2024-05-02T16:12:49.858Z

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Das Aus von Hansi Flick als Fußball-Bundestrainer war für fast alle Befragten unumgänglich.
Das Aus von Hansi Flick als Fußball-Bundestrainer war für fast alle Befragten unumgänglich. – Foto: Christian Charisius

Einer muss es „flicken“: Starnberg und Würmtal diskutiert über DFB-Trainerwechsel

Wagner und van Gaal oben auf der Wunschliste

Im Landkreis Starnberg und der Region Würmtal wurde bei Trainern, Spielern und Vereinsfunktionären nach deren Meinung über Hansi Flicks Entlassung und seinen möglichen Nachfolgern gefragt.

Landkreis – Hansi Flick ist nicht länger Coach der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Nachdem der DFB erstmals bei einem Bundestrainer vor Vertragsende die Reißleine gezogen hat, stellt sich ganz Fußballdeutschland diverse Fragen. War die Entscheidung richtig? Kam sie zu spät? Wer soll Flicks Nachfolger werden? Wie bekommt die DFB-Elf bis zur Europameisterschaft kommendes Jahr in Deutschland die Kurve, um dort erfolgreich zu sein und im Land wieder eine Euphorie zu entfachen?

Im Landkreis Starnberg und der Region Würmtal wurden bei Trainern, Spielern und Vereinsfunktionären Antworten auf diese Fragen gesucht.

„Ich halte Hansi Flick für einen hervorragenden Trainer und frage mich, warum er gescheitert ist. Vermutlich passt die Zusammenstellung der Spieler nicht.“

Martin Jakob, Abteilungsleiter beim SC Weßling

In einem Punkt sind sich die Befragten fast alle einig: Die Entlassung von Flick sei unumgänglich gewesen. Nur Wolfgang Krebs schert etwas aus der Reihe: „Ich hätte an ihm festgehalten, auch wenn es viele andere nicht machen würden.“ Der Trainer von Fußball-Kreisligist MTV Berg spricht Flick aber nicht gänzlich frei: „Vielleicht hätte er den einen oder anderen aussortieren müssen.“

Klaus Heller findet zumindest den Zeitpunkt überraschend. „Ich hätte schon gedacht, dass er das Spiel gegen Frankreich noch machen darf“, sagt der Coach des FSV Höhenrain aus der Kreisklasse.

Andere wiederum, etwa Fabian Klingl, Landesliga-Spieler des TSV Gilching-Argelsried, nennen die Entscheidung „längst überfällig“ – oder gar „viel zu spät“, wie Ismail Yilmaz, Vorsitzender des SC Pöcking-Possenhofen. Matthias Neuner, Torwart der Sportfreunde Breitbrunn (Kreisklasse), findet es aber vor allem „wichtig, dass es jetzt noch passiert ist“.

Derweil schlägt Martin Jakob vorsichtigere Töne an. Zwar empfindet er die Entscheidung des DFB als „absolut nachvollziehbar“, der Fußballabteilungsleiter des SC Weßling sagt aber auch: „Ich halte Hansi Flick für einen hervorragenden Trainer und frage mich, warum er gescheitert ist. Vermutlich passt die Zusammenstellung der Spieler nicht.“

Unterstützung in seiner Meinung bekommt er von Stefan Meininger. Der Abteilungsleiter des SV Söcking schätzt Flick, aber: „Nicht jeder gute Trainer passt auch zu jeder guten Mannschaft.“

Stefan Meininger (m.), Abteilungsleiter SV Söcking.
Stefan Meininger (m.), Abteilungsleiter SV Söcking. – Foto: SVS

Dahingehend, dass die zuletzt schwachen Auftritte nicht nur Hansi Flick anzulasten seien, herrscht großteils Konsens im Landkreis. „Das wäre zu einfach“, sagt Gilchings Co-Trainer Christoph Meißner.

Auch die Mannschaft kommt bei den hiesigen Fußballern nicht gerade gut weg. Yilmaz etwa fehlt der Wille im Team. „Wir ruhen uns auf den vermeintlichen Topstars aus. Wir haben keine Typen mehr“, moniert der SCPP-Chef.

