2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Seit dieser Saison spielen Eintrach und DJK Don Bosco in einer Spielklasse, der Bayernliga Nord. Die beiden Derbys im bisherigen Saisonverlauf wurden zu Feiertagen des Fußballs.
Seit dieser Saison spielen Eintrach und DJK Don Bosco in einer Spielklasse, der Bayernliga Nord. Die beiden Derbys im bisherigen Saisonverlauf wurden zu Feiertagen des Fußballs. – Foto: Jürgen Stöcklein

Zwei Vereine, eine Stadt - und Rivalität ohne Ende?

Großes Bamberg-Interview mit den beiden Fußballchefs Holger Denzler (Don Bosco) und Sascha Dorsch (Eintracht)

Die Liste von Lokalduellen, in denen nicht nur auf dem Platz die Grenze zwischen Emotionalität und Gewalt verwischen, ist ellenlang - national genauso wie international. Ohne die Attraktivität dieser Geschichte schmälern zu wollen, aber zwischen den beiden Bamberger Vereinen Eintracht und DJK Don Bosco gibt es keine derartigen Konflikte. Gesunde Rivalität - ja. Emotionen - ja. Gegenseitige Sticheleien - ja (*). Aggressivität, Streit, Feindschaft - nein. Das betonen die beiden sportlichen Leiter - Sascha Dorsch (Eintracht) und Holger Denzler (DJK Don Bosco) - im Interview nicht nur immer wieder, sondern dies wird auch deutlich, wenn man zwischen den Zeilen liest...

Sascha, Holger: Die Aktualität gibt praktisch den Einstieg vor. Versucht doch mal die vergangenen Tage in Worte zu fassen.
Sascha Dorsch: Das, was da die vergangenen Tage gelaufen ist, war eine Achterbahnfahrt. Wir haben den Re-Start Anfang September schon lange geplant. Die Mitteilung, dass weiterhin keine Testspiele erlaubt sind, in Verbindung mit den wieder steigenden Infektionszahlen, hat dann aber dazu geführt, dass ich sogar eine Wette abgeschlossen hatte, dass wir heuer keinen Fußball mehr spielen. Diese Entscheidung hätte ich auch voll und ganz nachvollziehen können. Dann plötzlich der Turnaround. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, die mit einen enormen Energieabfall verbunden ist. Alle Planungen sind derzeit sehr, sehr schwierig, da man nicht weiß, was morgen sein wird. Du machst, du tust, hast ein Konzept - und dann ist es doch wieder anders.

Holger Denzler: Sascha hat eigentlich schon vieles vorweg genommen. Diese Achterbahnfahrt wirkt sich vor allem auf die Motivation aus - der Funktionäre, der Trainer und der Spieler. Sportler arbeiten immer auf einen gewissen Punkt in Form des nächsten Wettkampfes hin. Wird dieser Zeitpunkt immer wieder hinausgeschoben oder sogar infrage gestellt, macht sich Verzweiflung breit. Es stellt sich insgesamt die Frage, ob das Konstrukt, das der BFV geschaffen hat, überhaupt noch haltbar ist. Aufgrund der momentan steigenden Fallzahlen und der nun kommenden Urlaubszeit, bin ich - genauso wie Sascha - nach wie vor skeptisch, ob wir Anfang September starten werden. Aber wer weiß aktuell noch, was morgen sein wird?

»Ein weiterer Abbruch des Spielbetriebes wäre fatal«



Sascha Dorsch: Vielleicht noch ergänzend dazu: Unser Testspiel am Mittwochabend gegen Jena war ein Segen für uns. Es war richtig, richtig geil, wieder Fußball zu spielen bzw. live zu sehen. Das ganze Drumherum, die Spieler - alle freuen sich, dass der Ball wieder rollt. Ein weiterer Lockdown in Form eines Abbruches des Spielbetriebes wäre fatal. Dann hat irgendwann keiner mehr Lust. Wird der Re-Start nochmal verschoben, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, wie ich die Leute noch motivieren soll.

Ist es nicht paradox, dass wir hier über die Wiederaufnahme unseres Hobbys sprechen und auf der anderen Seite ein geregelter Schulbetrieb noch auf mehr als wackeligen Beinen steht?
Sascha Dorsch: Wie schon eingangs erwähnt, hätte ich komplettes Verständnis dafür, wenn wir heuer nicht mehr spielen könnten. Es ist wesentlich wichtiger, dass unsere Schulen wieder voll in Betrieb sind, als dass wir unserem Hobby nachgehen können. Erst diese Woche habe ich die Info bekommen, dass eine regionale Wäscherei bei uns in der Gegend pleite ist. Um uns herum bricht gerade ganz viel zusammen, es geht um Existenzen. Und wir machen uns Sorgen um den Fußball - als Amateursportler. Da passt die Relation nicht zusammen.

