2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
Josef Steinberger gibt seit 2019 die Richtung bei der U23 des FC Augsburg vor.
Josef Steinberger gibt seit 2019 die Richtung bei der U23 des FC Augsburg vor. – Foto: Klaus Rainer Krieger

Sepp Steinberger: Der (nieder)bayerische Diamantenschleifer

Trainer, die man kennt (8): Josef Steinberger coacht seit über zehn Jahren die Creme de la Creme im bayerischen Nachwuchsfußball +++ Der Gottfriedinger begleitete unter anderem Julian Weigl oder Florian Neuhaus auf ihrem Weg zum Profi

Die Corona-Pandemie hat den Spielbetrieb im Amateurfußball aus den Fugen gehoben. FuPa nutzt die spielfreie Zeit, um einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Nach der erfolgreichen Portrait-Serie über ehemalige Spielergrößen des niederbayerischen Fußballs nehmen wir nun bekannte Übungsleiter unter die Lupe. Im achten Teil erzählt Josef Steinberger (47) aus seiner bewegten Zeit als Nachwuchstrainer beim TSV 1860 München, dem SSV Jahn Regensburg und dem FC Augsburg, bei dem der Gottfriedinger seit knapp eineinhalb Jahren als Chefanweiser der U23 in der Regionalliga Bayern fungiert.

Schönste Saison deiner Trainer-Laufbahn....
Hier ist es mir unmöglich nur eine zu nennen. Es gibt bisher vielmehr gleich vier Saisonen, die mir immer in Erinnerung bleiben werden. Erstens die U19-Bundesligasaison 2015/16 mit dem Halbfinale gegen Borussia Dortmund vor 15.000 Zuschauern im Signal Iduna Park als Höhepunkt. Sportlich gesehen war es mit Sicherheit die beste Saison überhaupt, in der wir mit neun Siegen sowohl einen Startrekord aufgestellt als auch die punktemäßig beste Saison einer Löwen-U19 in der Geschichte der U19-Bundesliga gespielt haben. Leider blieb die Saison aber ungekrönt, da wir neben dem Halbfinalaus auch bei der bayerischen Hallenmeisterschaft und im BFV-Pokal jeweils "nur" Zweiter wurden.
Auch an die Saison 2010/11 mit der U13 bei Jahn Regensburg erinnere ich mich gerne. Wir spielten zwar nicht im offiziellen Spielbetrieb, hatten aber dennoch wahnsinnig tolle Erlebnisse auf Testspielreisen in London, Wien oder Berlin. Sehr schön war auch mein letztes Jahr als Trainer und Jugendkoordinator beim Jahn in der Saison 2011/12, das mit der Bayerischen Meisterschaft der B-Junioren und dem Aufstieg in die U17-Bundesliga gekrönt wurde. Außerdem wurde die U15 Nordbayerischer Meister und spielte um den Aufstieg in die C-Junioren-Regionalliga. Schöner hätte man sich den Abschied aus Regensburg nach fünf ereignisreichen Jahren nicht vorstellen können.
Herausragend war auch die U19-Bundesligasaison 2013/14 mit der Süddeutschen Vizemeisterschaft hinter dem späteren deutschen Meister TSG Hoffenheim mit Trainer Julian Nagelsmann. Wir hatten unvergessliche Spiele mit einigen Siegen in der Nachspielzeit gegen den SC Freiburg, Unterhaching und auch zwei Erfolgen im Münchner Derby gegen den großen Rivalen Bayern München. Das Sahnehäubchen dieser Saison war dann der Sieg im Bayerischen Pokal und die Qualifikation für den U19-DFB-Pokal.


Welcher Spieler, hat dich in deiner Zeit als Übungsleiter besonders beeindruckt....
Ich hatte das Glück, sehr viele äußerst talentierte Spieler trainieren zu dürfen, die alle über herausragende Fähigkeiten verfügten und jeder für sich einen "besonderen" Charakter hatte, zum Beispiel Florian Neuhaus, Marius Wolf, Felix Uduokhai, Julian Weigl, Matthias Wittek, Richard Neudecker und einige andere. Besonders beeindruckt hat mich aber Justin Kinjo, der als Sechser ein ähnlicher Typ war wie Julian Weigl. Er hatte ein überragendes Spielverständnis, ein super Passspiel, war beidfüßig und spielte das Spiel mit einer unglaublichen Leichtigkeit. Leider verließ er uns in der Winterpause der Halbfinalsaison Richtung Düsseldorf und schaffte dort vor allem auch aufgrund von großem Verletzungspech nicht den Sprung in die Profimannschaft. Dieses Beispiel zeigt wiederum sehr deutlich auf, dass Talent alleine nicht reicht, sondern dass auch das nötige Quäntchen Glück notwendig ist, um den Sprung nach ganz oben zu schaffen.