Sarah Lapuh, Spielerin der Gilchinger Bezirksoberliga-Damen ergänzt: „Wenn man sich die DFB-Doku über die WM anschaut, lag es auch an der Einstellung und Disziplin von einigen.“ Meißner bringt es auf den Punkt: „Als in der Doku die Spieler reihenweise zur Besprechung zu spät kamen – das war sinnbildlich für diesen Haufen.“

Über Flicks potenziellen Nachfolgekandidaten wird im Landkreis heiß diskutiert. Immer wieder fällt dabei der Name Sandro Wagner – teilweise als Chef-, zumindest aber als Co-Trainer wünschen sich einige Verantwortliche den 35-Jährigen.

„Er ist jemand, den brauchen die Deutschen aktuell. Er ist kein Trainer, der immer schon mit einer Millionentruppe Erfolg hatte, sondern er ist mit den Minimalisten aus Unterhaching aufgestiegen“, sagt etwa Bernd Öhler. Als Chefcoach hofft der Trainer von Kreisklassist TSV Erling-Andechs auf jemanden, „der die Spieler wieder an die Basis bringt, auf den Boden der Realität zurück, um unsere Werte und Tugenden wiederzufinden“.

Christoph Meißner, Co-Trainer TSV Gilching.
Christoph Meißner, Co-Trainer TSV Gilching. – Foto: Verein

Einer, dem Öhler das zutraut, ist Felix Magath. Darüber hinaus dominieren im Landkreis die Namen Louis van Gaal, Stefan Kuntz und Julian Nagelsmann. Breitbrunns Neuner wünscht sich, dass Rudi Völler Chef bleibt. Berg-Trainer Krebs hofft vor allem auf eine langfristige Lösung einer Autoritätsperson: „Einen vernünftigen Trainer, der drei, vier, fünf Jahre arbeiten möchte. Es soll eine Ehre sein, die Nationalmannschaft zu trainieren.“ Meißner fügt schmunzelnd an: „Zur Not würde ich es auch machen. Rudi Völler kann mich jederzeit anrufen.“

Letztendlich seien aber die Spieler gefordert, betont Krebs und trifft damit den Tenor. So fordert Okan Keklik, Trainer von Kreisklassist TSV Oberalting-Seefeld, mehr Leidenschaft und Kampfgeist von der DFB-Elf und dass die Spieler „wieder eine Einheit auf dem Platz werden“.

Martin Bauer, spielender Co-Trainer des SV Planegg-Krailling aus der Kreisliga, findet: „Es braucht einfach Alphatiere, an denen sich die jungen Wilden orientieren und aufbauen können.“

Julian Feser hält zudem eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Vereinen und Nationalmannschaft für notwendig. „Es ist wichtig, dass der DFB und die Klubs gemeinsam an einer umfassenden Reform arbeiten, um die Zukunft des deutschen Fußballs zu sichern“, sagt der Kapitän von Kreisklassist Gautinger SC.

Sarah Lapuh fasst augenzwinkernd zusammen: Egal, wer Bundestrainer wird, er muss es „flicken“.

Weitere Stimmen zum Trainer-Aus von Hansi Flick

Martin Trissler, Abteilungsleiter TSV Neuried.
Martin Trissler, Abteilungsleiter TSV Neuried. – Foto: TSV Neuried

„Der Trainerwechsel war richtig, aber der Zeitpunkt der Veröffentlichung megapeinlich für den deutschen Sport wegen des WM-Finales im Basketball. Ich wäre für Louis van Gaal als Nachfolger, er ist aber leider bei den Fans nicht vermittelbar. Sportlich für mich mit Matthias Sammer eine 1A-Lösung. Die Nationalelf muss jetzt wieder eine Mannschaft werden. Zurzeit gibt es viele Grabenkämpfe und persönliche Animositäten. Generell sollte man die Neuerungen im Jugendfußball überdenken, und es braucht mehr Förderung des Breitensports in Deutschland.“

Martin Bauer, Spieler SV Planegg-Krailling
Martin Bauer, Spieler SV Planegg-Krailling – Foto: SV Planegg-Krailling

