2024-05-10T08:19:16.237Z

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Nachwuchsfußball in den 1980ern – war er tatsächlich besser? Vermutlich nicht, aber sicher nicht so kompliziert. Das Bild stammt aus dem Jahr 1985, und im Tor steht Stefan Erl, der gerade mit seiner E-Jugend des TSV Baar gegen den TSV Paunzhausen den Elfmeter zum 2:3-Endstand kassiert.
Nachwuchsfußball in den 1980ern – war er tatsächlich besser? Vermutlich nicht, aber sicher nicht so kompliziert. Das Bild stammt aus dem Jahr 1985, und im Tor steht Stefan Erl, der gerade mit seiner E-Jugend des TSV Baar gegen den TSV Paunzhausen den Elfmeter zum 2:3-Endstand kassiert. – Foto: privat

Jugendleiter erklärt Sonderweg bei Altersgruppen in Donau/Isar

Jünger, flexibler, komplizierter

Im Interview erklärt Stefan Erl, Kreisjugendleiter im Kreis Donau/Isar, warum künftig eine andere Alterseinteilung gilt als im Rest Oberbayerns.

Freising – U19-Kicker in der A-Jugend-Bezirksoberliga, aber U18-Fußballer in der Kreisliga, und Großfeld erst ab der B-Jugend – das gilt künftig für den Fußball in Freising, Erding, Pfaffenhofen und Ingolstadt, die im Kreis Donau/Isar zusammengefasst sind. Die Vereine dort haben sich generell für die Altersabsenkung um ein Jahr entschieden (wir berichteten). In München, aber auch im östlichen und südlichen Oberbayern bilden dagegen weiterhin zum Beispiel die U 14 und U 15 die C-Jugend – und nicht wie im Kreis Donau/Isar die U 14 und die U 13. Und bei den Juniorinnen bleibt überall alles gleich. Wie konnte es zu diesem Altersklassen-Fleckerlteppich kommen? Und wie geht es jetzt weiter? Wir fragten nach bei Stefan Erl. Der 46-Jährige ist Kreisjugendleiter im Kreis Donau/Isar.

Herr Erl, die Altersklassen im Nachwuchsfußball verändern – warum wird so eine wichtige Entscheidung nicht mindestens für den gesamten Bezirk Oberbayern gefällt?

Solche Beschlüsse sollen in den Kreisen durch die Vereine an der Basis gefasst werden. Im Bezirk hätten wir die Altersabsenkung nur durchsetzen können, wenn sich alle Kreise dafür ausgesprochen hätten. Die Münchner Vereine haben sich zu Beginn der Workshops schon zuvor klar dagegen ausgesprochen.

Dann nimmt man lieber diesen Fleckerlteppich in Kauf?

Natürlich wäre es schöner, wenn so ein Projekt einheitlich läuft. Ich hoffe und denke, dass dies kein Dauerzustand ist.

Seit 1994 ist der 46-jährige Stefan Erl im Jugendbereich aktiv und seit 2017 Kreisjugendleiter im Kreis Donau/Isar. Das Bild zeigt ihn gemeinsam mit BFV-Vize Jürgen Pfau (l.) und Oberbayerns Fußballchef Robert Schraudner (r.) bei der Ehrung für seine 20-jährige Tätigkeit als BFV-Spielleiter.

Was heißt das?

Bei der Altersabsenkung handelt es sich um eines der Projekte des Fußballverbands, die immer zeitlich befristet sind. Genauer gesagt auf drei Jahre. Nach zwei Jahren wird man aber sicher schon eine Bewertung machen können. Ideal wäre es natürlich, wenn die anderen Kreise dann doch noch nachziehen würden und es einheitlicher wird. Die Befristung bedeutet nicht, dass es automatisch nach drei Jahren zurück zum Ursprung geht.

Was machen eigentlich Vereine, die in Spielgemeinschaften mit Clubs aus anderen Kreisen sind?

