2024-05-02T16:12:49.858Z

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Noch kein Grund entsetzt zu sein, doch Löwen-Coach Bierofka sollte schleunig Lösungen finden, die Konkurrenz schläft nicht. FOTO: Buchholz
Noch kein Grund entsetzt zu sein, doch Löwen-Coach Bierofka sollte schleunig Lösungen finden, die Konkurrenz schläft nicht. FOTO: Buchholz

Titelkampf offen: 1860 wackelt - Bayern II in Lauerstellung

Entscheidet das Derby die Meisterschaft?

Nur eine Niederlage in den ersten 15 Spielen. Für viele schien der Durchmarsch des TSV 1860 zur Meisterschaft in der Vorrunde nur noch Formsache. Doch seit Mitte Oktober stottert der Motor und die Löwen holten aus den folgenden acht Spielen nur drei Siege, zwei Unentschieden und kassierten drei Niederlagen.

Im Oktober war die Löwen-Welt noch in allerbester Ordnung. Der TSV 1860 thronte mit zwölf Punkte Vorsprung an der Spitze der Regionalliga, die eigenen und vor allem die Ansprüche der Fans waren gestillt. Doch noch vor der Winterpause setzte es die ersten Rückschläge: Drei Niederlagen in vier Wochen, darunter die 0:1-Pleite im Stadtderby gegen Lokalrivale und Verfolger FC Bayern II. Nachdem Sechzig auch in Rosenheim zwei Punkte liegen ließ, schrumpfte der Abstand zur Winterpause auf neun Zähler. Die Bayern rechneten sich, bei einem Spiel weniger, wieder Chancen aus, die Giesinger noch abfangen zu können. FCB-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bließ im November auf der Jahreshauptversammlung medienwirksam zum Angriff.

Löwen-Coach Daniel Bierofka blieb erst einmal cool. Die Tabellenführung war über die Feiertage gesichert, Saisonziel Nummer eins erreicht, mit einem 3:0-Sieg über den überraschend starken SV Schalding-Heining verabschiedeten sie sich versöhnlich in die Pause.

Der Rückrundenstart gegen die Zweitvertretung des 1. FC Nürnberg wurde schnell herbeigesehnt und die Vorzeichen waren gut: Daniel Bierofka und Sascha Mölders zeigten sich nach der langen Vorbereitung angriffslustig und über 12.000 Löwen-Fans kündigten sich als Begleitung ins Frankenland an. Trotzdem blieb der 60-Coach zurückhaltend und war darauf bedacht, sein junges Team nicht zu sehr unter Druck zu setzen. Als hätte er eine Vorahnung gehabt, denn das Auftaktspiel gegen den FCN entpuppte sich als einer der schwächsten Auftritte seiner Löwen.

Die uninspiriert wirkenden Sechzger führten zur Halbzeit zwar mit zwei Toren, überzeugend war die Leistung aber nicht. So kam Nürnberg im zweiten Durchgang verdient zum Ausgleich. Neben zwei Punkten verloren die Giesinger auch ihren Kapitän Felix Weber, der sich eine kuriose gelb-rote Karte einhandelte und somit die Partie gegen den TSV Buchbach verpassen wird.

Der schrumpfende Vorsprung macht die Löwen offenbar nervös. Als Folge der Punkteteilung gegen die Franken reagierten die Blauen mit einer Interviewsperre. Nur noch vor und kurz nach den Spielen stellen sich Daniel Bierofka und seine Spieler den Fragen der Medien. Der neue Sportchef Günther Gorenzel rechtfertigt die Maßnahme damit, dass die Verantwortlichen den "negativen Druck" von der Mannschaft fernhalten wollen.

Timo Gebhart wird schmerzlich vermisst

Gegen den Kultverein aus der 3000-Einwohner-Gemeinde fehlt am Dienstag (im Live-Ticker) auf jeden Fall Kapitän Weber. Knipser Nico Karger trainiert nach seiner Verletzung zwar wieder, musste aber wegen Schmerzen im Knie das Training abbrechen. Routinier Timo Gebhart wird sicher fehlen. Den ehemaligen U19-Europameister plagen schon länger Beschwerden an der Achillessehne. Wann er wieder in den Kader von Daniel Bierofka zurückkehrt, ist derzeit völlig offen.

