2024-06-03T07:54:05.519Z

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Straßenfußballer beim SV Gonsenheim: Abdellatif El Mahaoui wechselt im Sommer aus der Kreisoberliga in die Oberliga.
Straßenfußballer beim SV Gonsenheim: Abdellatif El Mahaoui wechselt im Sommer aus der Kreisoberliga in die Oberliga. – Foto: system/stock.adobe

"Schmeiß ihn ins kalte Wasser"

Nachspielzeit mit Abdellatif El Mahaoui +++ Der Stürmer des Türkischen SV Wiesbaden über seinen Wechsel zum Oberligisten SV Gonsenheim

Wiesbaden. 28 Buden in 19 Spielen in der Kreisoberliga, „Torjäger der Republik“ im Monat Februar. Die Rede ist von Abdellatif El Mahaoui, welcher dieser Tage eine Menge Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wenig verwunderlich bei diesen Quoten und den Erfolgen seiner Mannschaft ist daher das Interesse höherklassiger Teams am gerade einmal 20-Jährigen. Trotzdem hatten wohl Wenige mit der Meldung des vergangenen Freitags gerechnet, in welcher der Transfer El Mahaouis zum Oberligisten SV Gonsenheim im Sommer verkündet wurde. Ein Transfer, der in vielerlei Hinsicht untypisch ist, denn nicht viele Amateurkicker überspringen zwei Spielklassen auf einmal und haben dabei noch nie ein Nachwuchsleistungszentrum von innen gesehen. Im Interview erzählt El Mahaoui, weshalb er zwischenzeitlich die Lust am Fußballspielen verlor, warum der Wechsel zum SV Gonsenheim nicht absehbar war und wie er die Chancen des Türkischen SVs auf die Meisterschaft in der KOL einschätzt.

FuPa: Hallo Abdellatif, seit wenigen Tagen ist es nun offiziell, dass du den Türkischen SV im Sommer verlassen und den Schritt in die Oberliga wagen wirst. War dir immer schon klar, dass du einmal auf diesem Niveau spielen würdest?

Abdellatif El Mahaoui: „Da muss ich ein wenig ausholen. Als ich in der Jugend mit Frauenstein in der Verbandsliga gespielt habe war ich eher Bankspieler und habe nur selten Spielzeit gesehen. Wenn ich eingesetzt wurde, dann als Torwart, weil sich unser Stammkeeper verletzt hatte. In der Zeit habe ich die Lust am Kicken verloren, weshalb ich zurück zum TuS Dotzheim, meinem Heimatverein, gegangen bin, um mit meinen Freunden zusammenzuspielen. Dabei habe ich nicht daran gedacht den Fußball noch einmal ernst zu nehmen, sondern habe einfach Spaß am Hobby und Ablenkung gesucht. Zunächst war ich dann Sechser, aber da mir die Offensive schon immer besser am Fuß lag habe ich nach der Saison meinen Trainer gefragt, ob ich auch mal weiter Vorne spielen könnte. Vor meinem ersten A-Jugend-Jahr bin ich meisten als Verteidiger oder auch mal im Mittelfeld aufgelaufen, aber nie als Stürmer. Mein Trainer meinte: „Alles klar, wir probieren es mal aus“, und am Ende hat es mit 35 Treffern bis zum coronabedingten Saisonabbruch auch ganz gut geklappt (lacht). Auch im zweiten Jahr in der U19 waren meine Quoten sehr gut, parallel durfte ich zudem bei den Aktiven mitmischen, bei denen ich in der Hinrunde 17 Treffer in der Kreisoberliga beisteuern konnte. Da fing ich dann auch wieder an ein bisschen ambitionierter zu denken. Als mich Hakan Tutkun nach der Saison fragte, ob ich nicht um den Aufstieg in der KOL mitspielen wolle, habe ich mir gedacht: „Warum eigentlich nicht?“

FuPa: Wie kam dann der Kontakt zum SV Gonsenheim zustande und seit wann hat sich dein Wechsel dorthin angebahnt?

Abdellatif El Mahaoui: „Der Kontakt kam vor knapp vier Monaten über meinen Onkel und meine Tante, Claudio und Farida Arena, zustande. Die beiden begleiten mich schon seit Beginn meiner Laufbahn und konnten es nicht glauben, dass ich bisher von niemandem gesichtet wurde. Meine Tante hat dann zufälligerweise Hassan Tahak, Vorstand des FC Marocs und Besitzer einer Pizzeria in Biebrich, mit Kontakten zum SV Gonsenheim, ist, angesprochen und mich ihm empfohlen. Die erste Reaktion darauf war wohl, dass ich mich erstmal in der Gruppenliga ausprobieren solle, woraufhin meine Tante antwortete: „Schmeiß ihn ins kalte Wasser! Du wirst sehen was passiert.“ Kurz darauf wurde ich zum ersten Probetraining eingeladen, bei dem der Hauptübungsleiter Anouar Ddaou aber leider nicht da war. Anscheinend konnte ich aber trotzdem überzeugen, denn ich wurde zu einem Training eingeladen. Dabei war er wiederum anwesend und er hat mir direkt klargemacht, dass sie mich holen wollen. Das war vor circa zwei Monaten, aber die Gonsenheimer hatten mich wohl schon länger im Blick. Aufgrund der erneut steigenden Inzidenzen und den damit verbundenen Regelungen im vergangenen Jahr hatten sie jedoch keinen Kontakt zu mir aufgenommen. Vor meinem ersten Probetraining in Mainz wusste ich also nichts von dem Interesse.“

FuPa: Wie sieht der Plan des SV mit dir aus? Welche Rolle sollst du dort einnehmen und welche Ambitionen verfolgst du?

