2024-04-29T14:34:45.518Z

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Zwei mal fünf Finger macht eine Zehn-Minuten-Strafe – in den Klassen von der Kreisoberliga abwärts scheint sich die wieder eingeführte Regelung zu bewähren.  	Archivfoto: Joaquim Ferreira
Zwei mal fünf Finger macht eine Zehn-Minuten-Strafe – in den Klassen von der Kreisoberliga abwärts scheint sich die wieder eingeführte Regelung zu bewähren. Archivfoto: Joaquim Ferreira

Zwischenfazit: Keine Inflation der Zeitstrafen

Zehn-Minuten-Auszeit ist seit dieser Saison von der Kreisoberliga abwärts eine neue Option – mancherorts wird sie bislang gar nicht benötigt

Region. Zehn-Minuten-Strafe – Fluch oder Segen für die Amateurfußballer? Seit dem 1. Juli greift in den Klassen ab der Kreisoberliga abwärts als Pilotprojekt für die laufende Runde in Hessen der zeitlich begrenzte Platzverweis, das befristete Abkühlen mit der Option zur Rückkehr aufs Spielfeld. Oder der jeweilige Trainer ergänzt mit einem anderen Spieler, wenn er den Eindruck hat, dass sein Heißsporn – nachdem er zwei Mal die fünf Finger des Referees gesehen hatte – sich noch auf einem zu hohen Emotionslevel bewegt.

Auffallend aber in den Klassen der Kreise Wiesbaden und Rheingau-Taunus: Inflationär kommt die Zeitstrafe, die es bereits in den 1990er-Jahren gab und die nun quasi die Gelb-Rote Karte ersetzt, gar nicht zur Anwendung. Beispiel A-Liga Wiesbaden: Vier Teams haben noch keine Zeitstrafe, sechs erst eine. Schwarz-Weiß, Spitzenreiter der Fairplay-Tabelle, hat eine weiße Weste. „Ob die Zeitstrafe gut oder schlecht ist, wird erst die Erfahrung zeigen. Sie kann ein probates Mittel sein“, gibt sich Schwarz-Weiß-Trainer Jean-Pierre Gersdorf ganz neutral.

Ein Schiedsrichter zückte irrtümlich zwei Mal Gelb-Rot

Nach gut 100 Tagen Zeitstrafe bleibt in der Bilanz auf jeden Fall der Irrtum eines Referees beim Wiesbadener B-Ligaspiel SV Schierstein 13 gegen SC Gräselberg haften – Endstand Anfang September 5:4 für die 13er. Doch Gräselberg legte Einspruch ein, hatte doch der Spielleiter gegen je einen Akteur beider Teams Gelb-Rot gezückt. Ein Regelverstoß. Das Sportgericht erkannte folglich auf Neuansetzung, die ging kürzlich mit einem 6:0-Erfolg des SC über die Bühne.

Ansonsten fallen die bisherigen Erfahrungen überwiegend positiv aus. Auf Kreisebene trägt die Zehn-Minute-Strafe, die eine vorherige Gelbe Karte voraussetzt, als Option offenbar Früchte, während ab der Gruppenliga aufwärts die Konstellation mit Gelb-Rot und Rot geblieben ist. Seit dieser Runde mit der Neuerung, dass bereits ab der Gruppenliga eine Ampelkarte eine Sperre für ein Spiel nach sich zieht.

Schöneck: Zeitstrafe "beruhigt den ein oder anderen"

In der Kreisoberliga-Rheingau-Taunus hat Oliver Schöneck, Coach des SV Walsdorf, bis jetzt nur eine unbedeutende Begegnung mit der Zehn-Minute-Strafe gehabt. Das war am vergangenen Donnerstag beim 8:1 des SVW bei der SG Schlangenbad, als kurz vor Schluss ein SG-Akteur eine Zeitstrafe kassierte, die er gar nicht mehr komplett absitzen musste. „Weder bei uns noch bei den Gegnern gab es ansonsten in den bisherigen Spielen Situationen, die eine Zehn-Minuten-Strafe erfordert hätten“, schildert Schöneck beinahe verblüffend Anmutendes. Seine sehr junge Mannschaft agiere ruhig und diszipliniert, außerdem lege er seit jeher „allgemein großen Wert auf Fairplay“. Ferner verweist er auf sehr gute Schiedsrichterleistungen. Generell sieht Schöneck die Zeitstrafe positiv: „Sie beruhigt den ein oder anderen und man kann als Trainer reagieren, in dem man alternativ danach einen anderen Spieler bringt. Sie kann sicher auch ein Mittel sein, um Hektik rauszunehmen.“

Daniel Mach, Trainer von Rheingau-Taunus B-Ligist SG Hünstetten (bisher vier Zeitstrafen), führt an: „Ich finde das eine ziemlich gute Lösung. Wie es die Schiedsrichter handhaben, das ist in Ordnung.“

Rheingau-Taunus-Schiedsrichter-Lehrwart Daniel Kamnitzer sagt: „Wir sehen die Zeitstrafe eher positiv. Die Ideen der Zeitstrafe funktionieren: Spieler und Trainer nehmen die zweite Chance ernst. Entweder ein Spieler beruhigt sich und kommt wieder rein oder der Trainer geht auf Nummer sicher und wechselt ihn aus. So oder so muss sich die Mannschaft aber nicht reduzieren und das Spiel bleibt zumindest sportlich interessanter. Wichtig zu erwähnen ist aber auch, dass die Zeitstrafe ein hessisches Pilotprojekt ist. Das Feedback unserer Schiedsrichter wird nach der Probezeit mit Sicherheit noch mal angegangen.“

Für Kamnitzer stellen sich in dieser Analyse noch Fragen: „Warum unterscheiden wir teilweise zwischen Trainern, Feldspielern und Auswechselspielern? Wie einheitlich sollten Zeitstrafen bei Senioren und Junioren sein? Sollte die Gelb-Rote Karte noch eine Rolle spielen? Und noch einiges mehr.“

Doch am besten ist es immer noch, wenn Strafen auf Zeit oder Rote Karten erst gar nicht zur Anwendung kommen. Was offenbar auch in Wiesbaden, wo in der ersten Saisonphase verschiedene Zwischenfälle den Ruf des Amateurfußballs ramponierten, zumeist der Fall zu sein scheint.

Aufrufe: 019.10.2021, 08:00 Uhr
Stephan NeumannAutor