Grenzüberschreitende Spielgemeinschaften können sich aussuchen, wo sie melden und wie sie spielen. Wir versuchen, das möglichst flexibel für die Vereine zu gestalten.

Wie sehen Sie persönlich die Altersabsenkung?

Sie ist sinnvoll. Ich halte die U 16 und U 18 bei der B- und A-Jugend für die geeigneteren Abschlussjahrgänge. Sobald die Jungs älter sind, wollen viele lieber bei den Herren spielen oder sind wegen des Studiums in anderen Städten. Wir wissen aus Erfahrung: Die U 19-Spieler werden oft nur aus vereinsinternen Gründen in der A-Jugend gehalten. Vor allem in der Kreisklasse und Gruppe. Früher hatten wir auch die U 18 als Abschlussjahrgang. Da galt der 1. August als Stichtag. Das wurde jedoch 1997 deutschlandweit an die internationalen Gegebenheiten angepasst. Zudem halte ich eine C-Jugend mit U 14 und U 13 von der körperlichen Entwicklung her für harmonischer als in der U 15 und U 14, wo die Unterschiede meist größer sind. Wir sollten das gemeinsam, also Vereine und Verband, als Chance sehen, und die Herausforderungen bestmöglich lösen.

„Es gab auch 15 Vereine, die ihre Stimme nicht abgegeben haben, weil sie sich intern nicht einig waren.“

Nochmal zurück zum oberbayerischen Fleckerlteppich. Das ist ja wohl in Bayern einzigartig, oder?

Keinesfalls. Es ist definitiv auch so in Oberfranken und wird sehr wahrscheinlich auch in Niederbayern so kommen.

Aber die Vereine, die auf Bezirksebene spielen, bekommen zwangsläufig Probleme.

Ja, das stimmt. Bezirksoberliga und Kreisliga passen nicht mehr zusammen. Wenn man aufsteigt, ist es eher noch ein Vorteil, weil man dann mit der Aufstiegsmannschaft weiterspielen kann. Vereine, die nur einen Teil der Teams in der BOL oder höher haben, haben die größere Herausforderung bei der Meldung. Das bringt für die betroffenen Vereine Schwierigkeiten mit sich.

Welche Möglichkeiten sehen Sie da noch?

Mit diesen Vereinen werden wir vor der Meldung sprechen und die beste Lösung suchen, soweit das gewünscht ist. Insgesamt sind die Vereine inzwischen durch die Meldeligen flexibler. Bis zur Kreisliga können sie ja ihre Mannschaften aufgrund ihrer eigenen Einschätzung für die Spielklasse melden.

Kommen wir zur Abstimmung selbst. Nur 109 der aufgerufenen 158 Vereine haben sich beteiligt. Ist das nicht enttäuschend?

Das muss man differenziert betrachten. Von einigen Vereinen, die sich nicht gemeldet haben, bin ich schon etwas überrascht. Da will ich aber keine Namen nennen. Es gab aber auch 15 Vereine, die ihre Stimme deshalb nicht abgegeben haben, weil sie sich intern nicht einig waren. Ich kenne Fälle, da waren Vorstand und Jugendleitung grundsätzlich dafür, aber die Trainer waren dagegen, weil sie gerade eine starke A- oder B-Jugend haben, die sie nicht auseinanderreißen wollen. Manchmal wird halt leider nur an den kurzfristigen Erfolg gedacht, allerdings auf beiden Seiten, bei Befürwortern und Skeptikern. Die überwiegende Mehrheit macht sich aber schon viele Gedanken bezüglich der Zukunft. Dies hat man bei den Workshops und den Online-Versammlungen und Telefongesprächen dazu gesehen. Leicht hat sich das mit Sicherheit niemand gemacht.

120 Vereine haben sich an den Online-Meetings beteiligt

Woraus schließen Sie das? Wie gesagt, es haben nur gut zwei Drittel aller Vereine abgestimmt.