Bei welchem Verein hattest du deine schönste Zeit....
Ich hatte bei fast allen Vereinen wunderschöne Zeiten, an die man sich sehr gerne zurückerinnert und die natürlich unvergessen bleiben. Aber es gab auch bei allen Vereinen schwierigere Phasen, in denen nicht alles reibungslos lief. Solche Phasen gehören aber dazu, wenn man wie ich meist über einen langen Zeitraum bei einem Verein war. Es steht und fällt einfach zu viel mit den sportlichen Erfolgen, was unserem Job in der Ausbildung aber eigentlich nicht gerecht wird.

Mit welchem Abteilungsleiter/Manager hast du besonders gerne zusammengearbeitet...
In allererster Linie ist hier Reinhold Breu zu nennen, der mich nach Regensburg geholt hat und dem ich viel zu verdanken habe. Wir sind komplett auf einer Wellenlänge und ticken fußballerisch absolut gleich. Deshalb war die Zusammenarbeit überragend. Ich hoffe aber, dass sich unsere Wege in Zukunft noch einmal kreuzen werden und sich die Möglichkeit zu einer erneuten Zusammenarbeit ergibt. Damit würde sich ein Kreis für mich schließen. Außerdem will ich hier Günther Gorenzel in seiner Zeit als Juniorencheftrainer bei 1860 München nicht vergessen. Ich konnte in dieser engen Zusammenarbeit sehr von seinem enormen Erfahrungsschatz und detailliertem Fachwissen profitieren. Wir waren in unserer Persönlichkeitsstruktur sehr unterschiedlich, ergänzten uns so aber im Team optimal. Diese Zeit hat mir auch sehr viel Spaß gemacht und ich habe mich als Trainer sehr gut weiterentwickelt.



Welcher Trainer hat dich in deiner aktiven Zeit besonders geprägt...

Meine eigene, bescheidene Spielerkarriere ist ziemlich lange her und die Zeiten waren andere. Aber klar hat trotzdem jeder Trainer in irgendeiner Weise seine Spuren hinterlassen und in einzelnen Bereichen Stärken an sich gehabt, die man für sich natürlich mitgenommen hat.

Hast du irgendetwas in deiner Laufbahn bereut...
Im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden und würde das Meiste wieder genauso machen. Aber klar ist auch, dass man im Nachhinein vielleicht hier und da mal eine andere Entscheidung treffen würde, allerdings dann unter anderen Voraussetzungen aufgrund eines anderen Wissens. Jedoch handelt es sich dann meist um Phasen, aus denen man viel Erfahrungen mitnehmen konnte und die einen in der persönlichen Entwicklung deutlich vorangebracht und reifen haben lassen.

Gibt es ein Spiel, das du nie vergessen wirst....
Auch hier gab es einige Highlight-Spiele, an die man sich immer zurückerinnern wird. Zum einen natürlich ganz klar der eingangs schon erwähnte 2:1-Auswärtssieg bei Borussia Dortmund mit dem TSV 1860 München 2016 im Halbfinal-Hinspiel um die deutsche U19-Meisterschaft im Signal Iduna Park. Außerdem wird auch der 4:2-Heimsieg in der Saison 2013/2014 gegen Astoria Walldorf unvergessen bleiben. Wir haben beim Stand von 0:0 zwei rote Karten bekommen, sind nach 1:0-Führung zwischenzeitlich mit 1:2 in Rückstand geraten und haben am Ende mit neun Mann doch noch 4:2 gewonnen. Außerdem konnten wir in derselben Saison an einem Freitag Abend vor 1500 Zuschauern im Grünwalder Stadion einen 4:2-Derbysieg feiern. Wir waren den Bayern 90 Minuten in allen Belangen überlegen, führten bis zur 88. Minute mit 4:0, und hätten auch 7:1 gewinnen können. Das war natürlich für alle Blauen ein Feiertag.

Früher war im Fußball alles besser - wie denkst du über diese heutzutage gerne aufgestellte Behauptung....
Ich mag diese Vergleiche nicht, weil man das sowohl sportlich als auch vom Drumherum aufgrund der entsprechenden Entwicklungen gar nicht beurteilen kann. Fakt ist, dass Fußball früher wie heute die Gemüter erhitzt und die Menschen begeistert.

