2024-05-08T14:46:11.570Z

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Sehnsucht nach packenden Derbyszenen: Jannik Pleuger (l.) wird beim Eltviller 2:0 über Biebrich von den 02-Akteuren Mika Hönig (Nr. 8) und Jan Löwer gestört.
Sehnsucht nach packenden Derbyszenen: Jannik Pleuger (l.) wird beim Eltviller 2:0 über Biebrich von den 02-Akteuren Mika Hönig (Nr. 8) und Jan Löwer gestört. – Foto: René Vigneron

Keine Angst vor finanziellem Kollaps

Warum die Fußball-Verbandsligisten Biebrich 02 und Spvgg. Eltville derzeit nicht um ihre Stabilität bangen müssen

Wiesbaden. Es ist auch eine Facette des Stillstands in den Spielklassen der Amateur- und Jugendfußballer. „Wir sparen im Moment einiges an Aufwand ein“, sagt Malte Christ, Sportlicher Leiter des FV Biebrich 02, der neben der Verbandsliga-Mannschaft und dem A-Liga-Unterbau ein Alt-Herren-Team und stattliche 22 Nachwuchsmannschaften unter seinem Dach vereint. Doch die derzeit gesparten Ausgaben sind kein Trostpflaster. Christ sehnt – wie alle 02er – das Ende der erzwungenen Auszeit herbei und trägt gleichzeitig der Realität Rechnung. Bis zum Sommer werde der Spielbetrieb wohl auf jeden Fall noch ruhen, glaubt er.

Obwohl die Dyckerhoff-Anlage vom täglich pulsierenden Sport- und Begegnungsfixpunkt zum Geisterort geworden ist, sind die Biebricher guter Dinge, die Krise zu überstehen, als Gemeinschaft wie auch in finanzieller Hinsicht. „Wir pflegen einen guten Kontakt zu unseren beiden zuverlässigen Hauptsponsoren, auf die wir zählen können. Aber es kann passieren, dass uns kleinere Sponsoren wegbrechen werden“, erläutert Christ. Um die Zukunft der ersten Mannschaft, die in Hessens zweithöchster Klasse das Aushängeschild des Vereins ist und deren Spieler keine festen Aufwandsentschädigungen erhalten, ist ihm nicht bange. Bereits vor der Corona-Krise und vor der Einigung mit Chefcoach Nazir Saridogan und Co-Trainer Savas Saridogan für die Spielzeit 2020/21 – wann immer sie beginnen kann – habe man mit den Spielern gesprochen. Die Stammkräfte Orkun Zer, Sebastian Gurok, Moritz Christ, Steve Wagner, Christian Kunert stünden stellvertretend für die Garde derer, die Bereitschaft zum Verbleib bei den „Blauen“ signalisiert hätten. „Wir sind relativ weit mit der Kaderplanung, wollen uns letztlich von Keinem trennen und haben ein Auge auf eventuelle Zugänge. Doch wir müssen abwarten, weil keiner weiß, wie und wann es weitergeht“, schildert Malte Christ, der in seinem Dentallabor momentan nicht über einen Mangel an Aufträgen klagen kann.

Davon abgesehen hofft er auf baldige Entscheidungen, ob die Anfang März unterbrochene Saison 2019/20 noch zu Ende gebracht werden soll oder der Abbruch unumgänglich sein wird: „Egal, in welche Richtung entschieden wird. Die Vereine müssen wissen, woran sie sind. Das darf sich nicht noch ein, zwei Monate hinziehen.“

So oder so – Christ ist sicher, dass mit dem Neustart in puncto Spieler-Salär ein genereller Wandel im Amateurfußball erfolgen wird: „Die Spieler werden sich daran gewöhnen müssen, dass es weniger oder gar nichts mehr gibt. Oder allenfalls noch auf leistungsbezogener Ebene. Das wird definitiv kommen. Vielleicht hat das auch den Effekt, dass die Zeit der Preistreiberei ein Ende hat.“

Nach zwei Aufstiegen in Folge zog die Corona-Krise bei den Senkrechtstartern der Spvgg. Eltville Anfang März den Stecker. Nichts regt sich seitdem mehr im Emil-März-Stadion am Wiesweg, wo sich sonst neben der in die Verbandsliga durchgestarteten ersten Mannschaft die in die Kreisoberliga aufgestiegene zweite Garnitur und 13 Jugendteams tummeln.

