2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
F: Thomas Rinke
F: Thomas Rinke

FuPa deckt auf: Neuer-Trainer-Effekt

Gibt es den "Neuer-Trainer-Effekt" wirklich - Kehren neue Besen wirklich immer gut? - Trainerwechsel aus Region Weser-Ems und der wissenschaftliche Hintergund

Jeder kennt es. Dauerhafte Erfolgslosigkeit im Fußball bringt nicht nur Bundesliga-Trainer in die Kritik. Auch im Amateurfußball gibt es teilweise Trainer, die aufgrund einer unzureichenden Punkteausbeute oder nicht erreichten sportlichen Zielen ihren Hut nehmen müssen oder von sich aus von Bord gehen. Doch verleiht ein neues Gesicht an der Linie auch sofort neue Impulse und verhilft der Mannschaft sofort zum Erfolg? Wir haben uns einmal mit einigen Trainerwechseln der näheren Vergangenheit beschäftigt und dann auch die Wissenschaft bemüht!

Vorweg: Dieser Artikel ist ein bisschen umfangreicher, eignet sich also gut für längere Lektüre. Oben finden sich einige Beispiel, unten die wissenschaftliche Erklärung. Doch es lohnt sich, das Ergebnis wird überraschen!

Es ist die große Frage: Gibt es im Fußball wirklich den sogenannten "Neuer-Trainer-Effekt"?

Dazu haben wir im ersten Schritt einen Blick auf die Sportplätze der Region gewagt und einmal die letzten Trainerwechsel im Emsland, Bentheim und Osnabrück unter die Lupe genommen.

Emsland

SV Lengerich-Handrup (April 2016)

Im April diesen Jahres entließ der (ehemalige) Bezirksligist SV Lengerich-Handrup seinen Trainer Manfred Meemann. Der Aufsteiger befand sich in akuter Abstiegsgefahr und zog vor dem wichtigen Abstiegsendspiel gegen Brandlecht die Reißleine. Co-Trainer Carsten Brinkmann übernahm für elf verbleibende Spiele.

Neuer-Trainer-Effekt? Ja. Im Debüt-Spiel unter Brinkmann gab es direkt einen Sieg!

Was hat der Wechsel gebracht? Nichts. Lengerich gewann nach dem Debüt von Brinkmann kein Spiel mehr und stieg am Ende mit nur 18 Punkten als Tabellenletzter in die MW Kreisliga ab.

Aktuell: Derzeit rangiert der SVL/H unter dem neuen Trainer Markus Koopmann in der MW Kreisliga auf Rang 8.

SV Olympia Laxten (September 2016)

Erst vor etwa einem Monat trat Trainer Frank Grotke beim Bezirksligisten Olympia Laxten von sich aus zurück. Grotke hatte mit seiner Mannschaft nur zwei Punkte aus sieben Spielen einfahren können und trat ab. Laxten wählte mit Tim Löffel und Jens Koopmann eine vereinsinterne Lösung.

Neuer-Trainer-Effekt? Nicht wirklich. Im ersten Spiel nach Grotke unterlag Laxten. Allerdings beim Ligaprimus Papenburg.

Was hat der Wechsel gebracht? Auf jeden Fall bereits mehr Punkte als zuvor. Löffel holte in den bisher vier Spielen unter seiner Leitung vier Punkte.

Aktuell: Laxten steht als Drittletzter mit neun geholten Zählern nach zwölf Spieltagen mitten im Abstiegskampf der Bezirksliga III.


Bentheim:

SV Olympia Uelsen (Oktober 2015)

Im Oktober 2015 schmiss Trainer Björn Kerperin beim Bentheimer Kreisligisten Olympia Uelsen die Brocken hin. Nach bis dahin zehn Spielen, wies seine Mannschaft eine ausgeglichene Bilanz von Siegen und Niederlagen auf. Für Kerperin wohl nicht ausreichend. Mit Lucas Beniermann übernahm ein Uelsener Jugendtrainer die Aufgabe bei der Ersten Mannschaft.

Neuer-Trainer-Effekt? Ja. Nicht nur beim Debüt gewann Beniermann mit seiner Elf, sondern auch prompt drei weitere Partien.

Was hat der Wechsel gebracht? Uelsen holte mit Beniermann die maximale Punkteausbeute. Vier Siege aus vier Spielen. Beniermann legte sein Amt in der Winterpause nieder, da er zugleich noch die B-Jugend des Klubs trainierte und die nicht aufgeben wollte.

Aktuell: Zu dieser Saison ist Beniermann nun wieder Trainer der Ersten Herren. In der Kreisliga belegt Uelsen mit 25 Punkten nach zwölf Spielen den zweiten Platz hinter dem Tabellenführer aus Brandlecht.

