Fast klang es, als sei man selbst etwas überrascht gewesen von der unverhofften Gelegenheit. „Germania kann Meister!“ schlagzeilte es auf der Homepage des SC Germania. Ja, Germania hätte am Sonntag den direkten Aufstieg in die Kreisliga besiegeln können.
Voraussetzung dafür wären freilich gewesen: ein Sieg und eine Niederlage. Nur bei einem Triumph über den ESV Rangierbahnhof und einer gleichzeitigen Niederlage des Türkischen SV Gostenhof hätten die Schnieglinger als vorzeitiger Meister der Kreisklasse 4 festgestanden. Hätten. Um die Geschichte ohne Konjunktiv fortzuschreiben: Germania gewann 5:1, Gostenhof nur etwa 300 Meter davon entfernt allerdings auch. Die Meisterschaftsfeier? Fiel vorerst aus.
Die gute Nachricht: Der SC „kann immer noch Meister“. Und mit einiger Wahrscheinlichkeit wird er es auch werden. Wahnwitziges Reenactment Doch das ist Zukunftsmusik. Beginnen wir lieber mit der Vergangenheit. Im Hinspiel hatte Rangierbahnhof zu Hause eine wahnwitzige 4:9-Schlappe hinnehmen müssen, und am Sonntag gaben sich die Rangers viel Mühe, diese beinahe historischen 90 Minuten noch einmal nachzuspielen.
Warum auch nicht? Reenactment ist ja durchaus modern. Neun Gegentore verlangen nach einer plausiblen Erklärung, und Rangierbahnhof schien sie bei Germania liefern zu wollen. Einfach indem das Team die Defensivleistung des Hinspiels kopierte und sich möglichst schnell viele Gegentreffer fing. Durch unzählige „einfache Fehler“, wie sie ein Zuschauer nannte, Fehlpässe im Spielaufbau und ein haarsträubendes Abwehrverhalten. Mit dem 0:4 zur Pause waren die Gäste, immerhin auf dem fünften Tabellenplatz notiert, noch gut bedient.
Andererseits bastelten die Kicker des SC bei wenig Gegenwehr gekonnt an ihrem Meisterstück – dass sie mit „dem letzten Aufgebot“ antraten, wie Trainer Serdar Dinc versicherte, spielte, so scheint’s, keine Rolle. Blieb also die Frage: Was macht Gostenhof? Nicht, dass man dem Tabellenzweiten einen Ausrutscher nicht zugetraut hätte - sind doch die Gostenhofer nur deshalb Zweite, weil sie sich eine Woche zuvor ein 2:2 gegen den Viertletzten aus Laufamholz erlaubt und mit Germania kurz vor Saisonende noch die Plätze getauscht hatten. Schon kursierten unter einigen aufgeregten Zuschauern Gerüchte über eine 2:0-Führung des Underdogs aus Großgründlach.
Nicht mehr als Schnieglinger Legenden, zeigte sich, denn Gostenhof hielt sich schadlos. Wer auf die richtigen Quellen vertraute oder einen kurzen Spaziergang hinüber zur Sportanlage in der Adolf-Braun-Straße machte, wusste das. Und weil sich der souveräne Auftritt der Konkurrenz herumsprach, war bald alle Spannung verflogen. Germania schaltete ein, zwei Gänge zurück. Rangierbahnhof blieb harmlos, und hätte sich nicht SC-Stürmer Marcel Klaußner dazu hinreißen lassen, seinen Gegenspieler nach einem sehr durchschnittlichen Foul sehr laut zu beschimpfen und noch dazu den Schiedsrichter einen „Meister Proper“ zu nennen, der doch bitte mit seiner Zunge Dinge tun möge, die wir hier nicht wiedergeben können – es wäre wohl langweilig geworden. So aber erhielt die Partie doch ein wenig Würze. Die Lippen des Referees umspielte ein Lächeln, als er Germanias Nummer 39 vom Platz stellte.
Verderben ließ sich Serdar Dinc seine gute Laune von der Undiszipliniertheit seines Schützlings aber nicht. Auch nicht davon, dass die Entscheidung über Platz eins nicht vor Pfingsten fallen wird. Die Meisterschaft scheint für den Großteil des SC längst abgemachte Sache, auch für Matthias Carl, der nicht nur für den guten Zustand des Rasens, sondern auch die Pressearbeit der Ersten zuständig ist. „Doch super“, sei es, wenn der erste Platz erst kommende Woche fix gemacht würde, fand Carl, denn: „Vor einem Feiertag lässt sich doch viel besser feiern.“
Niemand glaubt ernsthaft, dass die Meisterschaft beim Tabellenletzten Falke noch verspielt werden könnte, obwohl Germanias Vorsprung auf den Türkischen SV nur einen Punkt beträgt. „Wir fahren mit großem Selbstbewusstsein zu Falke“, sagte Dinc, der dieses Selbstbewusstsein nicht mit Arroganz verwechselt sehen wollte. „Wir werden nicht den Fehler machen, abzuheben.“ Ja, Germania kann Meister. Und es sollte schon mit einem fußballerischen Teufel zugehen, wenn in einer Woche die Überschrift auf Germanias Homepage nicht durch ein „Germania macht Meister!“ abgelöst würde.