2024-05-10T08:19:16.237Z

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Überflieger: Zuletzt wurde der TSV Wasserburg auf den harten Boden der Realität zurückgeholt. HÜBNER
Überflieger: Zuletzt wurde der TSV Wasserburg auf den harten Boden der Realität zurückgeholt. HÜBNER

Türkgücü, Wasserburg, Bruckmühl & Co. - Das Jahr der starken Aufsteiger

Shoppingkings und Understatement

Schon ist das erste Viertel der Saison in den Amateurligen fast gespielt, erste Tendenzen sind erkennbar. Besonders auffallend: Einige Aufsteiger sorgen in der Region mächtig für Furore. Was zumindest im Fall von Türkgücü München nicht völlig unerwartet kommt.

Bestimmt gibt es nicht wenige, vor allem unter den Damen, die in diesen Wochen kaum einen Menschen mehr beneiden als Robert Hettich. Mal richtig ausgiebig shoppen gehen, ohne groß aufs Geld achten zu müssen, das ist nicht vielen Normalverdienern vergönnt. Außer, man hat vielleicht bei einem Ratespiel in Bayern 3 gewonnen. Hettich, 44, hat das Glück bei einem Fußballverein gefunden, dem es nicht genügt, innerhalb von zwei Jahren aus der Landesliga in die Regionalliga aufgestiegen zu sein. Also hat man gleich mal den Trainer gewechselt, das Logo, den Namen und praktisch die komplette Mannschaft ausgetauscht. Zuletzt verging kaum eine Woche, in der Hettich nicht mindestens zwei neue Spieler vorstellen konnte. Er selbst übrigens wurde vom Kaderplaner zum Geschäftsführer befördert.

Alles neu also bei Türkgücü München. Vom Kader des Bayernliga-Meisters sind gerade mal vier Spieler mit in die Regionalliga gegangen, 23 Neue konnte Hettich (bis heute) präsentieren, darunter Ex-Profis wie Mario Erb, Karl-Heinz Lappe und Marco Holz, dazu mit Ex-Löwe Reiner Maurer einen ziemlich namhaften Trainer. Allzu überraschend also war es nicht, dass der Aufsteiger sofort als einer der heißesten Favoriten auf die Meisterschaft (und damit den diesmal direkten Aufstieg in die 3. Liga) gehandelt wurde. Das ist auch das ehrgeizige Ziel, Hasan Kivran, der Präsident, habe es klar definiert, sagt Hettich: „Mittelfristig soll es weiter nach oben gehen.“

TSV 1880 Wasserburg will sich „in der Bayernliga etablieren“

Dass Türkgücü gleich oben mitspielt, war also zu erwarten. Überrascht hat eher, dass man schon zwei Spiele verloren hat, und das gegen Mannschaften wie Buchbach und Garching, die nun nicht gerade zu den Spitzenteams der Liga zählen. Kann aber passieren, auch hochkarätige Spieler müssen erst zu einer Einheit werden, darauf hatte der erfahrene Coach schon nach der beeindruckenden Vorbereitung hingewiesen und, vielleicht etwas zu vorsichtig, einen „Platz im oberen Tabellendrittel“ avisiert.

Schon das aber wäre für einen „normalen“ Aufsteiger ziemlich frech gewesen, in Wasserburg spricht man lieber davon, sich „in der Bayernliga etablieren“ zu wollen. Dabei aber ist auch Wasserburg alles andere als ein normaler Aufsteiger. In den letzten fünf Jahren war der TSV 1880 immer Aufsteiger, man ist von der A-Klasse bis in die Bayernliga durchmarschiert. Und nannte jedes Mal als Ziel, sich erst einmal in der neuen Liga akklimatisieren zu wollen. Ist aber dann doch immer gleich weitergezogen aufs nächste Level. Und nun ist man nach acht Spielen schon wieder ganz oben dabei, nur die dumme 0:4-Niederlage am Samstag bei Mitaufsteiger Landsberg verhinderte, dass man weiter vor dem Top-Favoriten FC Pipinsried thront (der sich übrigens reichlich mit Spielern von Türkgücü eingedeckt hat, die dort nicht mehr gebraucht wurden).

„Jetzt von der Regionalliga zu sprechen, wäre vermessen“

Wasserburgs Trainer, der Ex-Profi Leo Haas, konnte, man ist ja nicht Türkgücü, die Mannschaft stets nur punktuell verstärken. Was ihm aber offensichtlich immer richtig gut gelungen ist. Vier Spieler seines Kaders haben schon in der A-Klasse für den Verein gespielt, darunter Matthias Haas, der zwar Abwehrchef ist, aber auch Top-Torjäger. In der Torschützenliste der Bayernliga liegt er nur einen Treffer hinter Pipinsrieds Pablo Pigl, siebenmal hat er schon getroffen in acht Spielen. Haas, ein früherer Jugend-Nationalspieler, hat auch schon Regionalliga Bayern gespielt, als 22-Jähriger mit 1860 Rosenheim. Gibt es nun mit 30 eine Rückkehr?

