2024-05-08T14:46:11.570Z

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Patrick Raus
Patrick Raus – Foto: privat

Raus: mit 38 Jahren passt Ronaldo noch gut auf seinen Körper auf

Interview mit Patrick Raus, Fitness- und Co-Trainer des FC Atert Bissen

Patrick, kannst du uns deine Aufgabe als Co- und Konditionstrainer in Bissen beschreiben?

Bevor ich im Januar nach Bissen kam hatte der Verein keinen Fitnesstrainer. Meine Hauptaufgabe besteht darin, Trainingsprogramme zu entwickeln. Zusätzlich geht es darum, einen roten Faden in den Wiederaufbau von Spielern zu bekommen, die versuchen, zurück in die Mannschaft zu kommen. Es kann sich dabei um Langzeitverletzte handeln oder auch um Spieler mit chronischen Verletzungen. Ich überwache die Fitness der Spieler, zudem gehört Verletzungsprävention zu meinen Bereichen. Das ist wichtig und in den einzelnen Trainingseinheiten muss man nach bestimmten Programmen vorgehen wie z.B. die Stärkung der hinteren Oberschenkel, der Adduktoren, Sprunggelenke um nur einige zu nennen. Die Spieler bekommen von mir ebenfalls Ernährungstipps, der Lebensstil der einzelnen spielt ebenfalls eine Rolle.

Vor allem im Profibereich merkt man ja immer mehr, dass dort nicht nur Fußballspieler aktiv sind sondern regelrechte Athleten. Als solche muss man sie dann auch sehen und ihnen entsprechende Tipps und Pläne zu ihrer Ernährung geben und sie dabei begleiten. Bei der Prävention spielen bestimmte Übungen eine Rolle. Wenn ein Amateurfußballer in seinem Job z.B. lange in einem Büro sitzt, muss man damit rechnen, dass er an bestimmten Stellen Verkürzungen hat. In Bissen setzen wir in dieser Hinsicht sowohl auf einen Physiotherapeuten als auch auf einen Osteopathen. Weiter hatte jeder unserer Spieler einmal einen Termin bei einem spezialisierten Arzt, um eventuelle Fehlstellungen festzustellen. Über die Anatomie eines Fußballers sollte herausgefunden werden, was jeder individuell braucht. Langfristig sollen dadurch auch eventuelle Kompensationsbelastungen vermieden werden, die später zu Verletzungen führen könnten.

Die erwähnten Ansätze, die die Ernährung betreffen, können oder sollen für Jugendliche und Kinder auch als Vorbild genommen werden.

Zu der Zeit als ich selber noch spielte wurde vieles aus heutiger Sicht nicht richtig gemacht, da der Wissensstand damals noch nicht so weit war wie jetzt. Bei Sprints zum Warmmachen wurden z.B. nicht die richtigen Erholungsphasen eingehalten. Da gehen wir in den Bereich der „fast twitch fibres“ gegenüber der ausdauernden Muskulatur. Dauert die erwähnte Erholung nach einem Sprint nicht lange genug, riskiert man seine Muskeln zu übersäuern. Früher dehnten wir vor Spielen lange statisch, heute wird beim Aufwärmen dynamisch gedehnt.

Ich selber arbeite in dem Bereich gerne mit Gummibändern. Ich war auch als Fitnesstrainer beim Länderspiel Luxemburg – Portugal dabei und konnte nur staunen, als ich sah, dass ein Cristiano Ronaldo vor der Partie im Kabinentrakt alleine mit einem Fitnesstrainer sein Warm Up durchzog. Er setzte eben auf solche Bänder und betrieb Mobilitätstraining für seine Gelenke und Sehnen. Mit 38 Jahren passt Ronaldo noch gut auf seinen Körper auf und geht auf jedes Detail ein. Er ist auf die Dauer seiner Karriere geschaut ein Spieler, der nicht durch viele Verletzungen ausfiel.

Wie gehst du die oft mangelhafte körperliche Koordination und Mobilität bei jüngeren Spielern an?

Die aktuellen Generationen haben viel weniger Bewegung als noch vor fünfzehn oder zwanzig Jahren. Die sog. „iPad-Generation“ sitzt viel drinnen und bewegt sich entsprechend weniger. Früher fand man diese jungen Leute eher auf Spielplätzen und sie hatten von Natur aus eine gewisse Bewegung in ihrem Leben. Man merkt durchaus, dass verschiedene ältere Spieler über eine bessere Koordination verfügen als manche jüngeren, oft sind sie tatsächlich fitter.

