2024-04-29T14:34:45.518Z

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Auch Breidenbachs Trainer Steffen Schmitt (links) vermeidet derzeit engen Kontakt im Training, doch er glaubt fest an die Eigenverantwortung seiner Spieler (rechts Julian Kapitza). 	Foto: Nick Fingerhut
Auch Breidenbachs Trainer Steffen Schmitt (links) vermeidet derzeit engen Kontakt im Training, doch er glaubt fest an die Eigenverantwortung seiner Spieler (rechts Julian Kapitza). Foto: Nick Fingerhut

Trainingspause aus Verantwortungsbewusstsein

Hinterländer Fußballvereine denken an die Schwächeren der Gesellschaft und bauen auf den Ehrgeiz der Spieler / Allgemeine Skepsis, dass es Mitte April weitergeht

Hinterland. Die generelle Aussetzung des gesamten Spielbetriebs durch den Hessischen Fußball-Verband, vorerst bis einschließlich 10. April, kam am vergangenen Donnerstag noch für die meisten Aktiven überraschend. Wir haben nach dem ersten von womöglich vielen noch folgenden fußballfreien Wochenenden bei Trainern und verantwortlichen der klassenhöchsten Hinterländer Mannschaften und auch einem B-Ligisten nachgefragt. Wie gehen sie mit der Gefahr des Coronavirus um, wie hinsichtlich der Vorbereitung auf eine womögliche Fortsetzung der Saison?

Steffen Schmitt, Trainer des einzigen Hinterländer Verbandsligisten FV Breidenbach: „Corona-bedingt verzichteten wir bereits seit längerem auf Begrüßungsrituale wie Händeschütteln oder gar Umarmungen. In Breidenbach sind die Sportstätten derzeit geschlossen, aber wir hätten auch selbst den Trainingsbetrieb eingestellt. Das tun wir jetzt seit letzter Woche. Niemand kann derzeit seriös sagen, wie sich das Virus weiter ausbreitet. Stand heute habe ich meinen Jungs nahegelegt, sich selbst in Laufeinheiten fit zu halten. Die Umsetzung dieser Vorgaben brauche ich nicht zu kontrollieren, weil meine Leute eine hohe Eigenverantwortung auszeichnet. Eine entsprechende App, die mancher Verein nutzt, um Laufeinheiten der Spieler im privaten Bereich zu überwachen, ist bei uns nicht nötig. Ich kann mich hundertprozentig auf meine Spieler und deren Eigenmotivation verlassen. Ich sehe schon in ein, zwei Einheiten nach Trainingsfortsetzung, wer nicht genug getan hat, aber das wird nicht passieren, sofern jeder gesund bleibt. Ich erwarte, dass jeder drei richtig kernige Läufe über jeweils 45 Minuten pro Woche absolviert.

Im Prinzip geht es in der aktuellen Situation um zwei wesentliche Komponenten: Erstens hat jeder eine Verantwortung seinen Teamkameraden gegenüber, den bestmöglichen Fitnessstand zu halten. Zweitens sind wir als Sportler keine losgelöste Gruppe. Die Pause für das gemeinsame Fußballtraining ist letztlich nur eine Form der sozialen Verantwortung die jeder von uns hat. Wir wollen und müssen unseren Teil dazu beitragen, dass sich das Virus nicht noch stärker ausbreitet“.

Karsten Plitt, Vorsitzender des gegen den Abstieg aus der Gruppenliga kämpfenden VfL Biedenkopf: „Wir haben von Vorstandsseite und in Abstimmung mit Trainer Vladi Kovacevic entschieden, dass der Trainingsbetrieb vorerst eingestellt wird. Wir überprüfen jetzt ab sofort jede Woche, ob und wann eine Fortsetzung des Trainings möglich sein wird. Als wir diese Entscheidung der Mannschaft gegenüber kommuniziert haben, teilten uns gut 80 Prozent der Spieler mit, dass sie am liebsten weiter trainieren würden. Ein paar Tage später denken unsere Jungs sicher anders darüber: Wir erwarten von unseren Jungs, die Gruppenliga spielen wollen, dass sie jetzt selbst in Laufeinheiten etwas für sich tun. Das kann individuell oder in kleinen Gruppen passieren.

Wir als Vorstandsmitglieder registrieren natürlich, was derzeit in der Welt und in Deutschland passiert. Wenn man Schulen und Kitas schließt, dann sind wir als Fußballverein selbstverständlich auch in der Pflicht, der Ausbreitung des Virus entgegen zu wirken. Selbst unsere Alte-Herren-Abteilung lässt derzeit das Training ausfallen.

In der Kreisoberliga Nord sind die ersten Partien wieder für Ostermontag geplant, zwei davon mit Hinterländer Beteiligung.

Harald Schiebel, Sportlicher Leiter des SV Eckelshausen, der sich im Jahresendspurt vom Tabellenende abgesetzt hatte: „Der Vorstand hat letzte Woche nach Rücksprache mit unserem Trainer Osman Özdemir entschieden, dass wir mit dem Teamtraining aussetzen. Das Ziel kann nur sein, dass sich die Spieler privat mit Lauftraining oder im Fitnessstudion in Form halten und den Fitnesslevel halten, den sie zum Zeitpunkt der Einstellung des Trainingsbetriebs hatten. Generell registrieren wir, dass die Situation immer dynamischer wird und dass derzeit niemand absehen kann, ob es im April weiter geht oder nicht. Wir haben unseren Spielern klar gemacht, dass wir im Fall einer Fortsetzung des Spielbetriebs keine Zeit haben werden, um konditionelle Rückstände aufzuholen. Wer Kreisoberligafußball spielt, dem sollte klar sein, dass er sich auch in einem solchen Fall selbst fithalten muss, um in angemessenem körperlichen Zustand bei einer Fortsetzung zur Verfügung zu stehen.