Holger Denzler: Absolut. Ein funktionierendes Schulsystem ist deutlich wichtiger als das Hobby Fußball - und natürlich auch, dass unsere Wirtschaft diese Krise einigermaßen unbeschadet übersteht. Corona trifft uns dermaßen ins Mark, dass wir zunächst einmal unsere Grundbedürfnisse wieder sicherstellen müssen - erst danach kommt das Vergnügen. Auch wenn wir Bayernliga spielen, müssen auch wir diese Reihenfolge beachten.

Auf gute Freunde! Holger Denzler (links) stoßt mit Eintracht-Chef Jörg Schmalfuß an.
Auf gute Freunde! Holger Denzler (links) stoßt mit Eintracht-Chef Jörg Schmalfuß an. – Foto: Jürgen Stöcklein


Zwischen Euch beiden scheint Einigkeit zu herrschen. Verwunderlich, angesichts der Konkurrenzsituation in Bamberg.
(beide lachen) Sascha Dorsch: Holger und ich kennen uns seit 30 Jahren. Außerdem sind wir uns vom Typus her sehr ähnlich, weshalb ich das Ganze eher entspannt sehe. Klar, eine gewisse Rivalität ist gut und muss auch sein. Aber es darf nie soweit kommen, dass wir uns gegenseitig schaden. Im Gegenteil. Angesichts der demographischen Entwicklung ist es wichtig, in der Sportstadt Bamberg zusammen zu arbeiten, um im bayernweiten Vergleich vorne mit dabei zu bleiben.

Holger Denzler: ...da fällt mir unser Aprilscherz im vergangenen Jahr ein...

Sascha Dorsch: Ja, genau. Damals haben wir eine Pressekonferenz simuliert, in deren Rahmen wir unsere Fusion bekannt gegeben haben. Die Reaktionen waren gar nicht so schlecht. Es gab viel positives Feedback. So dumm ist diese Idee also nicht.

Holger Denzler: Trotz aller Rivalität haben wir ein sehr hohes Vertrauensverhältnis zueinander. Nicht nur Sascha und ich, sondern beide Vereine insgesamt.

Sascha Dorsch: Ich freue mich immer, wenn wir in der Tabelle vor der DJK stehen, natürlich. Aber ich freue mich ebenso auf Gespräche beider Vereine an einem Tisch, die immer wieder stattfinden.

Holger Denzler: Wir haben gegenseitig größten Respekt für die Entwicklung des jeweils anderen Vereins. Wir brauchen aber genauso eine gesunde Konkurrenz, die uns antreibt.

(Die Verbindung zu Holger Denzler bricht kurzzeitig ab)

Sascha Dorsch: Die DJK hat scheinbar die Telefonrechnung nicht bezahlt. Das passiert uns nicht (lacht - auch Holger Denzler stimmt mit ein)



Hat sich an diesem Miteinander durch die Einteilung in die selben Spielklasse etwas geändert?
Holger Denzler: Die Fußball-Community war zunächst mal froh über diese Tatsache. Ich erinnere mich an beide Derbys mit einer gigantischen Kulisse. Ganz Bamberg hat solche Sport-Feste gebraucht. Wir haben - und das in beiden Spielen gemeinsam - gezeigt, dass was möglich ist in unserer Stadt. Die Organisation diese Partien war einwandfrei. Wir haben nach außen hin gezeigt, dass wir derartige Events auf die Beine stellen können. Ein sehr wichtiges Zeichen.

Sascha Dorsch: Ich sehe eigentlich auch nur Vorteile dieser Konstellation - vor allem, wenn ich derzeit auf die Tabelle schaue (lacht). Durch die Organisation der Derbys ist der Austausch - der ohnehin bereits gut war - noch intensiver geworden. Daraus entstanden ist unter anderem unsere gemeinsame Aktion zugunsten der "Aktion Sternstunden" am Weihnachtsmarkt. Wir wollten zeigen, dass wir uns auf dem Platz streiten, aber abseits des Spielfeldes für die gute Sache zusammenarbeiten können.

Ist der jeweils andere Bamberger Fußball-Verein in der Bayernliga Nord der größte Mitbewerber - oder die anderen, in der oberfränkischen Stadt traditionell stark aufgestellten, Sportarten?
Holger Denzler: Wenn ich vom Herrenbereich ausgehe, lässt sich feststellen, dass jeder Vereine, egal welcher Sportart, seine eigene Philosophie verfolgt, die sich jeweils deutlich unterscheiden. Auf dem Fußball heruntergebrochen: Will ich Spektakel, gehe ich zur Eintracht. Will ich taktisch-defensiven Fußball sehen, gehe ich zur DJK. Nach diesen Spielstilen sind natürlich auch die Kaderplanungen ausgerichtet.