SV Wietmarschen (Oktober 2016)

Erst in der vergangenen Woche gab Bezirksliga-Aufsteiger SV Wietmarschen nach zehn Spielen ohne Sieg und lediglich einem Unentschieden die Trennung von Trainer Thomas Hessel und dessen Co Stefan Lühn bekannt. Wietmarschen präsentierte mit Norbert Wübbels und Matthias Niehoff zwei SVW-Urgesteine, die zunächst bis zur Winterpause das Ruder übernehmen.

Neuer-Trainer-Effekt? Ja. Im ersten Spiel unter neuer Leitung gelang dem SVW mit einem 2:1 über den FC Leschede direkt der erste Saisonsieg.

Was hat der Wechsel gebracht? Immerhin schon einmal den ersten dreifachen Punktgewinn der laufenden Spielzeit. Mehr ist hierzu allerdings noch nicht zu sagen, da das neue Trainerduo erst in diesem einen Spiel an der Seitenlinie aktiv war. Es wird sich also erst im Laufe der kommenden Wochen zeigen.

Aktuell: Der SVW ist zwar nach wie vor Letzer in der Bezirksliga III. Nur ein Sieg steht zu Buche. Lediglich vier Punkte aus zwölf Spielen heißt Abstiegskampf pur.


Osnabrück:

TV 01 Bohmte (Oktober 2016)

Anfang des Monats trennten sich die Wege von Bezirksligist TV Bohmte und Coach Christian Heyer. Zu diesem Zeitpunkt hatte der TVB lediglich vier Punkte aus neun Saisonspielen geholt. Der Klub reagierte und beendete die Zusammenarbeit mit Heyer. Spieler Matthias Wittenbrink übernahm kommissarisch für ein Spiel. Als neuer Trainer wurde Nihat Deray verpflichtet.

Neuer-Trainer-Effekt? Ja. Und zwar gleich doppelt. Sowohl Wittenbrink als Übergangsverantwortlicher als auch Neu-Coach Derya gewannen ihre Auftritte.

Was hat der Wechsel gebracht? Drei Spiele, drei Siege. Neun Punkte aus diesen Spielen sind schon mehr als der TVB zuvor in neun Spielen insgesamt eingefahren hat.

Aktuell: Mit 13 Zählern auf Rang 12. Mininmaler Vorsprung auf die Abstiegsplätze. Nach wie vor Abstiegskampf.

SC Türkgücü Osnabrück (März 2016)

Im März diesen Jahres packte Coach Nihat Derya beim damaligen Landesligisten SC Türkgücü seine Koffer. Am 20.03. hieß es 0:5 beim TSV Oldenburg. Derya hatte seine Mannschaft schon vor dem Spiel von seinem Rücktritt in Kenntnis gesetzt. Uwe Persson übernahm das Ruder beim SCT.

Neuer-Trainer-Effekt? Halbwegs. Persson holte in seinem ersten Spiel als SCT-Trainer ein Remis.

Was hat der Wechsel gebracht? Auf jeden Fall nicht den Landesliga-Verbleib. Es war knapp, aber vier Siege reichten Türkgücü am Ende nicht zum Klassenerhalt.

Aktuell: Der SCT steht nach dem Abstieg auf einem soliden 5. Platz der Bezirksliga 5. Unter dem neuen Trainer Furkan Güraslan gab es 22 Punkte aus 12 Spielen.

SV Hellern (September 2016)

Anfang September gab Trainer Jörg Sieckmann beim Kreisligisten SV Hellern auf. Er hatte nach vier absolvierten Ligaspielen gerade einmal vier Punkte mit dem SVH geholt. Sein Co-Trainer Michael Bosse übernahm die Chefrolle.

Neuer-Trainer-Effekt? Nein. Hellern verlor auch das erste Spiel unter Bosse (1:5 gegen den Osnabrücker SC).

Was hat der Wechsel gebracht? Einen niedrigeren Punkteschnitt. Der SVH holte in den bisherigen sechs Spielen unter Bosse gerade einmal einen Sieg und kassierte fünf Niederlagen.

Aktuell: Mit nun zehn Punkten aus elf Spielen grüßt der SV Hellern in der Kreisliga OS-Stadt von Platz 12 und befindet sich damit im unteren Tabellendrittel.

Osnabrücker SC (November 2015)

Im November 2015 verließ Trainer Andreas Carbus den Osnabrücker Kreisligisten nach zuvor nur einem eingefahrenen Punkt aus den zehn vorangegangenen Spielen. Ralf Lehmann und Gordon Plate übernahmen Carbus' Posten.

Neuer-Trainer-Effekt? Ja. Beide verbleibenden Spiele vor der Winterpause gewann der OSC und der Leitung von Lehmann und Plate. Und auch zum Rückrundenauftakt gelang ein Sieg.

Was hat der Wechsel gebracht? Zehn Siege in der vergangenen Rückserie brachten dem OSC am Ende der Saison Platz 5 ein.