Die SG Silberg/Eisenhausen absolviert aktuell die erfolgreichste Saison ihrer Geschichte. Florian Pankraz vom Spielausschuss des Tabellenfünften: „Wir halten uns an die Vorgabe des HFV und trainieren nicht, die Spieler stehen selbst in der Verantwortung, ihre Fitness zu halten. Wir haben ins Auge gefasst, in der Woche vor dem 10. April das Training wieder aufzunehmen, aber ich gehe davon aus, dass dann wohl noch nicht gespielt wird. Für uns ist es natürlich schade, dass es vielleicht gar nicht weitergeht. Andererseits haben wir auf dem Platz, auf dem wir stehen, Sicherheit in Sachen Planung für die nächste Saison. Ich fände es schlimmer, wenn wir auf einem Abstiegsplatz stünden und befürchten müssten, dass die aktuelle Tabelle eingefroren wird.

Der Tabellendritte Gladenbacher SC darf nach seinem 2:1-Sieg am 8. März noch auf den Aufstieg hoffen – Trainer Nils Waldschmidt: „Als am Donnerstag alle 20 Minuten neue Meldungen eingingen, habe ich mit Peter Flurschütz (Sportlicher Leiter, Anm. d. Red.) telefoniert und gesagt, wir müssen eine Entscheidung treffen. Uns war beiden klar, dass wir auf keinen Fall trainieren werden. Wir müssen unsere Spieler schützen. Das Wichtigste aber ist, dass wir die Schwächeren der Gesellschaft, die Älteren schützen. Ich habe den Spielern gesagt, sie sollen, so lange es möglich ist, zwei, drei Mal die Woche laufen und Kraft- und Stabilitätsübungen machen. Das kann man auch zu Hause auf einer Isomatte. Klar aber ist, ein gutes Fitnesslevel kannst du so über vier Wochen nicht halten. Wir wissen aber auch gar nicht, auf welches Ziel wir hinarbeiten, können wir im Mai wieder spielen, oder erst im September. Ich rechne damit, dass die Saison abgebrochen wird. Von uns hat doch keiner Ahnung, wir müssen uns darauf verlassen, was die Virologen sagen“.

Auch die SpVgg Frohnhausen, die auf dem aktuell ausgewiesenen Relegationsplatz nach unten steht, hat das Training auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, „obwohl wir nicht unbedingt die Risikogruppe sind“, wie Spielertrainer Daniel Gröb feststellt, „aber wir müssen an die ältere Generation denken. Ich sehe die Sache kritisch: Das ist erst der Anfang der Epidemie. Ich rechne damit, dass am 10. April auf keinen Fall gespielt werden kann, und sehe auch nicht, dass die Runde zu Ende gespielt wird. Ich wüsste nicht, wie sie das managen wollen. Ich gehe von nur drei festen Absteigern aus und glaube daher, dass unser Platz 13 reichen würde. Ich will mir darüber aber auch keinen Kopf machen, ich möchte nur möglichst bald Klarheit haben. Wir müssen ja die neue Saison planen“, sagt Gröb, der am Sonntag selbst nicht untätig war: „Ich habe mit einem Freund Tennis gespielt. Du wirst ja bekloppt, wenn du nur zuhause rumhängst“.

Die SG Dernbach/Wommelshausen hat nach der Winterpause mit dem 3:0 gegen Verfolger Türk Gücü Breidenbach einen Traumstart hingelegt und führt die Tabelle der Kreisliga A Biedenkopf nun mit fünf Punkten Vorsprung an. „Das ist für unseren Verein außergewöhnlich. Wir waren richtig gut vorbereitet und hoffen natürlich, dass wir die Runde zu Ende spielen können“, betont Spielertrainer Benjamin Bender. „Wir Trainer wollen natürlich trainieren, wir alle wollen Fußballspielen. Aber die Gesundheit geht vor, deshalb haben wir erstmal alles auf Eis gelegt. Wir werden uns nun von Woche zu Woche neu unterhalten und vielleicht in zwei Wochen zusammen laufen gehen, wobei der direkte körperliche Kontakt ja nicht gegeben ist. Es ist unrealistisch, dass wir gar nichts machen, wenn es für uns am 18. April weitergeht – wovon ich aber nicht ausgehe“.

Mutlu Aksöz, Trainer des B-Ligisten SG Friedensdorf/Allendorf: Wir haben das Training eingestellt. Das war ein gemeinsamer Beschluss von Vorstand und Trainer als reine Vorsichtsmaßnahme. Nächste Woche setzen wir uns noch einmal zusammen und beraten, wie lange wir mit dem Training aussetzen. Ich kommuniziere mit meinen Spielern über eine Whats-App-Gruppe. Vereinbart ist, dass die Spieler ein bis zweimal pro Woche joggen gehen. Meine private Meinung ist, dass in dieser Saison kaum mehr ein Spielbetrieb möglich sein wird. Sollte absehbar sein, ob und zu welchem Zeitpunkt der Spielbetrieb fortgesetzt wird, dann findet bei uns keine spezielle Vorbereitungsphase analog der Sommer- oder Winterpause mehr statt. Ich kann als Trainer nur darauf hoffen, dass meine Jungs ihre Hausaufgaben erledigen und in guter Verfassung wieder an Bord sind. Ich selbst gehe derzeit joggen und ins Fitnessstudio“.



Aufrufe: 016.3.2020, 22:50 Uhr
Rainer Maaß und Jens KauerAutor