2024-06-04T08:56:08.599Z

Team Rückblick
In der Saison 2012/13 gab Christoph Kämper seinen Einstand beim TuS Gehlenbeck.
In der Saison 2012/13 gab Christoph Kämper seinen Einstand beim TuS Gehlenbeck. – Foto: Michael Meier

Kämper: "Nicht der Abschied, den ich mir gewünscht habe"

Acht Jahre trainierte Christoph Kämper den TuS Gehlenbeck, doch nun sorgt der Saisonabbruch für die vorzeitige Trainerrente. Ein persönlicher Rückblick - der "Rock'n Roll Train" verlässt die Kabine

Blicken wir noch einmal zurück auf das Jahr 2012. Genauer gesagt auf den Juli 2012. Die Zeit der Saisonvorbereitung stand an. TuS Gehlenbeck hatte eingeladen, um den neuen Trainer Christoph Kämper vorzustellen. Also machte auch ich mich als Vertreter der Neuen Westfälischen auf zu diesem Termin. Ein Termin, den ich aus mehreren Gründen nie vergessen werde. Normalerweise ein eingespieltes Prozedere: Begrüßung, ein Gespräch mit dem Trainer, Fotos der Neuzugänge, fertig. Nicht aber so an diesem Juli-Tag in Gehlenbeck. Ich war wie vereinbart vor Ort, doch der neue Gehlenbecker Trainer nahm uns, Andreas Gerth, damals noch beim Diepholzer Kreisblatt, überhaupt nicht wahr. Stattdessen baute Kämper völlig konzentriert weiter seine Trainingsübungen auf. Nach einer gefühlten Ewigkeit, es folgte noch ein ebenfalls abgesprochener Folgetermin bei einem anderen Verein, nahm sich dann der neue TuS-Coach etwas Zeit für uns, dies aber auch scheinbar nicht unbedingt mit größter Begeisterung. Fazit nach dem Termin: das kann ja was werden in der nächsten Saison. Springen wir jetzt in den Mai 2020. Ergebnis: es wurde etwas. Mit einer kurzen Unterbrechung war Christoph Kämper acht Jahre Cheftrainer beim TuS Gehlenbeck. Und in dieser Zeit hat der 55-Jährige beim TuS einiges bewegt. Und auch ich kann sagen, ich habe Christoph in dieser Zeit völlig anders kennengelernt als bei unserem ersten Aufeinandertreffen im Juli 2012.

Ende Mai hätte Kämper, selbst bekennender „Schöngeist“ und Fan klassischer Musik, seine Trainerkarriere beendet. Bereits im Sommer des letzten Jahres hatte er das bekanntgegeben. Aber dieser sicherlich besonders emotionale Moment wird Christoph Kämper jetzt genommen. Durch das Coronavirus gibt es in dieser Saison keine Spiele mehr. Und so wird der Abschied eher still, leise und ohne große Emotionen ablaufen. „Der Tag des Saisonabbruchs deutete sich ja länger an. Aber auch ich habe es immer vor mir hergeschoben. Selbst wenn es eigentlich klar war, dass nicht mehr gespielt werden kann, war man immer noch auf einer „Hab-Acht-Stellung“. Deswegen habe ich mich auch noch nicht an die Mannschaft gewendet. Das wird in den nächsten Tagen sicherlich der Fall sein“, so Kämper. Der Mitarbeiter des Mindener Gesundheitsamtes hatte schnell Gewissheit darüber, dass Fußball in dieser Saison kein Thema mehr sein würde. „Wir hatten eine gute Vorbereitung und auch die Hoffnung, das Titelrennen noch einmal spannend zu gestalten. Es ist sehr bedauerlich, dass wir Preußen Espelkamp II nicht noch einmal herausfordern konnten“, erklärt Christoph Kämper. So wird der TuS Gehlenbeck die Saison jetzt vermutlich als Tabellenzweiter beenden.

Der Start von Christoph Kämper beim TuS Gehlenbeck war, gelinde gesagt, ausbaufähig. Obwohl der dreifache Familienvater von Beginn seiner Amtszeit ein klares Ziel vor Augen hatte. In Zusammenarbeit mit den anderen Verantwortlichen wie Michael Ramroth, Dirk Henning oder Dietmar Manske war das erklärte Ziel, den „Gehlenbecker Weg“ zu gehen. Heißt: Eigene Jugendspieler im Verein behalten und ehemalige TuS-Spieler nach Gehlenbeck zurückzuholen. Folgende Aussage aus dem Juli 2012 wurde beherzigt und umgesetzt: „Wir planen, gerade den jungen Spielern eine Perspektive bieten. Es kann nicht angehen, dass immer wieder junge Spieler vor dem Sprung in den Seniorenbereich den Verein verlassen. Wir wollen in Zukunft eine noch engere Verzahnung zwischen Senioren- und Jugendbereich schaffen“, hatte Christoph Kämper bei seinem Amtsantritt verlauten lassen. Nach acht Jahren Tätigkeit lässt sich klar sagen: Mission erfolgreich beendet.