Abdellatif El Mahaoui: „Also ich persönlich will so viel Spielzeit, also Erfahrung, wie möglich sammeln, mich taktisch verbessern und hoffentlich bin ich dann irgendwann einmal in Gonsenheim so ein wichtiger Spieler wie jetzt beim Türkischen SV. Über den genauen Plan mit mir haben wir noch nicht gesprochen, sie haben mich allerdings vorgewarnt, dass ich zunächst einmal nicht so viele Minuten sehen werde. Dafür muss ich aber jede Chance, die ich bekomme, nutzen. Das kann ich selbstverständlich auch verstehen, es kann ja nicht sein, dass jemand aus der KOL kommt und direkt einem Oberligaspieler den Stammplatz wegnimmt. Ich muss mich beweisen, mir jede einzelne Minute erkämpfen, aber natürlich werde ich mein Bestes geben und freue mich auf die Herausforderung.“

FuPa: Marvin Bylsma, der Gonsenheimer Sportvorstand, hat dich als Spielertyp „Straßenfußballer mit Tempo und Torriecher“ beschrieben.“ Wie treffend ist dieses Label, beziehungsweise wo siehst du deine Stärken und wo noch Verbesserungspotenzial?

Abdellatif El Mahaoui: „Ich glaube, dass ich noch schneller werden kann. Außerdem steht bei FuPa, dass ich beidfüßig bin, aber auch am Vollspannstoß mit dem linken Fuß muss ich noch arbeiten. Meine Stärken sehe ich im Kopfballspiel, zudem bin ich flink, man bekommt mich schwer zu Boden und ich renne immer weiter, bis der Ball im Aus ist. Bezüglich der Beschreibung als Straßenfußballer denke ich, dass sie zu 100 Prozent zutrifft. Ich habe früher als Kind, als ich noch im Schelmengraben gewohnt habe, immer mit meinen Jungs in der August-Bebel-Straße gekickt. Dort nutzten wir Wäschestangen als Torpfosten und unabhängig vom Untergrund sind wir rumgesprungen und haben gegrätscht. Die Art und Weise wie ich heute spiele, habe ich dort gelernt.“

FuPa: Wie hast du vor dein jetziges Leben mit dem zeitlichen Aufwand der Oberliga unter einen Hut zu bekommen?

Abdellatif El Mahaoui: „Eigentlich klappt das ganz locker. Ich arbeite von sechs bis 14 Uhr. Wenn ich dann nach Hause komme, esse ich und mache dann Mittagsschlaf. Der ist echt überlebenswichtig (lacht). Im Anschluss geht es direkt weiter zum Training und von da wieder ins Bett. Ich konnte mich an den straffen Rhythmus mit den vielen Einheiten und der intensiven Belastung auch schon gewöhnen. Nach den zwei Probetrainings in Mainz durfte ich zusätzlich zu den drei Trainingseinheiten in der Woche beim TSV, auch noch zweimal wöchentlich in Gonsenheim mittrainieren. Mir ist klar, dass ich viel Freizeit und Teile meines Soziallebens opfern werden muss, aber das mache ich gerne, um mein Ziel zu erreichen.“

FuPa: Momentan steht ihr an der Tabellenspitze. Wie schätzt du eure Chancen auf die Meisterschaft und den damit verbundenen Aufstieg in die Gruppenliga ein?

Abdellatif El Mahaoui: „Sonnenberg und wir liegen, wenn man die Nachholspiele miteinbezieht, gleichauf an der Tabellenspitze. Da sie den direkten Vergleich gegen uns jedoch gewinnen, müssen wir darauf hoffen, dass sie Punkte liegen lassen. In der Hinsicht bin ich jedoch recht optimistisch gestimmt, da jede Mannschaft Fehler macht. Im Umkehrschluss dürfen wir uns jedoch keine weiteren Patzer mehr erlauben, was auch eine Herausforderung darstellt.“

FuPa: Wie schwer fällt es dir nach dieser einen Saison den TSV schon wieder zu verlassen und wie wurde deine Entscheidung dort aufgenommen?

Abdellatif El Mahaoui: „Meine Entscheidung wurde insgesamt sehr positiv aufgenommen. Die meisten haben mich gepusht, mir Glück gewünscht und gesagt, dass ich es schaffen kann. Natürlich bin ich trotzdem ein wenig traurig den Verein jetzt schon wieder zu verlassen. Ich habe dort neue Freunde gewonnen, außerdem spielen wir bisher eine äußerst erfolgreiche Saison, in der wir immer noch das Double klarmachen können. Am Ende muss ich da aber durch, denn so ist der Fußball, jeder geht seinen eigenen Weg.“

Aufrufe: 030.3.2022, 06:00 Uhr
Tim StammAutor