2024-05-02T16:12:49.858Z

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Foto: System/ Stock.Adobe
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"Was ich unter Rangnick gelernt habe, begleitet mich seit 30 Jahren"

Nachspielzeit mit Oliver Schöneck +++ Der Trainer des SV Walsdorf über die Gründe für die erfolgreiche Saison, eingewachsene Fußnägel und was Ralf Rangnick mit alledem zu tun hat

Walsdorf. Seit knapp 30 Jahren ist Oliver Schöneck nun schon im Aktivenbereich tätig. Zunächst als Spieler, u.a. beim SC Korb in Baden-Württemberg, später dann als Trainer bei diversen Vereinen. Auf erfolgreiche Stationen bei der SG Orlen und dem TuS Beuerbach folgten frustrierende Jahre in Kohlheck, Hahn und Bad Schwalbach, nach welchen er schon ans Aufhören dachte. Seit Beginn der Saison 2020/2021 trainiert er nun beim SV Walsdorf eine extrem junge Truppe, mit der er dieses Jahr nach 13 absolvierten Spieltagen auf Rang Zwei der Tabelle steht. Im Interview erklärt Schöneck sein Erfolgsrezept, spricht über das kommende Spitzenspiel gegen Niederseelbach und seine gemeinsame Vergangenheit mit Ralf Rangnick.

FuPa: Hallo Oliver, Glückwusch zum 5:0 Erfolg in Wallrabenstein vergangenes Wochenende. War der Sieg so souverän wie es das Ergebnis vermuten lässt?

Oliver Schöneck: Das Ergebnis spiegelt den Spielverlauf insgesamt sehr gut wider. Wallrabenstein und Walsdorf liegen nur ein paar Kilometer auseinander, es war also ein Derby, in das wir gut vorbereitet, aber auch mit einer gewissen Anspannung, hineingegangen sind. Natürlich hatten wir auch das Spielglück auf unserer Seite, da wir früh die ersten Tore erzielten und die Wallrabensteiner dann auch noch ein Eigentor schossen. Wir sind eine sehr junge Mannschaft, trotzdem spielen wir schon abgebrüht, weshalb wir in der ersten Hälfte nichts haben anbrennen lassen und gar keine Schwierigkeiten hatten. Der Sieg war also absolut verdient, unser Torwart musste im ganzen Spiel nur einen Ball halten, was aber natürlich auch für das Defensivverhalten der gesamten Mannschaft spricht.

FuPa: Das war euer siebter Sieg in Serie. Ihr steht inzwischen auf Platz Zwei der Tabelle. Was zeichnet euch im Moment aus, warum läuft es so gut?

Oliver Schöneck: Das es so gut läuft liegt an verschiedenen Faktoren, die im Mannschaftssport vonnöten sind. A, ist die Trainingsbeteiligung sehr hoch, nur dann kannst du als Trainer auch ordentlich arbeiten. B, was mich in dem jungen Alter der Spieler wundert, ist, dass sie dem Mannschaftserfolg alles unterordnen. Sie denken eher ans Team als ans Ich. Die Spieler fahren z.B. nicht und wenn, dann nur vereinzelt in den Urlaub, wollen alle immer spielen. Das sieht man auch daran, dass nach einer englischen Woche am nächsten Montag trotzdem 17 Mann ins Training kommen. Das ist Wahnsinn und zeigt wie hoch das Engagement des ganzen Teams ist. Natürlich muss man aber auch sagen, dass wir bisher Glück hatten, dass sich bisher kaum Spieler verletzt haben und wir am Wochenende immer mit mindestens 15 Mann angetreten sind. Aber auch gegen mögliche Verletzungen steuern wir aktiv dagegen, in der Art und Weise, wie wir das Training gestalten. Und zu guter Letzt haben wir auch eine gute Mischung im Team. Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass es nur mit jungen Spielern auch nicht klappt. Wir haben mit Sven Ott, meinem Co-Trainer, Lukas Ernst, Niklas Ernstberger und Marcus Zapp in jedem Mannschaftsteil einen erfahrenen Spieler, der die Jungen anführt und auch als Vorbild fungiert.

