2024-05-08T14:46:11.570Z

Im Nachfassen
Archivbild
Archivbild – Foto: Manfred Gembalies

Bremerhavens Fußball zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Das Thema des Monats präsentiert von Gewürze Büchel: So steht es um Bremerhavens Fußball +++ Eine Bestandsaufnahme in 5 Kapiteln

Der Bremerhavener Fußball trat in den letzten Jahren weitestgehend auf der Stelle und hat im Vergleich mit dem Landkreis Cuxhaven nicht immer den besten Ruf. Warum dies der Fall ist, haben wir mit zwei Trainern diskutiert, die beide Seiten kennen: Roman Opalka und Yusuf Sahin. Zudem sprechen wir über gemachte Fehler, vorhandendes Potenzial und die Zukunftsaussichten in der Seestadt.



Identifikation

Rein von der Spielstärke her seien die Differenzen zwischen Bremerhaven und Landkreis nicht besonders groß, weiß Roman Opalka (aktueller Trainer des TV Langen), der unter anderem den OSC Bremerhaven und FC Sparta Bremerhaven in Bremerhaven und im Landkreis einige Jahre den FC Land Wursten trainiert hat. Deutlich erkennbar sind dagegen Unterschiede im Bereich der Identifikation mit dem Verein. Yusuf Sahin, Trainer des OSC Bremerhaven und zuvor über vier Jahre beim FC Land Wursten im Amt, erkennt im Landkreis eine höhere Verbundenheit mit dem Verein: „Den Spielern ist die Gemeinschaft und das Drumherum sehr wichtig." Spieler wie Stephen Zander, der sein ganzes Fußballerleben bislang bei der Leher TS verbrachte, seien in Bremerhaven eine Ausnahme. Dies setzt sich auch beim Publikum fort, denn die Zuschauerzahlen im Landkreis Cuxhaven liegen deutlich höher. Hervor sticht der FC Hagen/Uthlede, der in der Vorsaison über 500 Fans pro Oberliga-Begegnung begrüßten durfte. Den Höhepunkt stellte das Derby gegen Atlas Delmenhorst dar, als über 1200 Zuschauer auf dem Sportplatz an der Blumenstraße einen Hexenkessel entstehen ließen. Von ähnlichen Zahlen wird in Bremerhaven hingegen nur geträumt. Auch zu Bremen-Liga-Begegnungen erscheinen meist nur rund 100-150 Zuschauer. Eine Ausnahme bilden die Stadtduelle. So bedankte sich die SFL Bremerhaven zum Bremen-Liga-Auftakt gegen die Leher TS bei über 800 Personen für das Zusehen. Ohnehin haben die „Heidjer" in Bremerhaven wohl den höchsten Zuschauerschnitt, was wohl auch mit einer seit Jahren aus vielen Konstanten bestehenden und erfolgreichen Mannschaft zusammenhängt.

Bessere Bedingungen - Bessere Ausbildung

Die klar besseren Trainingsmöglichkeiten haben die Bremerhavener Vereine. Inzwischen stehen sechs fertiggestellte Kunstrasenplätze in der Seestadt. Erst im Dezember eröffneten die TSV Wulsdorf und SFL Bremerhaven ihre Ganzjahresplätze. Ebenfalls einen Kunstrasen nutzen können die Leher TS, OSC Bremerhaven, ESC Geestemünde und TuSpo Surheide. Davon profitiert auch die Nachwuchsarbeit. So schaffen es laut Opalka der leistungsorientiert arbeitende JFV Bremerhaven und auch TuSpo Surheide immer wieder begabte Kicker aus dem Landkreis für sich zu gewinnen, um die Qualität in ihren Kadern zu erhöhen. Zudem sei angesichts des kleineren Bundeslandes die Chance, in die Junioren-Regionalligen vorzustoßen, immer vorhanden, wo die Spieler besser ausgebildet werden und gut gerüstet in den Herrenbereich gehen können.

