2024-04-25T14:35:39.956Z

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Ein Mann hat bei Viktoria Goch schon so ziemlich alles erlebt.
Ein Mann hat bei Viktoria Goch schon so ziemlich alles erlebt. – Foto: Sascha Köppen

Das Gedächtnis von Viktoria Goch

Walter Schreiber trat dem Traditionsklub im Alter von 16 Jahren bei, heute ist er verdientes Ehrenmitglied und Urgestein. Der 87-Jährige ist weiter glühender Fan des Bezirksligisten, wenngleich er glorreichen Oberliga-Zeiten nachtrauert.

Es gibt kaum eine Rolle, die Walter Schreiber für Viktoria Goch – seinen Herzensverein – nicht ausgefüllt hat. Der 87-Jährige war Spieler, Trainer, Ordner, Übungsleiter und Vorstandsmitglied. Heute ist der Witwer noch im Ehrenrat tätig. Wenn Schreiber über Viktoria Goch spricht, hat er ein Lächeln auf den Lippen. Die Leidenschaft für die Rot-Schwarzen ist ungebrochen. „Viktoria ist meine Heimat“, sagt Schreiber. Der Klub dankte es ihm vor wenigen Monaten mit der Ehrenmitgliedschaft.

Mitglied wurde der pensionierte Postbeamte im Alter von 16 Jahren. Er schloss sich der Fußballabteilung an, mit 18 Jahren wechselte er von der Jugend in die Kreisliga-Reserve, für die er 15 Jahre lang als rechter Verteidiger aufgelaufen ist. „Während die meisten zehn Jahre früher die Chance bekommen, durfte ich als 28-Jähriger einige Partien für die erste Mannschaft bestreiten“, erinnert sich Schreiber.

Das Team spielte damals auf Bezirksebene. „Ich werde nie vergessen, wo wir gespielt haben: in Moers-Meerbeck, in Weeze, Uedem und Goch. Doch nach fünf Partien sagte man mir, dass ich doch besser in der zweiten Mannschaft aufgehoben wäre. Damit konnte ich auch gut leben“, sagt Schreiber. So ging es zurück in die Reserve. Geld gab es nicht, nur ein halbes Paar Schuhe. „Damals gab es durchaus auch mal die Gedanken, zu Concordia Goch oder Alemannia Pfalzdorf zu gehen – ich habe mich aber nie getraut“, sagt Schreiber.

Kameradschaft ist besonders wichtig

Als Mittdreißiger wechselte das Viktoria-Urgestein zu den Alten Herren. „Da stand genau das im Mittelpunkt, was mir immer am wichtigsten war: die Kameradschaft“, sagt Schreiber. Mit den Sportkollegen sei man auch in den Urlaub gefahren, nach Zell am See und West-Berlin. 1973 gründete Walter Schreiber dann mit Reinhard Wesendonk und Hans-Peter Jenneskens die Montagabend-Sportgruppe, die in diesem Jahr 50. Geburtstag feierte.

Kollegen von der Post fanden dabei zusammen, um in einem ungezwungenen Rahmen Sport zu treiben. „Das ist eine bunte Gruppe Männer: Es sind Rechtsanwälte, Lehrer und Ärzte, aber auch Arbeiter mit dabei“, sagt Schreiber. „In den 50 Jahren gab es noch kein einziges Mal Zwistigkeiten.“ Die Gründerväter sind weiterhin dabei, viele andere bereits seit mehreren Jahrzehnten. Die Aktiven der Montagsrunde sind heute zwischen 50 und 85 Jahre alt, die meisten bereits Rentner.

Im Winter trifft man sich in der Dreifachturnhalle des Städtischen Gymnasiums, im Sommer im Viktoria-Stadion. Auf dem Sportprogramm stehen kleinere Auflockerungsübungen, danach wird Hallenhockey oder Handball gespielt, auch Geschicklichkeitsübungen gehören dazu. Zum Abschluss wird zudem Fußball gespielt. Schreiber und einige seiner Alterskollegen machen beim Sport mittlerweile nicht mehr mit. „Meine Knochen geben das nicht mehr her, ich habe es an Hüften und Knien. Wichtiger ist aber ohnehin, dass alle Organe funktionieren“, sagt Schreiber. Im Sommer fahren die Ältesten Rad, im Winter wird Canasta gespielt. „Danach setzen wir uns dann wieder alle gemütlich zusammen, trinken ein Fläschchen Bier – und um 22 Uhr sind wieder alle Zuhause“, sagt Schreiber.

