2024-04-25T14:35:39.956Z

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Spielende Co-Trainerin beim Bezirksoberliga-Team des TSV Neuried und ehemalige schwedische Junioren-Nationalspielerin: Emma Zielinski.
Spielende Co-Trainerin beim Bezirksoberliga-Team des TSV Neuried und ehemalige schwedische Junioren-Nationalspielerin: Emma Zielinski. – Foto: Michael Schönwälder

Emma Zielinski über die Entwicklung im Frauenfußball: „Frauen spielen nicht mehr so vorsichtig“

Die Kickerin des TSV Neuried im Interview

Emma Zielinski spielte einst für die schwedische Junioren-Nationalmannschaft. Heute ist sie spielende Co-Trainerin beim Bezirksoberligisten Neuried.

Neuried – Die Fußball-Europameisterschaft in England lockt viele Menschen vor den Fernseher. Aber nicht nur deshalb wird derzeit über Frauenfußball diskutiert: Auch die Entscheidung des Bayerischen Fußballverbandes, Frauen den Einsatz im Männerfußball zu ermöglichen, hat für Aufregung gesorgt. Emma Zielinski, ehemalige schwedische Junioren-Nationalspielerin und seit 2021 spielende Co-Trainerin beim Bezirksoberliga-Team des TSV Neuried, spricht im Interview über die aktuellen Debatten – von der Gehalts- und Prämiendiskussion über die Bedeutung reiner Mädchenmannschaften bis zur Frage, ob sie gerne bei den Männern mitspielen würde.

Frau Zielinski, derzeit läuft die EM in England. Wie aufmerksam verfolgen Sie das Turnier? Und wie gefällt es ihnen bisher?

Ich schaue so viele Spiele wie möglich. Das Turnier gefällt mir sehr gut, ich bin vom Niveau richtig begeistert. Ich habe auch schon von vielen Leuten gehört, die normalerweise keinen Frauenfußball schauen, dass sie positiv überrascht waren – zum Beispiel von meinem Mann (Daniel Zielinski, Fußballer bei Bezirksligist TSV Großhadern, Anm. d. Red.). Vor kurzem kam ich nach Hause, da saß er auf der Couch und hat Frauen-EM geschaut. Das hätte er vor ein paar Jahren bestimmt nicht gemacht.

Wem drücken Sie die Daumen?

Selbstverständlich Schweden (lacht). Aber ich vermute, dass Deutschland oder England gewinnen werden.

Sie haben das gestiegene Niveau angesprochen. Wie bewerten Sie die Entwicklung des Frauenfußballs in den vergangenen Jahren?

Sehr positiv. Der Frauenfußball hat einen riesigen Sprung gemacht. Die Frauen spielen inzwischen ganz anders. Sie trauen sich mehr, spielen nicht mehr so vorsichtig wie früher. Der Fußball ist viel schneller geworden. Früher habe ich selbst nur sehr selten Frauenfußball geschaut. Ich habe auch immer verstanden, warum nur wenige Zuschauer gekommen sind. Aber jetzt schaue ich liebend gern. Und auch für unsere Spiele mit dem TSV Neuried interessieren sich inzwischen mehr Leute. Auch hier ist das Tempo gestiegen.

Das Zuschauerinteresse ist deutlich gestiegen. Zum Champions-League-Viertelfinale FC Barcelona gegen Real Madrid kamen am 30. März rund 91 000 Zuschauer ins Stadion und stellten einen Rekord auf. In der Bundesliga ist das anders. Hinkt Deutschland hinterher?

Das finde ich nicht. Dass bei den Frauen grundsätzlich weniger Zuschauer sind, wird sich wohl nicht so schnell ändern. Man muss Geduld haben, wie bei den Männern wird es wahrscheinlich nie sein. Auch in Barcelona ist das Stadion ja nicht jede Woche voll.

In USA, Spanien oder auch Schweden gibt es für Frauen- und Männernationalteams gleich hohe Prämien, beim DFB noch nicht. Wie bewerten Sie diese Debatte?

Natürlich verkaufen die Männer mehr Tickets, generieren mehr Einnahmen. Aber Frauen sollten auf jeden Fall etwas mehr bekommen. Sie stecken schließlich genau so viel Zeit, Energie und Kraft in den Fußball wie die Männer.

Nationalspielerin Lina Magull hat in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung eine Art Mindestlohn von 2000 bis 3000 Euro pro Monat für Erst- und Zweitligaspielerinnen gefordert. Was halten Sie davon?