Und dieser Ausfall ist besonders bitter für den TSV 1860. Mit ihm geht der Löwen-Offensive einiges an Struktur ab. Eins zu eins können sie den Bundesliga-erfahrenen 28-jährigen Spielmacher schlicht nicht ersetzen. Die beiden Youngster Noel Niemann (18) und Leon Klassen (17) bieten sich zwar als Flügelflitzer an, die Routine eines Timo Gebhart können sie aber natürlich noch nicht mitbringen. Bierofka zeigte, wie sehr der Mittelfeldmotor vermisst wird und schickte seine Elf in einer 4-1-4-1-Formation ins Spitzenspiel gegen Nürnberg. Zwei Achter sollten auffangen, was den Blauen spielerisch durch die Verletzung Gebharts abgeht. Leider, aus Löwen-Sicht, hat das nicht geklappt. Kaum Torchancen und ein nervöses Aufbauspiel führten zum Punktverlust. Mit Blick auf das Nachholspiel gegen Buchbach dürften die 60-Sorgen nicht kleiner werden. Bierofka muss auf mindestens zwei, vielleicht sogar drei absolute Stammspieler verzichten. Kein gutes Ohmen, wenn man bedenkt, dass die Buchbacher schon das Hinspiel für sich entscheiden konnten.

Bayern II entwickelt sich zur Spitzenmannschaft

Während es beim TSV nicht so richtig rund läuft, pirschen sich die kleinen Bayern immer näher an den Tabellenführer heran. Die Walter-Elf kam im Laufe der Hinrunde immer besser in Schwung und konnte diese Form zum Jahresauftakt direkt bestätigen. Trotz 60-minütiger Unterzahl behielten die Jungs um Trainer Tim Walter alle drei Zähler in der Landeshauptstadt und verkürzten den Abstand auf den Stadtrivalen dadurch auf sieben Punkte. Dabei haben die Bayern-Youngster ein Spiel weniger auf dem Konto als 1860 und könnten mit einem Sieg im Nachholspiel gegen Garching am Samstag (im Live-Ticker) auf vier Zähler heranrücken. Spätestens dann steht Sechzig wirklich unter Druck und muss zurück in die Erfolgsspur finden, sonst könnte das zweite Stadtderby am 29. April zu einem Finale um die Regionalliga-Meisterschaft werden.

Darauf will es in Giesing keiner ankommen lassen, denn die Walter-Elf konnte schon in der ersten Saisonhälfte beweißen, wie viel Potential in ihr steckt. Das junge Team entwickelt sich stetig weiter. Co-Trainer Tobias Schweinsteiger kennt die Gründe und sieht seine Mannschaft noch lange nicht am Zenit. Im Sommer kamen einige Spieler aus der A-Jugend ins Regionalliga-Team des Rekormeisters. Diese Spieler - so Schweinsteiger - benötigten einfach etwas Zeit, um sich an den schnelleren und vor allem härteren Männerfußball zu gewöhnen.

Bis Ende April dürfte der "Alterungsprozess" der Bayern-Talente vollends abgeschlossen sein, zumal sich Walter im Saisonverlauf immer mehr Alternativen aufdrängen dürften. Die U19 ist in der A-Junioren-Bundesliga Zweiter. Sollten die Teenies ihre Partie gegen Tabellenführer Hoffenheim verlieren, sind die Titelhoffnungen wohl dahin und Walter hätte die Option, bei Bedarf auf einige Rohdiamten des Kaders zurückzugreifen. Schon im Winter schnappte er einmal zu und zog Franck Evina in die zweite Mannschaft. Vor der Pause herrschte in der U23 des Rekormeisters kollektive Zurückhaltung beim Thema Meisterschaft, doch seit dem überzeugenden Testpielsieg gegen Drittligist Unterhaching wird an der Säbener Straße offen vom Titel geträumt. Tim Walter selbst schoß die erste kleine Kampfansage in Richtung 1860.

Keine Luft mehr für Patzer

Das Momentum kippt langsam womöglich in Richtung Reserve von der Säbener Straße. Während die Löwen derzeit eher damit beschäftigt sind, die kleinen Steinchen aus dem Getriebe zu entfernen, bleiben die Bayern konzentriert, zeigen Stärke und präsentieren sich gewohnt selbstbewußt.

Ein Bayern-Sieg gegen Garching am Samstag würde direkt dafür sorgen, dass die Spannung im Kampf um den Platz an der Sonne in Liga vier wieder vollkommen offen ist. Die Löwen haben ihren zu Beginn der Saison erspielten Vorsprung langsam aufgebraucht und dürfen sich kaum Blöße mehr geben. Die Bierofka-Elf muss sich im Endspurt neu beweißen und zeigen, warum der Traditionsverein der glasklare Favorit ist. Außerdem marschieren nicht nur die kleinen Bayern mit großen Schritten in Richtung Spitze, auch die Schanzer vom FC Ingolstadt stehen mit 39 Punkten aus gerade einmal 21 Spielen ganz weit oben und werden möglicherweise als lachender Dritter noch ein Wörtchen mitreden. Im Gegensatz zum zweitplatzierten FC Nürnberg II, der bereits klar gemacht hat, nicht aufsteigen zu wollen.

Wer am 15. Spieltag bereits gähnend abwinkte und die Sechzger schon in den Relegationsspielen sah, sollte so langsam aufwachen. Der Titelkampf ist wieder offen.
Aufrufe: 028.2.2018, 16:33 Uhr
Moritz BletzingerAutor