Einen Kunstrasenplatz kann der gesamte Landkreis Cuxhaven bislang noch nicht bieten. Yusuf Sahin sieht dafür die Vereine, die mit ihren geringeren Mitteln „ökonomischer und effizienter umgehen." So werde immer wieder eine Perspektive geschaffen, um Spieler langfristig an den Verein zu binden. Einfacher arbeiten ließe es sich natürlich mit ganzjährig bespielbaren Plätzen. Diese sind auch bereits in Planung. In der Stadt Cuxhaven sollen gleich zwei gebaut werden. Am Strichweg II und in Groden sollen sie entstehen. Den ambitionierten Cuxhavener Trainern wie Mentor Grapci oder Oliver Stepniak dürfte diese Tatsache einige Schweißperlen von der Stirn treiben, denn oftmals mussten sie ihre Kicker von Oktober bis März mit nur wenigen Einheiten auf Rasen in Form halten, da die Stadt bei schlechterem Wetter nur selten mit Platzsperrungen zögerte. Dorfvereine entscheiden dagegen meist eigenständig über die Bespielbarkeit des Platzes, was für Roman Opalka ein entscheidender Vorteil bei der Trainerarbeit ist. In den Gemeinden Loxstedt und Hagen befinden sich zudem die Planungen für ein Polygras-Spielfeld in der Endphase.

Geringer Erfolg in den vergangenen Jahren

Mit über 100.000 Einwohnern und besten Trainingsbedingungen scheint der Bremerhavener Fußball vermeintlich für mehr geschaffen, als nur die Fünftklassigkeit. Zu merken war davon in den letzten Jahren allerdings nur wenig. In der Bremen-Liga spielten die Vereine im Titelrennen keine Rolle, was laut Sahin mit „fehlenden Ambitionen und Strukturen" zu begründen ist. Es seien nicht immer nur monetäre Dinge das Problem. „Trainer und sportliche Leiter müssen das nötige Know-How mitbringen, damit der Bremerhavener Leistungsfußball weiter vorangetrieben werden kann und den ehrgeizigen Spielern eine Perspektive angeboten werden kann." Es sei Vereinsaufgabe, qualifizierte Trainer zur Verfügung zu stellen - gerade im Jugendbereich. Verbunden mit einem sinnvollen Konzept könne sich der Fußball positiv weiterentwickeln. Für die Umsetzung wird jedoch auch finanzielle Unterstützung benötigt. Sowohl Roman Opalka als auch Yusuf Sahin sehen hier große Probleme, denn sowohl die Unternehmen als auch die Stadt unterstützen mit Eishockey (1.Liga) und Basketball (2.Liga) zwei Sportarten, die den Seestadtfußball deutlich in den Schatten stellen. Der Spielraum für drei Spitzensportarten sei in Bremerhaven wohl nicht vorhanden.

Der 48-jährige Opalka sieht in finanziellen Aspekten eindeutig die Hauptrolle, um Erfolg im leistungsorientierten Herrenfußball zu haben. „Ist ein Verein in der Lage, die stärksten Spieler über mehrere Jahre zu bezahlen, dann ist er in der Lage Titel zu holen." Dieses Prinzip sei allerdings schon immer der Fall gewesen und würde wohl auch in der Zukunft bestehen bleiben. Aktuell ist der im Sommer in die Landesliga abgestiegene OSC Bremerhaven dank der Unterstützung des Hamburger Kaufmannes Bernd Günther finanziell wohl am stärksten aufgestellt. Erst zu Jahresbeginn konnte Justin Dähnenkamp vom Regionalligisten VfB Oldenburg ans Nordseestadion gelockt werden. Der ambitionierte Mäzen Günther hat den Sprung in die Viertklassigkeit im Blick. Roman Opalka hält das Erreichen der Regionalliga nur für möglich, wenn „sportliche Kompetenz und ein finanzielles Gerüst, das nicht nur von einer Person abhängig ist, aufeinandertreffen." Zudem werde auch die Hilfe der Stadt benötigt, die zumindest mit der Unterstützung von 4,5 Millionen Euro Bundesfördergeldern bald das Nordseestadion sanieren wird.