Grund genug, um noch einmal auf acht Jahre Christoph Kämper und den TuS Gehlenbeck zurückzublicken.

… der Start

„Es war von Beginn an klar, dass wir an den Strukturen im Verein etwas ändern müssen. Die erste Mannschaft war über Jahre ein eigener Planet. Eine Verzahnung mit der Zweiten oder den Jugendmannschaften gab es nicht. Hier musste ein Umdenken stattfinden. Aber es war auch ein steiniger Weg. Gleich in der ersten Saison sind wir abgestiegen. Sicherlich nicht der Start, den man sich als Trainer in seiner ersten Station im Seniorenbereich wünscht. Es wäre wohl auch nachvollziehbar gewesen, wenn danach jemand vom Vorstand gekommen wäre und hätte gesagt, Christoph, das war es jetzt. Es war ein Makel, der Trainer zu sein, mit dem die erste Mannschaft seit über 30 Jahren aus der Kreisliga A absteigt“.

… der sofortige Wiederaufstieg

„Von Beginn an haben wir den Jungs vermittelt, dass wir einen modernen Fußball spielen. Das war auch im Abstiegsjahr schon der Fall. Damals war die Mannschaft sehr jung und unerfahren. Der Abstieg war sicherlich nicht das, was man gebraucht hat. Aber danach sofort die souveräne Rückkehr in die Kreisliga A zu schaffen, war grandios. Wir haben viel in der Struktur geändert. Auf junge Spieler gebaut. Auch der Umgangston miteinander ist ein völlig anderer. Das war ganz bestimmt auch ein Schlüssel zum Erfolg. Und wir haben den Jungs vermittelt, dass die ohne Angst trainieren und spielen sollen, denn Angst bringt nur Verunsicherung“.


… der Traineralltag

„Die Arbeit wird unter der Woche gemacht. Am Sonntag wird nur das Ergebnis sichtbar. Mein Ziel war es immer, ein interessantes und anspruchsvolles Training den Jungs zu bieten. Das bedarf einer gezielten Vorbereitung. Die Spieler merken schnell, ob sich auch der Trainer vor den Einheiten seine Gedanken gemacht hat. Und die Jungs haben mir den Jahren komplett vertraut. Am Spieltag stehen wir an der Seitenlinie und die Spieler müssen es richten. Als Trainer versucht man seine Arbeit so gut es möglich ist, zu machen. Aber wir sind keine Zauberer“.

… Trainer von zwei Mannschaften

„Ohne Frage eine sehr stressige Zeit und war so auch nicht geplant. Nach der Trennung von Frank Zapatka wurde ich als Trainer der Zweiten gefragt, ob ich die erste Herrenmannschaft wieder übernehmen kann. Es hat sich aber niemand für die Zweite gefunden. Immer wieder kam die Aussage, ich übernehme doch keinen Tabellenführer. Da kann ich doch nur verlieren. So war ich dann ein Vierteljahr Trainer von zwei Mannschaften. Das war schon maximaler Druck auf dem Kessel. Die Erste durfte nicht absteigen, die Zweite musste aufsteigen. Beides haben wir am Ende geschafft“.


… die Vereinsentwicklung

„Es war unser großes Ziel, die Fußballabteilung zusammenzubringen. Von der ersten Mannschaft bis in den Jugendbereich haben wir versucht, ein Konzept auszugeben. Zudem sind ehemalige Spieler wie Andre Kottkamp oder Christian Lömker wieder nach Gehlenbeck zurückgekommen. Mir hat es immer mehr Spaß gemacht, ehemalige Gehlenbecker zurückzuholen, als externe Spieler zu verpflichten. Mittlerweile ist die erste Mannschaft ein Teil des Ganzen. Spieler engagieren sich im Jugendbereich und viele A-Jugendliche trainieren auch schon bei der Ersten. Dieses Miteinander positiv mitgestaltet zu haben, ist am Ende wichtiger als obere Tabellenplätze“.