Die Koordination kann man aber immer wieder neu lernen. Als Trainer lernt man ja, dass die Phase zwischen 7 und 12 Jahren das goldene Alter bei Kindern ist, in der man einem die Koordination am schnellsten vermitteln kann. Je älter man wird, desto länger braucht dieser Lernprozess. Unmöglich ist es aber nicht. Die einst im Alltag gelernte Koordination muss heutzutage ins Trainingsprogramm aufgenommen werden, da die benötigte Basis fehlt. Man muss versuchen, diese im Training nachzuholen.

Kommen wir auf deinen Verein Atert Bissen zu sprechen. Woran lag es deiner Meinung nach, dass ihr die Kurve zum Schluss nicht bekommen habt?

Da muss man weiter in die Vergangenheit gehen. Aufgrund eines krankheitsbedingten Ausfalls in der sportlichen Leitung fielen die Neuverpflichtungen im vergangenen Sommer nicht ideal aus. Hinzu kam, dass man durch die Teilnahme am Barrage-Spiel erst sehr spät wusste, in welcher Liga man spielen würde und deswegen viele Spieler zögerten, zuzusagen. Die Mannschaft wurde neu aufgebaut. Nicht viele der Saison 21-22 blieben in Bissen und insgesamt ist unser aktuelles Team sehr jung. Viele konnten bis vor der aktuellen Spielzeit auf einem so hohen Level noch keine Erfahrung sammeln.

Manche konnten vielleicht auch nicht mit dem Druck in der Ehrenpromotion umgehen. Es fehlte vielleicht an der mentalen Stärke, die man braucht, um im Abstiegskampf zu bestehen. Nach meiner Rückkehr nach Bissen begannen wir gut und wir dachten, wir könnten den Klassenerhalt schaffen. Am Ende hat es aber leider nicht geklappt. Wie gesagt, ich denke, dass es auf den sehr jungen Kader zurückzuführen ist, der dem Druck nicht standhielt, dass wir abgestiegen sind. Meiner Meinung nach war der Mannschaftsgeist auch nicht präsent genug.

Hatte es damit zu tun, dass junge Mannschaften und Spieler oft Leistungsschwankungen unterliegen?

Durchaus. Wir befinden uns in einem Entwicklungsprozess. Da uns auch wahre Leader in der Mannschaft fehlten, hatten wir die Tendenz nach einem Rückstand den Kopf hängen zu lassen. Ich nehme als Beispiel das Spiel in Mamer. Dort hielten wir lange mit, aber innerhalb von zehn, zwölf Minuten kassierten wir vier Tore. Da fragt man sich natürlich, ob das von einer mentalen Schwäche herrührt oder ob manche sich bereits aufgegeben haben und in Gedanken bereits in der nächsten Saison sind.

Wie sieht es für die kommende Saison aus? Niemand will ja absteigen, aber ein Vorteil ist, dass ihr früher planen könnt als Vereine, die noch bis zum Schluss und vielleicht über die Relegation um den Klassenerhalt kämpfen.

Ich habe dieser Tage meinen Vertrag verlängert, so dass ich weiter in Bissen sein werde. Ich weiß was ich dort habe, vor allem von der Infrastruktur her sind wir sehr gut aufgestellt, die ist BGL-Ligue-tauglich. Wir verfügen über spezielle Fitness- und Aerobic-Räume, die wir vor allem bei schlechten Wetterbedingungen im Winter gerne nutzen. Der neue Vereinsvorsitzende hat seit seiner Amtsübernahme auch in Material investiert, er ist offen für das eingangs erwähnte Fitnesstraining. Dieses bieten wir übrigens nicht nur der 1.Mannschaft, sondern auch der Jugend an. Wir wollen einen roten Faden hineinbekommen. Dies wird auch in meinen kommenden Tätigkeitsbereich in Bissen fallen. Ich orientiere mich dabei auch am Aufwärmprogramm FIFA 11+, das online zur Verfügung steht. Die Nachwuchsspieler sollen als Athleten aufgebaut werden.

Was jetzt die Zusammensetzung der 1.Mannschaft betrifft, kann ich nur so viel verraten, dass wir sehr interessante Transfers tätigen werden, mehr will ich aber dazu noch nicht sagen. Wir haben bereits jetzt einen Neuanfang eingeleitet, damit in der kommenden Saison ein anderer Wind in Bissen weht. Dazu gehört, dass aus den Fehlern der laufenden Spielzeit die richtigen Lehren gezogen werden und dass erfahrene Spieler geholt werden ohne zu vergessen, die Bisser Jungs zu integrieren. Es wird auf eine gesunde Mischung hinauslaufen.

Aufrufe: 020.5.2023, 08:30 Uhr
Paul KrierAutor