FuPa: Letztes Jahr hattet ihr nach elf Spieltagen 19 Punkte, dieses nach 13 Spieltagen 32 Punkte, was hat sich im Vergleich zur letzten Saison geändert und wo geht die Reise für euch dieses Jahr noch hin?

Oliver Schöneck: Letztes Jahr kamen drei Spieler aus der A-Jugend hoch und davor das Jahr auch drei. Sie haben vor dem Abbruch also gerade einmal ein paar Spiele absolviert und zwei Vorbereitungen mitgemacht. Dafür sind sie jedoch extrem wissbegierig, sie lechzen nach Informationen und stellen andauernd fragen, wo und wie sie sich verbessern können. Außerdem haben sie sich sehr schnell an den Aktivenbereich angepasst und im fußballerischen, sowie taktischen Bereich unglaubliche Sprünge gemacht im Vergleich zum letzten Jahr. Die Entwicklung, die sie in so kurzer Zeit durchlaufen haben, hat mich schon sehr überrascht. Meiner Meinung nach liegt das daran, dass die Jungs so regelmäßig zu den Trainings kommen. Natürlich hast du, wenn du aus der A-Jugend hochkommst körperliche Defizite im Vergleich zu einem 25 Jährigem. Wenn aber die Bereitschaft und der Wille da sind sich zu verbessern und zu spielen, dann tust du auch was für deinen Körper. Bei uns wollen alle spielen und dementsprechend haben auch alle über die lange Corona-Pause an sich gearbeitet. Da ist niemand, wirklich niemand mit Übergewicht zum ersten Training erschienen, da waren alle austrainiert. Sensationell!

FuPa: Am Donnerstagabend spielt ihr gegen den Tabellendritten aus Niederseelbach. Wie stehen die Vorzeichen auf das Spiel?

Oliver Schöneck: Leider hat es uns jetzt auch einmal erwischt. Wir haben mit Paul Neumann, der beruflich unterwegs ist, Elias Ott, der sich eine leichte Knieprellung zugezogen hat und Tjark Bell, welcher mit muskulären Problemen zu kämpfen hat, drei Spieler, die gegen Niederseelbach ausfallen. Die Drei sind Spieler, die jetzt zum Glück nur kurzfristig ausfallen, aber bisher regelmäßig gespielt haben, was wir im Kollektiv auffangen müssen. Und was Niederseelbach angeht muss ich sagen, dass ist natürlich eine Hausnummer. Sie sind deutlich erfahrener als wir, viel reifer, da sind Spieler dabei, welche schon Verbandsliga gespielt haben und als Team sind sie auch sehr spielstark. Das ist ein Spiel, indem wir final sehen können, wie weit wir sind und wo wir noch lernen können. Vor solchen Spielen sage ich den Jungs immer: „Für solche Spiele, in denen man sich gegen Top-Teams misst, spielt ihr Fußball und ergebnisunabhängig können wir aus einem solchen Spiel eine Menge mitnehmen.“ Ich persönlich freue mich deshalb sehr auf die Partie, da ich sehen will, wie wo wir nach den fünf Monaten zusammen, stehen.

FuPa: Du warst, bevor du letztes Jahr in Walsdorf gelandet bist, in drei Jahren Trainer von drei Mannschaften, Bad Schwalbach, Hahn und Kohlheck. Warum hat es bei den Vereinen nicht gepasst? Hast du zwischenzeitlich auch mal ans Aufhören gedacht?

