Cheftrainer in Darmstadt, hospitiert. Als dieser dann zur TSG Hoffenheim gewechselt ist, wo er nun Co-Trainer der U19 ist, habe ich Darmstadts U17 in der Junioren-Bundesliga bei Patrick Kurt hospitiert. Daraus hat sich die Möglichkeit ergeben, eine offizielle Stelle als Co-Trainer der U16 anzutreten, was zu dieser Zeit leider beruflich nicht reingepasst hat. Damals habe ich mich dann für die Trainertätigkeit in der Herren Verbandsliga an der Seite von Thomas Schwarz bei Eintracht Bad Kreuznach entschieden. Auch nach dem kollektiven Rücktritt dort habe ich weiterhin Kontakt zu den Lilien aus Darmstadt gehabt und wurde dann auch durch Patrick Kurt an Rot-Weiß Darmstadt vermittelt. Dort habe ich im Dezember 2021 in einer Notsituation für den Verein die A-Jugend übernommen. Leider haben uns hier am Ende nach 11 Punkten Rückstand nur 3 Zähler zum Aufstieg in die Hessenliga gefehlt und wir wurden Vizemeister. Bedauerlicherweise gab es auch keine Relegation wegen Corona.

Wie ging es dann weiter?

Ich hätte sehr gerne weiterhin eine Anstellung bei Darmstadt 98 oder auch zunächst eine weitere Tätigkeit bei RW Darmstadt angestrebt, da ich aber im August diesen Jahres Vater eines kleinen Sohnes geworden bin, sind Fahrten fünf- oder sechsmal die Woche direkt nach der Arbeit nach Darmstadt einfach nicht mehr drin und es war an der Zeit, der Familie etwas zurückzugeben.

Was sind deiner Meinung nach die zentralen Unterschiede?

Ganz klar die taktische und technische Ausbildung der einzelnen Spieler und die Spielintelligenz von klein auf. Der Fußball besitzt hier einen ganz anderen Stellenwert und die Jungs träumen noch davon, Profi werden zu können und setzen neben Schule alles auf den Fußball. Eigentlich genau mein Ding (lacht), aber es war zeitlich eben nicht möglich.

Ist dir die Umstellung schwergefallen?

Ganz klares "Ja". Ich bin sehr Detailverliebt und investiere sehr viel Zeit in den Fußball und musste erstmal lernen, eigentlich bin ich immer noch dabei, nicht zu viel auf einmal zu wollen! Meine Familie hilft mir dabei aber sehr gut und ich sehe längst vieles nicht mehr so verbissen und lerne hier auch von der Mannschaft. Dennoch ist es mir viel zu einfach zu sagen: "ist doch nur A-Klasse". Eine gewisse Professionalität muss schon eingefordert werden, wenn man Erfolg haben möchte. Mit welcher Berechtigung sollte man sonst besser sein als andere? Das frage ich die Mannschaft immer wieder!

Die A-Klasse gilt als enorm ausgeglichen. Was entscheidet deiner Meinung nach Woche für Woche?

Definitiv die Konstanz. Keine Mannschaft konnte sich bislang absetzen und alle hatten bereits größere oder kleinere Ausrutscher. Du musst in jedem Spiel an deine Leistungsgrenze kommen und die Mannschaft, die als größte Einheit auftritt und frei von Verletzungen bleibt, wird am Ende die Nase vorne haben. Du brauchst perfekte Grundtugenden, gerade an den Tagen an denen es fußballerisch schwierig ist, bedingt durch Gegner, Wetter und so weiter.

Was ist für euch noch drin in dieser Runde, sprich: wo soll die Reise hingehen?

Das ist alles nicht so wichtig. Ich habe dem Verein mitgeteilt, dass ich auch gerne Achter oder Zehnter werde, wenn wir dafür eine klare Identifikation mit Mannschaft, Umfeld und Verein mit klaren Verhaltensmustern, guter Außendarstellung und demütiger Arbeit hergestellt haben. Hier haben Waldemar Hass und ich viele Hebel in Bewegung gesetzt und klare Werte vermittelt, was uns wichtig ist und was wir definitiv nicht akzeptieren. Die Mannschaft zieht super mit und wir wollen uns weiter attraktiv für junge talentierte Spieler machen. Wenn wir das, gepaart mit demütiger Arbeit im fußballspezifischen Bereich, Woche für Woche transportiert bekommen, dann liegt der Ausgang der Saison nur an uns selbst!

Welche Ziele hast du persönlich als Trainer? Siehst du dich auf lange Sicht wieder im Leistungsbereich?

Definitiv, ich habe in der B-Lizenz sehr gut abgeschnitten und strebe die A-Lizenz oder auch die B+ Lizenz für eine mögliche Arbeit im NLZ an. Ich verlange viel von den Spielern, weil ich es auch von mir selbst mache und möchte daher sicherlich nochmal höherklassig im Leistungsbereich landen, ohne mir hier ein gewisses Ziel zu stecken. Fußball ist oft schnelllebig und es kommt, wie es kommt. Derzeit liegt meine volle Aufmerksamkeit auf dem VfL.

Aufrufe: 019.10.2022, 11:30 Uhr
Martin ImruckAutor