Sie hat recht. 2000 bis 3000 Euro sind ja nicht viel, gemessen am Aufwand. Viele Männer haben während ihrer Profi-Karriere Möglichkeiten, etwas beiseitezulegen. Frauen müssen dagegen fast alle nach oder sogar während der Karriere noch etwas anderes arbeiten. Das ist schade.

Sie selbst waren in Schweden Jugend-Nationalspielerin. Haben Sie davon geträumt, Profifußballerin zu werden?

Nein (lacht). Ich habe auch andere Sportarten ausprobiert, aber es war für mich das Normalste auf der Welt, jeden Tag Fußball zu spielen. Trotzdem war ich jedes Mal überrascht, wenn ein Brief mit der Einladung zur Nationalmannschaft kam. Ich habe diese Zeit lange einfach genossen, ohne über Geld nachzudenken. Aber irgendwann habe ich mir schon überlegt, warum ich so viel Zeit in den Fußball investiere, ohne einen Cent zu bekommen. Das war dann auch ein Grund, warum ich mich entschieden habe, nur noch hobbymäßig zu spielen.

Im Profifußball scheint es voranzugehen – an der Basis geht der Trend in Deutschland aber in eine andere Richtung. In der Saison 2016/17 gab es laut DFB-Statistik gut 280 000 aktive Fußballerinnen, 2020/21 nur noch etwa 131 000. Im Würmtal gab es in den vergangenen Jahren mit dem TSV Neuried nur eine einzige Frauenmannschaft.

Ich glaube, die Hauptursache ist, dass es zu wenige reine Mädchenmannschaften gibt. In Deutschland spielen die Mädchen am Anfang oft bei den Jungs mit. Aber egal, wie viel Talent du hast – ab einem gewissen Alter werden die körperlichen Unterschiede immer deutlicher. Und es macht wenig Spaß, immer die Langsamste zu sein. Viele Mädchen hören mit 12 oder 13 Jahren komplett auf, weil sie nicht mehr bei den Jungs spielen möchten, aber es keine Mädchenmannschaften in ihrer Nähe gibt. Das finde ich sehr schade. In Schweden ist das ganz anders. Da hat fast jeder Dorfverein eine Mädchenmannschaft, auf Bolzplätzen sieht man viel mehr Mädchen. Ich habe im Verein nie mit Jungs gespielt. Natürlich lernen die Mädchen, die von klein auf gegen Jungs spielen, viel. Aber das sind Ausnahmen, es sollte nicht die Regel sein.

Was sollte sich verändern?

Wichtig ist, dass die Mädels früh im Verein spielen. Ich habe mit vier Jahren angefangen, man merkt einen Unterschied zu Spielerinnen, die erst mit 16 oder 17 zu einem Verein kommen. Man müsste mehr Werbung machen, damit die Mädchen Lust bekommen, Fußball zu spielen.

Sollte es die Regel sein, dass es in jedem Verein eine Mädchenmannschaft für Anfängerinnen gibt?

Ja. Das muss einfach ein bisschen mehr gepusht werden. Wir haben in Neuried inzwischen zwei Mädchenmannschaften, zwei Spielerinnen aus meiner Mannschaft sind Trainerinnen. Das ist sehr wichtig. Denn irgendwann hören wir ja auch auf, und es müssen neue Spielerinnen nachkommen.

Wir haben über die Bedeutung von Mädchenmannschaften gesprochen. Eine Entscheidung des Bayerischen Fußballverbands geht in die entgegengesetzte Richtung: Seit dieser Saison dürfen auch Frauen bei den Männern mitspielen. Wie finden Sie das?

Da geht es um den Erwachsenenbereich, das ist etwas anderes. Mein erster Gedanke war: Geil, das will ich unbedingt ausprobieren – und bei der AH (Alte Herren, Anm. d. Red.) könnte ich auch von meinem Alter, 32, her mitspielen. Allerdings ist Männerfußball schneller und härter. Die Verletzungsgefahr für Frauen ist relativ groß. Ich würde ungern deshalb dann ein Spiel mit meiner Mannschaft verpassen. Es wird bestimmt nicht exzessiv genutzt werden – aber ich finde es gut, dass es die Möglichkeit grundsätzlich gibt.

Stünden Sie denn für einen Einsatz zur Verfügung?

(Zögert) Ja. Sollte die AH mal zu wenige Leute haben und es sich nicht mit einem unserer Spiele überschneiden, dann würde ich mitspielen.

Interview: Tobias Empl

Aufrufe: 021.7.2022, 07:53 Uhr
Tobias EmplAutor