Privat-Archiv von Bedeutung

Die Entwicklungen an der Marienwasserstraße behält der 87-Jährige weiter genau im Blick. Viele Zeitungsartikel über den Bezirksligisten schneidet er aus. So hat Schreiber längst ein kleines Sport-Archiv aufgebaut, dort haben auch Hunderte historische Sportbücher einen Platz gefunden. Gelegentlich schaut er bei den Trainingseinheiten im Hubert-Houben-Stadion vorbei, der Besuch bei den Heimspielen ist obligatorisch. Und wenn die erste Mannschaft auswärts spielt, steht Schreiber bei der Reserve am Rand, die in der Kreisliga B die Tabelle anführt. „Das ist eine tolle Truppe voller Gocher Jungs. Da wird die Kameradschaft gelebt. Ich hoffe, dass die Mannschaft in dieser Saison den Aufstieg schafft“, sagt Schreiber. Auch dem Bezirksliga-Team von Trainer Daniel Beine drückt er die Daumen. Vielleicht klappt es ja in diesem Sommer mit dem langersehnten Sprung in die Landesliga. „Es wird da mitunter richtig guter Fußball gespielt“, sagt Schreiber. „Es ist aber schade, dass die Mannschaft mit Lukas Ernesti nur einen gebürtigen Gocher in ihren Reihen hat.“

Wehmütig denkt Walter Schreiber an die Zeit zurück, als Viktoria Goch von 1982 bis 1987 in der damals drittklassigen Oberliga spielte. Zu den Heimpartien kamen tausende Zuschauer. Als das Stadion eingeweiht wurde, waren es sogar 7000, Schreiber fungierte als Ordner. „In den Jahren standen richtig große Namen in Goch auf dem Platz“, sagt Schreiber. Als Gegner reisten der MSV Duisburg, Rot-Weiß Oberhausen, Rot-Weiss Essen oder die Reserve-Mannschaften von Bayer 04 Leverkusen und Borussia Mönchengladbach an.

Beeindruckende Vergangenheit

„Wir alten Gocher sind stolz darauf, dass es nie einen Verein im Kreis Kleve gab, der höher gespielt hat als die Viktoria“, sagt Schreiber. Auch der SV Straelen und der 1. FC Kleve – heute als Oberligisten die erfolgreichsten Klubs in der Region – hätten es nie so weit gebracht. „An die Zeiten, als bei uns Werner Schneider, Norbert Funkel oder Klaus Quinkert aktiv waren, denke ich immer wieder gerne“, sagt die Vereinslegende. Gerne schaut er sich heute Zeitungsartikel aus der Zeit an, aus dem Archiv der Rheinischen Post hat er Dutzende Fotos von Spielszenen bekommen, als die Bilder digitalisiert wurden.

In der vergangenen Saison hatte Schreiber kurz den Eindruck, dass die Viktoria endlich wieder auf dem Weg nach oben sei. Im Mai sahen mehr als 2100 Zuschauer im Hubert-Houben-Stadion die Partie von Viktoria Goch gegen den SV Budberg, es ging um den Aufstieg. Doch der Gastgeber scheiterte vor allem an sich selbst. „Da war das Stadion endlich mal wieder voll – und es ging schief“, sagt Schreiber schmunzelnd.

Viktoria ist eine große Familie

Potenzial gebe es in der Weberstadt aber reichlich. Davon zeuge auch die Tatsache, dass für die Viktoria vier Herren-Mannschaften im Meisterschaftsbetrieb unterwegs sind. „Welcher Verein in der Region kann das schon von sich behaupten? Die Masse ist also da, leider fehlt es an Jungs in der Leistungsspitze. Die müssen dann von auswärts kommen“, sagt Schreiber. „Viktoria ist seit Jahren auf dem gleichen Level unterwegs. Wir hoffen, dass es künftig größere Fortschritte gibt.“

Weil der Pensionär, der über das Deutsche Olympische Sportabzeichen „Gold 30“ verfügt, den Verein und die meisten seiner Mitglieder in- und auswendig kennt, wurde er unlängst auch in den Ehrenrat berufen, wo er für die Schriftführung verantwortlich zeichnet. Dort schlichten die Routiniers, wenn es zu Ärger im Verein kommt, etwa zwischen Vorstand und Spielern. „Glücklicherweise kommt es nicht so häufig zu Zwistigkeiten. Wir sind bei der Viktoria wie eine große Familie. Darauf lege ich auch großen Wert“, sagt Schreiber.

Aufrufe: 031.12.2023, 08:00 Uhr
Maarten OversteegenAutor