Kommunikation ist schon immer anspruchsvoll gewesen, doch in diesen Tagen selbst für Profis kaum noch beherrschbar. Immer mehr Kanäle machen es einem nur vordergründig leichter. Eigentlich wird es immer komplizierter. Während sich viele Ältere inzwischen an E-Mails gewöhnt haben, kommunizieren andere vor allem über Social-Media, wieder andere nur noch per Handydienst. Und dann gibt es ja auch noch eine Reihe von Tools zur Organisation von Trainingsgruppen. Für die Jugendleitungen und Vorstände ist es daher zurzeit umso wichtiger, dass sie sich auf ihre Multiplikatoren im Verein verlassen können. Aber wenn ein Verband am Donnerstag um 21 Uhr eine Info-Veranstaltung beendet und die ersten Spiele am Samstag um 9 Uhr stattfinden, bleiben gerade mal sechsunddreißig Stunden, um alle wichtigen Neuigkeiten weiterzureichen. Da die meisten Ehrenamtlichen arbeiten, ist das kaum zu bewerkstelligen. Vom Privatleben ganz zu schweigen.
In den Verbänden, die sich immer weiter von der Basis entfernen, sitzen zudem wenige Praktiker. Jede Kommunikation stößt nämlich an Grenzen, wenn ein Verband – wie in Berlin geschehen – zwei Tage vor dem Wochenende den Spieltag komplett absetzt und beschließt, nur noch eine einfache Runde zu spielen, die Saison also zu halbieren. Dann muss man vor allem erstmal den Frust der Aktiven bewältigen.
In Bayern waren bis vor Kurzem nicht einmal Zuschauer bei Testspielen zugelassen. Zum Saisonauftakt von RB Leipzig hingegen dürfen, dank der Lobby des Profifußballs, 8.500 Zuschauerinnen und Zuschauer ins Stadion. Dabei teilen Bayern und Sachsen eine Landesgrenze. Die Tatsache, dass 800 Besucher in einem geschlossenen Dortmunder Saal einem Konzert beiwohnen durften, bleibt den ohnehin schon verärgerten Vereinsmitgliedern auch nicht verborgen. Der Eindruck verstärkt sich, dass Amateurfußball nicht mehr viel zählt im Land. Dabei wären sieben Millionen DFB-Mitglieder, davon rund die Hälfte aktive Sportlerinnen und Sportler, eine hochinteressante Zielgruppe für die an Politikverdrossenheit leidenden Parteien. Sicher, auch vielen Vereinen ist vorzuwerfen, den Fokus zu sehr auf die 1. Herren zu legen. Aber wer kann sich an Statements von Politikern erinnern, die den Wert einer Kinder- und Jugendarbeit im Fußball oder den integrativen Faktor des Sports hervorheben?
In Sonntagsreden hieß es früher: „Sportvereine sind Schulen der Demokratie.“ Diese Erkenntnis scheint verloren zu gehen, was sich in der Zeit, in der sich viele in die Arme von Leuten treiben lassen, die die Demokratie ablehnen, als fatal herausstellen könnte. Dass sie mehr werden – auch das erkennt man zurzeit in manchem Fußball-Forum.
Zum Autor:
Gerd Thomas, Jahrgang 1960, ist seit 2017 Erster Vorsitzender (seit 2003 im Vorstand) des FC Internationale Berlin. Der Verein pflegt den reinen Amateurgedanken, stärkt das völkerverbindende Element des Fußballs und ist seit 2007 Integrationsstützpunkt der Sportjugend. Auf den Trikots aller Mannschaften steht keine Werbung, sondern der Slogan: „No Racism!“. 2013 zeichnete der DFB den Verein mit dem Integrationspreis aus.
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Zur Hartplatzhelden-Kolumne: Immer mittwochs um 11 Uhr lassen wir kreative und kritische Köpfe aus dem Amateurfußball zu Wort kommen, die sich mit den Sorgen und Nöten unseres geliebten Sports befassen, aber auch Ideen für die Zukunft vorstellen. Mehr dazu.
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