Spektakel gibt's bei der Eintracht, Taktisches bei der DJK



Sascha Dorsch: Der Fußball- und der Basketballfan sind manchmal derselbe - aber nicht in der großen Menge. Der, der sich für Fußball interessiert, wird das auch weiterhin tun. Klar stehen in der Stadt sowohl wir als auch die DJK im Fokus was Fußball betrifft. Aber auch hier gibt es Fanlager, die traditionell aufgestellt sind und keine Anhänger, die von heute auf morgen den Verein wechseln.

Und wenn wir die Frage auf die Nachwuchsgewinnung und den wirtschaftlichen Bereich ausdehnen?
Sascha Dorsch: Gerade eben hatten wir eine Situation, in der über 20 Jugendspieler von uns ins Nachwuchsleistungszentrum der DJK gewechselt sind. Getrieben von ihren Eltern wollten diese Spieler den nächsten Schritt machen, was man irgendwie verstehen kann - auf der anderen Seite aber auch nicht.

Holger Denzler: Kann ich durchaus nachvollziehen. Das ist aber auch wohl das einzige Feld, auf dem Konfliktpotenzial besteht. In den anderen Bereichen gibt es - genauso wie bei den Fans - gewachsene Strukturen.

Sascha Dorsch: Auch was Spieler betrifft sind wir uns in der nahen Vergangenheit nur einmal ins Gehege gekommen. Das war bei der Verpflichtung von Christopher Kettler. Wir haben hier aber sauber gearbeitet und die DJK von Anfang an über unser Interesse informiert.

"Das ist eine rhetorische Frage, oder" - Sascha Dorsch und die Suche nach der fußballerischen Nummer 1 in Bamberg.
"Das ist eine rhetorische Frage, oder" - Sascha Dorsch und die Suche nach der fußballerischen Nummer 1 in Bamberg. – Foto: Andreas Roith


Gab es in der Vergangenheit Vorkommnisse, in deren Folge die Situation kurz vor der Eskalation stand?
Sascha Dorsch: Ohja (schmunzelt) Vor allem, wenn eine Person auf Seiten der DJK mit dabei ist. Wer das ist, möchte ich nicht sagen, weil es sowieso bekannt ist. Ist diese Person beteiligt, wird's emotional. Aber wir konnten bisher jeden Konflikt irgendwie lösen.

Holger Denzler: (lacht) Du hast Recht. Wobei man ihm einfach zugute halten muss, dass er alles für unseren Verein tut. Die DJK ist sein Baby und das will er hüten.

Wer ist denn nun tatsächlich die fußballerische Nummer 1 in Bamberg?
Sascha Dorsch: Das ist eine rhetorische Frage, oder? (lacht - währendessen schreit Holger Denzler aus dem Hintergrund: "Wir")

Holger Denzler: Spaß beiseite: Der Blick auf die Tabelle ist meiner Meinung nach eine temporäre Erscheinung. Ich denke, beide Vereine bewegen sich auf Augenhöhe.

Welche Dinge hättest Du gerne von der Eintracht, Holger?
Holger Denzler: Das Fanlager. Bei der Eintracht ist die Bevölkerung eher Zuhause als bei uns. Außerdem würde ich das ein oder andere Offensivspektakel ab und an gerne mitnehmen (schmunzelt).

Und welche DJK-Eigenschaften würdest Du gerne bei der Eintracht, Sascha?
Sascha Dorsch: Den Geldgeber im Hintergrund - und das ist keinesfalls despektierlich gemeint. Gerade in Corona-Zeiten wird aber deutlich, wie wertvoll es ist, wenn man bei den Finanzen einigermaßen unabhängig ist. Außerdem finde ich das Sportgelände der DJK nicht ohne.

Schöner Abschluss. Vielen Dank für das Interview - und alles Gute für die Zukunft.

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*Um dieses Gespräch auf die Beine zu stellen, wurde eine WhatsApp-Gruppe mit Sascha Dorsch und Holger Denzler gegründet. Das Interview war darin eigentlich nur eine Randnotiz. Es wurden vielmehr mit viel Geläuchter und Ironie Fotos und Videos der beiden Derbys ausgetauscht. So viel zum Thema gegenseitige Sticheleien.

Aufrufe: 02.8.2020, 08:00 Uhr
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