Noch verweist man das ins Land der Fabel, Maxi Höhensteiger, auch ein Ex-Rosenheimer, sagt: „Jetzt von der Regionalliga zu sprechen, wäre vermessen“, zumal man gerade in Landsberg gezeigt hat, dass man vor Rückschlägen doch nicht gefeit ist. Mit Understatement ist man die letzten Jahre immer ganz gut gefahren, selbst im April, bei sattem Vorsprung in der Landesliga, wollte man das Wort „Bayernliga“ noch nicht in den Mund nehmen. Schließlich hat man auch nicht den finanziellen Background, der quasi zum Shoppen einlädt. Man bleibt im Rahmen der eher bescheidenen Möglichkeiten.

SV Bruckmühl sorgt in der Bezirksliga Ost für Furore

Wie auch 40 km südwestlich und zwei Spielklassen tiefer. Auch der SV Bruckmühl ist ein Aufsteiger, der für Furore sorgt: Nach sieben Spielen ungeschlagener Tabellenführer der stark eigeschätzten Bezirksliga Ost. An einen weiteren Aufstieg aber, versichert Trainer Maik Blankenhorn, verschwende hier vorerst keiner einen Gedanken. Man genießt den Moment und die Euphorie im kleinen Ort zwischen Rosenheim und München, bei jedem Spiel, so Blankenhorn, seien mindestens 200 Zuschauer da. „Unser großer Vorteil ist, dass wir eingespielt sind“, Bruckmühl ist damit quasi das Gegenmodell zu Türkgücü, „bis auf ein paar Spieler hat sich der Kader nicht verändert“. Den Trainer allerdings hat man gewechselt, Maik Blankenhorn, einige Jahre sportlicher Leiter am Deutschen Fußball Internat Bad Aibling, rückte vom Co- zum Cheftrainer auf, übernahm von Georg Mühlhammer.

Blankenhorn gilt als Freund des gepflegten Fußballs, auch deshalb, glaubt er, tut sich seine Truppe in der Bezirksliga leichter: In der Kreisliga habe sich jeder Gegner gegen Bruckmühl hinten reingestellt, in der Bezirksliga spielen die meisten mit. Schlüssel des Erfolgs sei aber in erster Linie der Zusammenhalt, viele Spieler machen gemeinsam Urlaub, die Mannschaft ist jung. Aber nicht ganz unerfahren. Charly Kunze zum Beispiel hat schon Regionalliga gespielt, wurde bei 1860 München ausgebildet, hat aber seinen Heimatverein nie vergessen und ist vor vier Jahren zurückgekehrt.

Auch TSV Brunnthal und FC SF Schwaig marschieren in der Bezirksliga

Auch der TSV Brunnthal ist gut damit gefahren, auf seine eingespielte und eingeschworene Aufstiegs-Mannschaft zu setzen. „So was findet man in der heutigen Zeit nicht oft“, sagt Mittelfeldass Luis Fischer. Muss aber kein Nachteil sein, Brunnthal führt die Bezirksliga Süd relativ souverän an. Auch im Norden marschiert ein Neuling vorne weg, die SF Schwaig haben ihre ersten sechs Spiele allesamt gewonnen, auch dank eines prominenten Neuzugangs. Ben Held, früher Top-Torjäger beim SE Freising und in Hallbergmoos, ist als Spielertrainer gekommen und beweist mit seinen sechs Toren in sechs Spielen, dass er auch mit 34 noch nichts verlernt hat.

Dass Aufsteiger eine so gute Rolle spielen, ist eigentlich ungewöhnlich. Meist gelten sie als erste Abstiegskandidaten, in den letzten vier Jahren war unter den Regionalliga-Absteigern immer mindestens ein Aufsteiger. Auch Heimstetten wäre im Sommer direkt wieder zurückgegangen in die Bayernliga, der Abstieg des FC Ingolstadt aus der 2. Liga erst gab dem SVH erst die Chance, über die Relegation die Liga zu halten. „Wir hatten ja schon für die Bayernliga geplant“, gesteht Manager Michael Matejka. Und so ist eigentlich auch Heimstetten ein gefühlter Aufsteiger. Der nach Anlaufschwierigkeiten allmählich in die Spur zu finden scheint.

Bei Lukas Riglewski vom SV Heimstetten „ist der Knoten geplatzt“

Auch, weil Lukas Riglewski wieder trifft. Mit drei Toren glänzte der Goalgetter, letzte Saison mit 17 Treffern drittbester Torjäger in der Regionalliga, beim triumphalen 6:1 in Rosenheim. „Der Knoten ist geplatzt“, freute sich Riglewski, der in den ersten fünf Spielen torlos geblieben war. Im Pokal bei Türkspor Augsburg legte er, obwohl erst nach gut einer Stunde eingewechselt, gleich noch zwei Treffer zum 3:1-Erfolg nach, auch beim 1:3 gegen Schalding traf er. Es läuft wieder, zumindest bei ihm. Vielleicht bald so gut, dass Robert Hettich auf seiner Shopping-Tour an Riglewski nicht mehr vorbeikommt. Vorerst aber hat er ja mit Patrick Hasenhüttl und Karl-Heinz Lappe schon zwei Top-Torjäger geholt. Lappe aber ist 31, Riglewski erst 25. Er könnte schon in Hettichs Beuteschema passen.

Aufrufe: 028.8.2019, 09:24 Uhr
Münchner Merkur / Reinhard HübnerAutor