Zu viel Konkurrenz untereinander ?

Im Sommer wird der OSC Bremerhaven - bei Abrufung seines Leistungsvermögens - aller Voraussicht nach in die Bremen-Liga zurückkehren. Damit würden vier Bremerhavener Vertreter in Bremens höchster Spielklasse an den Start gehen. Dieser Umstand wird das Anlocken der ohnehin immer weniger werdenden Spieler für die Vereine wohl noch einmal erschweren. Yusuf Sahin sieht darin kein Problem: „Wer seine Hausaufgaben macht, der braucht keine Angst vor der Konkurrenz zu haben." Zudem freue er sich - wie die meisten Beteiligten - über die höhere Anzahl an Derbys, die aufgrund der weit über dem Durchschnitt liegenden Zuschauerzahlen immer über eine besondere Brisanz verfügen. Roman Opalka hat darauf eine etwas andere Sichtweite. Grundsätzlich seien vier Bremerhavener Bremen-Ligisten eine gute Sache, allerdings hält er es für schwer vorstellbar, dass ein Verein in dieser Konstellation um die Meisterschaft spielt, da sich die besten Spieler der Gegend in zu vielen Vereinen aufteilen.

Zukunftsaussichten

Ob sich in Zukunft etwas am Vorgehen der Bremerhavener Vereine ändern wird, bleibt fraglich. Yusuf Sahin fordert „eine viel engere Zusammenarbeit untereinander". Nur mit Kooperation sei es möglich, die Attraktivität des Bremerhavener Fußballs steigen zu lassen. „Wenn die Begeisterung wieder groß ist, profitieren alle Vereine", so Sahin, der mit dem OSC Bremerhaven das derzeit wohl ambitionierste Projekt der Stadt betreut. Ähnlich blickt Roman Opalka in die Zukunft: „Ein Herrenverein, der die leistungsstärkten Spieler in seinen Reihen hat, sportlich und finanziell vernünftig geführt wird und die städtische Unterstützung erhält, hätte das Zeug, sich in der Regionalliga zu etablieren." Auch im Jugendbereich wünscht er sich mehr Zusammenhalt unter den Vereinen. Der JFV Bremerhaven, aktuell aus der Leher TS und SFL bestehend, müsse erweitert werden, sodass ein Verein im Leistungsfußball den Ton angibt. Aktuell hat der JFV mit TuSpo Surheide einen großen Konkurrenten im Kampf um die größten Talente, der ihm Nachwuchsbereich in den letzten Jahren etwas den Rang abgelaufen hat. Ein Vorbild könnte für beide Vereine der neugegründete JFV Cuxhaven sein. Ab der Saison 2020/2021 gehen gleich sechs Cuxhavener Vereine von der U12 an (Eintracht Cuxhaven, Rot-Weiss Cuxhaven, Duhner SC, TSV Altenwalde, SF Sahlenburg und Grodener SV) unter der Flagge des Jugendfördervereins an den Start. Sie wollen den etwas ins Straucheln geratenden Cuxhavener Nachwuchsleistungsfußball wieder in die Spur bringen. Ein Modell, das womöglich auch für Bremerhaven interessant werden könnte.

Präsentiert von


LINK: Viele weitere Berichte über den Amateurfußball in Bremerhaven

LINK: Viele weitere Berichte über den Amateurfußball in Bremen

LINK: Viele weitere Berichte über den Amateurfußball im Kreis Cuxhaven

Aufrufe: 021.1.2020, 11:40 Uhr
FuPa Bremerhaven / Yannick LassmannAutor