2016 stand Steinberger mit dem TSV 1860 München im Halbfinale um die Deutsche U19-Meisterschaft gegen Borussia Dortmund.
2016 stand Steinberger mit dem TSV 1860 München im Halbfinale um die Deutsche U19-Meisterschaft gegen Borussia Dortmund. – Foto: Christian Riedel


Welche Art der Mannschaftsführung favorisiert du bzw. hast du favorisiert...
Meine Art der Manschaftsführung hat sich im Laufe der letzten 15 Jahre sicher deutlich verändert und sich den Entwicklungen in diesem Zeitraum angepasst. Ich arbeite gerne eng mit meinem Trainerteam zusammen und nehme auch die Spieler mit ins Boot, um am Ende natürlich trotzdem alleine die Entscheidungen zu treffen. Eine ehrliche Kommunikation und ein fairer Umgang sind für mich das A und O einer erfolgreichen, guten Zusammenarbeit mit Mannschaft und Trainerteam. Auch wenn man es logischerweise nicht immer jedem recht machen kann, ist eine größtmögliche Zufriedenheit unter Spielern und Mitarbeitern ein stark leistungsfördernder Faktor, der aber nur möglich ist, wenn sich alle trotz Enttäuschungen gerecht behandelt fühlen. Ich bin selber auch extrem anspruchsvoll, ehrgeizig und fordernd, um das Maximale aus jedem Einzelnen herauszuholen. Das setzt natürlich voraus, dass man selbst mit bestem Beispiel vorangeht und die erwarteten Eigenschaften zu jeder Sekunde vorlebt. Wichtig ist mir auch authentisch rüberzukommen und diese Leidenschaft und Emotionalität so auch auf die Mannschaft zu übertragen.


Wie kann/hat dich ein Spieler auf die Palme bringen können....

Das kann ich so pauschal nicht sagen, aber es gibt gewisse Dinge wie Disziplin auf und neben dem Platz, zuerst ans Team zu denken oder Arroganz bzw. Überheblichkeit, bei denen ich auch relativ schnell mal richtig sauer werden kann. In erster Linie gibt es immer Dinge, die den teaminternen Frieden gefährden. Wobei ich sagen muss, dass man mit der Zeit und eigenen Entwicklung schon ruhiger, besonnener und überlegter reagiert.

Gibt es im Profibereich einen Trainer, den du richtig gut findest...
Da gibt es sicher einige überragende Trainer wie Guardiola, Bielsa, Tuchel, Klopp, Simeone und einige mehr, bei denen man in bestimmten Bereichen besonders hinschaut. Ich liebe Trainer, die ihre Mannschaften mit Ball offensiv agieren lassen und bei denen eine klare Handschrift zu erkennen ist. Fakt ist aber auch, dass ich meine eigene Idee im Kopf habe, die ich umsetzen und immer weiterentwickeln möchte. Deshalb hält man natürlich immer Augen und Ohren offen und schaut, was man in welcher Weise in seine eigene Philosophie aufnehmen könnte. Aber eine Kopie ist nie so gut wie das Original, deshalb bleibt meine oberste Prämisse immer die eigene Spielidee.

Größte Enttäuschung deiner Karriere...
Enttäuschungen sportlich wie menschlich gibt es immer wieder, sie gehören zum Geschäft und bringen einem persönlich, nachdem man sie verarbeitet und reflektiert hat, einen wertvollen Erfahrungsschatz für die weitere Zukunft. Denn die Erfahrung zeigt, dass man aus Enttäuschungen am meisten lernt und sie den persönlichen Reifeprozess beschleunigen.


Was hältst du von dem Trend, dass immer mehr Vereine auf sehr junge Spielertrainer setzen?
Das ist eine schwierige Frage für mich. Ich kann die Vereine irgendwie verstehen, weil sie damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Was mir in der Hinsicht allerdings Kopfzerbrechen bereitet ist, dass junge Spieler anscheinend nicht mehr die Ambitionen haben in der sportlich für sie höchstmöglichen Liga zu spielen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, das müssen Verein und Spieler selber entscheiden.



Zur Person:
Der aus dem FC Gottfrieding hervorgegangene Josef Steinberger übernahm bereits noch während seiner aktiven Karriere beim FC Dingolfing Verantwortung als Nachwuchstrainer. Zwischen 1995 und 2007 coachte er erst die U17 sowie anschließend beide Herrenmannschaften und war nebenbei auch noch als DFB-Stützpunkttrainer in Dingolfing tätig. Danach zog er zum SSV Jahn Regensburg weiter, wo er von 2007 bis 2012 als Cheftrainer der U13 und U17 fungierte. Zusätzlich hatte er verschiedene Funktionen - Sportlicher Leiter Junioren, Juniorenkoordinator und Sportlicher Leiter des BFV-Nachwuchsleistungszentrums - inne und arbeitete zeitgleich auch am DFB-Stützpunkt Regensburg.

Nach dieser intensiven Zeit wagte Steinberger 2012 den Sprung zum TSV 1860 München, bei dem er in den folgenden fünf Jahren als Coach der U17 und U19 viele Höhepunkte erlebte und auch Erfolge feierte. Nach einem einjährigen Intermezzo bei der U19 der SpVgg Greuther Fürth in der Saison 2017/18 ist Josef Steinberger seit Januar 2019 als Cheftrainer der U23 des FC Augsburg tätig und somit für den Unterbau der Bundesligamannschaft verantwortlich.



Aufrufe: 07.6.2020, 13:00 Uhr
Tobias WittenzellnerAutor