… sportliche Highlights

„In erster Linie sicherlich der sofortige Wiederaufstieg in die Kreisliga A. Aber auch den Sieg im Kreispokal gegen den Bezirksligisten BW Vehlage in dieser Saison bleiben immer gespeichert. Aber auch die Achterbahnfahrt in der letzten Saison wird man nie vergessen. Auch die Anspannung bei einem knappen Ergebnis, wenn in der letzten Minute der Gegner noch einmal einen Freistoß aus dem Halbfeld bekommt und man zittert, ob es gut ausgeht, haben die Jahre geprägt“.

Der bitterste Moment der Amtszeit: Der TuS Gehlenbeck verliert das Entscheidungsspiel in der Saison 2012/13 gegen den TuS Levern und steigt in die Kreisliga B ab.
Der bitterste Moment der Amtszeit: Der TuS Gehlenbeck verliert das Entscheidungsspiel in der Saison 2012/13 gegen den TuS Levern und steigt in die Kreisliga B ab. – Foto: Michael Meier

… negative Momente

„Da ist natürlich der Abstieg in meiner ersten Saison zu nennen. Du hast das Gefühl, alles verschwört sich gegen Dich. Auch die letzte Saison war nicht so einfach. Wir haben lange Zeit um die Meisterschaft mitgespielt. Besonders bitter war dabei die Partie am drittletzten Spieltag, wo wir komplett verpfiffen worden sind und uns vielleicht die Meisterschaft gekostet hat. Für mich war das der Moment, um zu sagen, nur noch eine Saison und dann ist Schluss“.

… Musikgeschmack

„Der Rock ´n´ Roll Train von ACDC ist fester Bestandteil in der Kabine geworden. Bei großen Siegen darf ich mir auch mal zwei Titel wünschen. Die Mannschaft hat das mannhaft hingenommen und ausgehalten. Ansonsten gibt es aber keine Alte-Herren-Musik in der Kabine“.

Der "Mann mit der Mütze": mal auf dem Kopf, mal auf dem Boden.
Der "Mann mit der Mütze": mal auf dem Kopf, mal auf dem Boden. – Foto: Michael Meier

… Macke

„Eigentlich wartet der gesamte Anhang jeden Sonntag, wann es wieder so weit, bis die Cappy nach einer vergebenen Torchance oder einem Gegentor wieder in den Dreck geschmissen wird. Ich nehme das überhaupt nicht so wahr. Selbst meine Frau sagt immer wieder, dass das gar nicht geht. Beim Blick auf den Hut muss ich aber ehrlich zugeben, er muss einige Male im Dreck gelegen haben“.

… Stutzen

„Wir haben irgendwann mal gesagt, dass auch beim Training Stutzen anzuziehen sind. Daraus kam aus der Mannschaft: der Trainer hat zwar nicht vorgeschrieben, Stutzen zu tragen, sieht es aber gerne.

Ein gutes Team: Christoph Kämper und Betreuter Norbert Diller. Auch für "Nobbi" ist jetzt Schluss an der Seitenlinie.
Ein gutes Team: Christoph Kämper und Betreuter Norbert Diller. Auch für "Nobbi" ist jetzt Schluss an der Seitenlinie. – Foto: Michael Meier

… der Abschied

„Es wäre sicherlich ein ganz emotionaler Tag im Mai geworden. Diese Emotionen sind jetzt raus und natürlich hätte ich mir einen anderen Abschied von der Mannschaft und dem gesamten Umfeld gewünscht. Aber das ist jetzt halt so. Auch die geplante Gartenparty mit der Mannschaft am 6. Juni wird wohl nicht stattfinden können. Dennoch werden wir sicherlich einen Termin finden, um die tolle Zeit noch einmal gebührend zu feiern.

… was folgt

„Ich werde sicherlich nicht in ein Loch fallen. Dennoch wird mir die Kabine fehlen. Die Mischung aus Schweiß, Bier und Wacholder nach dem Spiel ist nicht schön, macht aber den Amateurfußball aus. Ich werde jetzt mehr Zeit für meine Hobbys wie Museums- und Opernbesuche haben. Mindestens genau so schlimm wie der Saisonabbruch im Fußball war für mich die Absage der Leipziger Buchmesse“.


Lieber Christoph, auf der Zielgeraden unserer „Beziehung“ habe ich noch einmal ganz andere Facetten an dir kennengelernt, von denen ich bislang nichts wusste. Es war immer nett und witzig, mit dir nach den Spielen zu telefonieren. Nach Siegen, aber genauso auch nach Niederlagen. Genieße den Fußball-Ruhestand.
Aufrufe: 02.5.2020, 17:00 Uhr
Michael MeierAutor