Allein an unseren Online-Meetings haben sich gut 120 Clubs beteiligt. Ich habe auch noch sehr viele Anrufe und Mails bekommen. Die Vereine schauen schon auf ihren Nachwuchs. Der Vorschlag, in der C-Jugend Neun gegen Neun spielen zu lassen, entsprang zum Beispiel aus einem unserer Workshops.

Hat es Sie nicht trotzdem überrascht, dass sich die Mehrheit dafür entschieden hat?

Im Gegenteil. Ich war sogar überrascht, dass es am Ende mit 52,3 Prozent so knapp wurde. Ich hatte aufgrund der Rückmeldungen und Gespräche hier mit einer weit deutlicheren Mehrheit gerechnet.

Aber ist es nicht problematisch, dass künftig das Großfeld erst mit der B-Jugend beginnt? Es sind dann nur noch vier Jahre, bis es zu den Herren geht.

Ich weiß. Zu meiner Jugendzeit waren es dagegen noch acht Jahre. Da kam man von der E sofort in die D aufs große Feld. Ich will jetzt da noch nicht vorgreifen, aber vielleicht können wir ja doch parallel beides anbieten: Großfeld und 9:9. Das hängt natürlich auch davon ab, wie viele Mannschaften in der C-Jugend zur Verfügung stehen. Das werden wir im Februar mit den Clubs diskutieren. Größere Vereine stellen ja auch öfter zwei Mannschaften in dieser Altersklasse. Da könnte dann eine auf Großfeld, die andere auf dem Kompaktfeld spielen. Aber wie gesagt: Da will ich noch nichts versprechen, und es hängt auch vom Wunsch der Vereine ab.

Wie war das Abstimmungsverhalten insgesamt? Gab es Unterschiede? Zum Beispiel zwischen den Vereinen im Freisinger und Erdinger Raum?

Nein, es gab kein Nord-Süd-Gefälle oder Ähnliches. Was man sagen kann, ist, dass die eher kleineren Vereine noch mehr für die Altersabsenkung waren wie Vereine mit mehr Teams und der dadurch meist entsprechend größeren Anzahl an Jugendlichen. So kam dann auch die deutlichere Zwei-Drittel-Mehrheit zustande, die für die Änderung der Altersstruktur notwendig war. Bei den größeren Vereinen war das Verhältnis ziemlich genau 2:1.

Was ist eigentlich mit den Projekten fürs Kleinfeld, den Spielformen mit drei oder vier Spielern?

Da bin ich zuversichtlich. Ich habe schon sehr viele Mails erhalten von Vereinen, die Funinho ausprobieren wollen. Jetzt müssen wir aber erst mal schauen, wann wir coronabedingt überhaupt wieder auf den Platz dürfen. Wenn das absehbar ist, dann werden wir die Vereine anschreiben und die ersten Turniertage vereinbaren. Ich sehe hier schon viel Potenzial und Interesse der Vereine, bei den bis zu Zwölfjährigen mit kleineren Spielfeldern und mehr Ballkontakten der Spieler dadurch neue und/oder zusätzliche Wege – sprich Angebote – zu gehen. In diesem Bereich kam ebenfalls sehr viel Rückmeldung bei den Online-Terminen und Workshops im vergangenen Jahr.

Zur Person

Stefan Erl ist 46 Jahre alt und beruflich Einkäufer und Einkaufscontroller. Als Fußball-Torwart war er von 1983 bis 2017 aktiv beim TSV Baar-Ebenhausen und TSV Reichertshofen, „wobei ich die letzten neun Jahre nur noch in der AH und als Aushilfe in der Zweiten im Einsatz war“, wie er sagt. Seit 1994 ist er ehrenamtlich im Jugendbereich aktiv, seit 2000 Mitglied in der Kreisjugendleitung und seit 2017 Kreisjugendleiter.

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Aufrufe: 09.2.2021, 16:04 Uhr
Freisinger Tagblatt / Dieter PriglmeirAutor