Oliver Schöneck: Die Frage ist sehr einfach zu beantworten. Zuvor war ich schon sehr erfolgreich mit Orlen und Beuerbach, aber bei den drei genannten Stationen war die Trainingsbeteiligung einfach mangelhaft. Ich hatte drei Jahre lang größtenteils zwischen fünf und acht Mann im Training. Da kann sich, glaube ich, jeder vorstellen, dass es für einen Trainer unglaublich schwierig ist, sportlichen Erfolg auf die Bahn zu bringen. Für mich persönlich zählt es nur, eine Mannschaft trainieren zu können, ob sie gut oder schlecht ist, ist da nicht wichtig. Ich war vor Walsdorf kurz davor zu sagen: „Das war es dann jetzt für mich, die Einstellung der Mannschaft geht nicht mit meiner Vorstellung von Mannschaftssport konform. Wenn du eine Mannschaftssportart, egal ob Fußball, Handball oder Basketball wählst, dann entscheidest du dich für Dienstag, Donnerstag Training und Sonntag Spiel.“ Und wenn das nicht stattfindet, bist du als Trainer machtlos. Auch die Anderen in den Vereinen haben gesagt: „Hey Olli, du bist die ärmste Sau hier.“ Nur wenn eine Mannschaft komplett im Training ist, kannst du dich auch messen lassen. Bei meinem Engagement in Walsdorf habe ich es deshalb auch anders gemacht, als es sonst üblich ist. Ich habe zuerst mit der Mannschaft gesprochen und gefragt mit wem ich nächstes Jahr planen kann, bevor ich den Verantwortlichen zugesagt habe. Als ich dann nach einem Tag bereits 16 Zusagen für die kommende Saison hatte, habe ich direkt gesagt: „Ich übernehme den Trainerposten hier.“

FuPa: Uns ist zu Ohren gekommen, dass es in deiner Vergangenheit einige Verknüpfungen mit Ralf Rangnick gibt. Was hat es damit auf sich?

Oliver Schöneck: Ja, das stimmt, er war damals beim SC Korb, seiner zweiten Trainerstation, der erste Trainer meiner Spielerlaufbahn. Ich habe zwei Jahre unter ihm gespielt und was ich da gelernt habe begleitet mich seit 30 Jahren Spieler- sowie Trainerkarriere. Er war in jeglicher Hinsicht ein Vorbild, menschlich, aber auch was das Maß an Professionalität angeht. Als Verbandsligist haben wir unter ihm trainiert wie die Profis. Wir hatten mehrere Trainingslager im Jahr und in den Vorbereitungen Spiele gegen unter anderem Fenerbahçe Istanbul, die isländische Nationalmannschaft und den VFB Stuttgart, die er über Connections wie z.B. zu Toni Schumacher klargemacht hat. Wenn man als Verbandsligist gegen solche Mannschaften spielt und immer knappe Ergebnisse erzielt, kann man sich überlegen auf welchem Niveau wir trainiert haben. Uns war damals schon klar, wo seine Reise einmal hingehen wird, bei ihm war alles auf Fußball und Erfolg getrimmt. Er war in allen Belangen ein Profi, vor allem für uns junge Spieler war er eine Bezugsperson, denn nach jedem Erfolg hat er uns als allererstes beiseite genommen und erklärt, wo er noch Verbesserungspotential sieht. Er hat mir als 18-Jährigem, der gerade aus der A-Jugend gekommen ist, das Gefühl gegeben, als wäre ich ein fester Bestandteil der ersten Elf, obwohl ich die Nummer 18 bis 20 war.

FuPa: Wie hat sich seine Professionalität gezeigt?

Oliver Schöneck: Z.B. hat er unsere Fußnägel kontrolliert, ob diese sauber waren, damit du kein Spiel wegen eines eingewachsenen Nagels verpasst. Auch hat er uns regelmäßig neue Badeschlappen besorgt, um Fußpilz zu vermeiden und auch ansonsten viel Wert auf gute Hygiene gelegt. Er hat einfach nichts dem Zufall überlassen, uns sollte nichts davon abhalten am Wochenende auf dem Platz zu stehen. Auch hat er sehr auf Pünktlichkeit geachtet. Wenn du zum Beispiel zu einem Trainingslager zu spät kamst, durftest du erstmal eine kleine Extraschicht einlegen, um die verpassten Inhalte so nachzuholen. Auf der anderen Seite hat er sich aber auch auf der zwischenmenschlichen Ebene um seine Spieler gekümmert, wenn ein Spieler da ein Problem hatte, hat er sich auch dafür Zeit genommen und das Problem aus der Welt geschafft. Das war ein Rundumpaket damals. Er vergisst einfach nichts, was einen Spieler davon abhalten könnte zu spielen. Auf der anderen Seite hat er aber von seinen Spielern auch verlangt, dass sie, so wie er, immer 100 Prozent geben.

Aufrufe: 028.10.2021, 08:00 Uhr
Tim StammAutor