Aktuell: In der neuen Saison rangiert der OSC heute unter Spielertrainer Tim Stein auf dem sechsten Tabellenplatz der Kreisliga OS-Stadt.



Das legt folgende Vermutung nahe:
Kurzfristig haben viele Teams durchaus Erfolge erzielen können. In unseren acht Fällen gab es fünf Siege, eine Unentschieden und nur zwei Niederlagen. Langfristig ist die Bilanz aber gemischt.

Das sagt die Wissenschaft:

So einfach ist das Ganze dann doch nicht. Deshalb haben Wissenschaftler der Universität Münster 2011 eine Studie zu dem Thema angefertigt, die auch in der renommierten Wissenschaftszeitschrift PLoS ONE erschienen ist. Darin untersuchen sie die Trainerentlassungen der Bundesliga von 1963 bis 2008/09.

Der zentrale Effekt bei dieser Fragestellung ist die „Regression zur Mitte“. Sehr schön ist dieser Effekt auch noch einmal hier erklärt. Dieser funktioniert grob gesagt so: Ein Team hat eine bestimmte Grundstärke, manchmal weichen die Ergebnisse aber durch schlechte und gute Phasen von dieser Stärke ab. Am Ende einer Saison gleichen sich diese Phasen aber aus, sodass jeder einen Platz gemäß seiner Grundstärke bekommt. Die Trainerentlassung findet in der Regel in einer schlechten Phase statt, d.h. das Team spielt unter seinen Möglichkeiten. Die Forscher haben ermittelt, dass meistens zwei Niederlagen in Folge der Auslöser für die Entlassung sind. Wenn dann ein neuer Trainer kommt, werden die Resultate im Durchschnitt zwangsläufig besser. Das ist ja auch logisch – wenn der Vorgänger die letzten Spiele verloren hat, dann kann der Nachfolger in den nächsten Spielen nur genauso gut (Niederlage) oder besser (Remis, Sieg) sein. Schlechter geht nicht.

Jetzt kommt der Clou: Die Forscher haben festgestellt, dass auch Trainer, die in so einer Situation nicht entlassen werden, nach einer Niederlagenserie wieder gewinnen. Sie holen dann ungefähr so viele Punkte wie die neuen Trainer. Denn irgendwann gibt es wieder eine gute Phase– es tritt also die "Regression zur Mitte" ein. Ein weiteres Beispiel für diesen Effekt liefert der "Fluch der Sports Illustrated". Es wurde festgestellt, dass viele Sportler, die auf dem Cover der "Sports Illustrated" dargestellt wurden, danach Pech hatten und schwächere Leistungen brachten. Aber auch das lässt sich mit der "Regression zur Mitte" erklären - die Sportler wurden in einer außergewöhnlich guten Phase dargestellt, die natürlicherweise folgende schlechte Phase dann aber als Pech interpretiert.

Der kurzfristige „Neue-Trainer-Effekt“ ist also nur eine Illusion. Es wird zwar unter dem neuen Trainer fast immer besser, wäre es aber unter dem alten Trainer wahrscheinlich auch geworden! Natürlich trifft das nicht auf jeden Wechsel zu, aber aggregiert, d. h. in der großen Betrachtung gibt es keinen kurzfristigen "Neuer-Trainer-Effekt".

Der Zuschauerspruch vom Rande während einer Krise: "Ein neuer Trainer würde die Mannschaft wohl wieder ans Laufen bekommen", ist also zu einfach. So leicht ist es dann eben doch nicht, eine Mannschaft wieder auf Kurs zu bringen!

Und was ist mit den langfristigen Folgen?

Langfristig ist es etwas komplizierter, dazu konnten wir leider keine Studien finden. Am Ende kommt es aber wohl auf die jeweilige Situation an. Dieser "Neuer-Trainer-Effekt" kann, muss aber nicht eintreten. Hier ist immer der Einzelfall zu betrachten.

Wie ist die Mannschaft charakterlich einzuschätzen? Ist es Kopfsache bei den Spielern, die unter einem neuem Trainer plötzlich selbstbewusster auftritt und positivere Ergebnisse erzielt? Wie kann ein neuer Trainer eine Mannschaft aufbauen und langfristig motivieren? Beim langfristigen "Neuer-Trainer-Effekt" sind viele Komponenten zu beachten. Wichtig ist es, einen Trainer zu finden, der die "Grundstärke" einer Mannschaft kontinuierlich erhöhen kann. Erst dann ist der Erfolg auch nachhaltig und der Wechseleffekt verpufft nicht schon nach ein paar Spielen.

Was denkt ihr darüber? Haben Trainerwechsel bei euch etwas gebracht? Oder habt ihr schonmal mit einem Trainer erfolgreich einen Trend gedreht?

Aufrufe: 027.10.2016, 09:00 Uhr
FuPa Weser-EmsAutor