„Nach der erfolglosen WM und der anhaltenden Negativserie war es die einzig konsequente und richtige Entscheidung. Als Nachfolger wünschen würde ich mir Sandro Wagner, der bei Unterhaching einen ziemlich guten Job gemacht hat. Was mir besonders gut gefällt, ist, dass er authentisch ist, kein Blatt vor den Mund nimmt. Wegen seiner geringen Erfahrung rechne ich aber eher mit einem Trainer wie Stefan Kuntz. Aufgabe des neuen Trainers wird sein, die richtigen Spieler zu nominieren und diesen wieder Selbstbewusstsein einzuverleiben.“

Thomas Ochsenkühn, Trainer TSV Gräfelfing
Thomas Ochsenkühn, Trainer TSV Gräfelfing – Foto: TSV Gräfeling

„Es lag nicht alles an Hansi Flick. Insgesamt ist die Planung des DFB schlecht, und es liegt auch an der Einstellung der Spieler. Ich habe zuletzt absolut die Leidenschaft vermisst. Mein Wunschtrainer wäre Kloppo. Wenn nicht, dann soll es Rudi Völler bis zur EM weitermachen. Gegen Frankreich hat es ja ganz gut ausgesehen. Insgesamt ist der Fußball etwas zu wissenschaftlich geworden, die Basics wurden vernachlässigt. Wir brauchen die deutschen Tugenden wieder – nicht nur, aber es braucht zumindest eine gesunde Mischung.“

Dominik Glückschalt, Spielertrainer DJK Würmtal
Dominik Glückschalt, Spielertrainer DJK Würmtal – Foto: DJK Würmtal

„Grundsätzlich bin ich sehr überzeugt von Hansi Flick und hatte das Gefühl, die Nationalmannschaft hat gegen ihn gespielt. Trotzdem war der Zeitpunkt richtig, da man einfach bei der EM anders auftreten muss. Und ich denke, in den letzten Wochen wurden ein paar Spieler falsch nominiert und aussortiert. Als Nachfolger finde ich Nagelsmann die beste Option. Das Team braucht neuen Schwung, neues Konzept und vor allem mehr Tempo. Im deutschen Fußball wäre es toll, wenn der Sport wieder im Vordergrund steht. Aktuell geht es viel um Geld und Politik.“

Julian Feser, Kapitän Gautinger SC
Julian Feser, Kapitän Gautinger SC – Foto: Gautinger SC

„Flicks Amtszeit war zu kurz für eine endgültige Bewertung. Eigentlich war er genau der Richtige. Mit Hinblick auf die Heim-EM ist die Entlassung nachvollziehbar. Der Zeitpunkt war jedoch sehr schlecht und respektlos vom DFB gewählt – eigentlich waren alle Augen auf das Basketballspiel gerichtet. Ich finde die Idee von Schweinsteiger gut, Louis van Gaal den Posten zu geben. Im deutschen Fußball gibt es einige Herausforderungen, die angegangen werden müssen. Es ist wichtig, dass DFB und Klubs gemeinsam an einer umfassenden Reform arbeiten.“

Mathieu Jerzewski, Trainer TSV Neuried Futsal
Mathieu Jerzewski, Trainer TSV Neuried Futsal – Foto: TSV Neuried

„Ich begrüße die Entscheidung, da die Mannschaft einen neuen Impuls braucht. Nun braucht es einen Trainer, der nicht nur Wert auf eine gepflegte Spielweise legt, sondern auch eine gesunde Aggressivität einbaut. Stichworte: Siegermentalität, Kampf und Willen. Das hat mir nach und nach unter Flick gefehlt. Feuer, Leidenschaft und Siege – allein diese drei Wörter zeigen exemplarisch einige der aktuellen Schwachstellen der DFB-Elf. Spürt der Fan genau das, wird er wieder mit Freude mitfiebern. Ich stehe mangels Lizenz nicht zur Verfügung.“ (lacht)

(von Michael Grözinger, Tobias Empl und Tobias Huber)

Aufrufe: 014.9.2023, 08:10 Uhr
Michael Grözinger / Tobias Empl / Tobias HuberAutor