Ein Ort, der für Vereinschef Thorsten Lang ansonsten zum zweiten Zuhause geworden ist. Denn der Vorsitzende ist keiner, der vom Schreibtisch dirigiert, sondern als Coach der Gruppenliga-C-Junioren und der E1 selbst mittendrin im Geschehen mitmischt. „Wir haben keine Fußballcamps, kein Pfingstturnier sowie keine Zuschauer- und Vereinsheim-Einnahmen, müssen aber weiter unseren Verpflichtungen nachkommen. Die kurzfristig entstanden Löcher haben wir mit Spenden stopfen können und den Großteil der in unserem Einflussbereich entstandenen Kosten hat unser Kassierer Gerhard Schöppler auf ein Minimum gesenkt. Derzeit kann ich sagen: Wir werden irgendwie durchkommen", umreißt Lang die Lage aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten.

„Alle Spieler verzichten während der Pause auf alle Zuwendungen“

Zumal Thorsten Becht als Coach des Verbandsliga-Teams in Verbindung mit dem für die Kreisoberliga-Formation zuständigen Sven Klärner (beide hatten vor Corona bereits für 2020/21 verlängert) und dem Mannschaftsrat in schweren Zeiten ihre Verbundenheit zum Verein untermauerten, streicht Steuermann Lang heraus: „Alle Spieler sind kein bisschen auf sich selbst bezogen und verzichten während der Pause auf alle Zuwendungen. Da bekomme ich teilweise Gänsehaut, wie stark das ist. Das macht mich stolz, diesen Laden anzuführen."

Den Laden am Leben erhalten, das bleibt die Devise. Dabei spielen die Vereinsbeiträge der rund 400 Mitglieder, die knapp ein Drittel der Einnahmen ausmachen, als einzig verbliebene Einnahmequelle eine gewichtige Rolle. Zum 1. Januar hatten die Eltviller die Beiträge, nach vorheriger intensiver Diskussion und anschließendem klarem Mehrheitsbeschluss auf bis zu 20 Euro im Monat angehoben, um in der Jugend durchgängig qualifizierte Trainer zur Verfügung stellen zu können.

18 Mitglieder hätten sich daraufhin Ende 2019 abgemeldet, bekennt Lang. Dagegen standen aber 34 Eintritte. Es werde aber nicht daran gedacht, die Erhöhung angesichts der Corona-Pause zurückzunehmen. „Neben all den Effekten, die das gegebenenfalls auf die Gemeinnützigkeit hätte, sind das Mittel, die wir einfach auch brauchen. Nichtsdestotrotz werden auch wir die vom Land Hessen zugesagten Hilfen und weitere in Aussicht gestellte Spenden in Anspruch nehmen müssen", bekräftigt Lang.

Aus seiner Sicht macht eine Fortsetzung der Saison 2019/20 kaum Sinn: „Ich würde den Verantwortlichen gerne zurufen: Spielt nicht zu Ende, macht einen klaren Schnitt. Den aktuellen Ersten aufsteigen lassen und auf Absteiger verzichten, bis auf diejenigen, die aus eigenen Antrieb eins runter wollen, das wäre Langs Ansatz für den Fall eines vorzeitigen Saisonendes. Nicht nachvollziehen kann Lang als ehemaliger Unternehmer, dass die Bundesliga-Profis zwar Gehaltskürzungen von zehn bis 20 Prozent in Kauf nehmen, aber nicht bereit waren oder sind, in Kurzarbeit zu gehen. „Was wäre das für ein Zeichen der Hochbezahlten, wenn sie das über einen begrenzten Zeitraum mit dem Höchstsatz von 4623 Euro monatlich akzeptieren würden."

Aufrufe: 05.5.2020, 18:00 Uhr
Stephan NeumannAutor