2024-05-02T16:12:49.858Z

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Vor dem Neuseeland-Abenteuer lief Nadir zuletzt für den 1. FC Mönchengladbach auf.
Vor dem Neuseeland-Abenteuer lief Nadir zuletzt für den 1. FC Mönchengladbach auf. – Foto: H.N. Hawks

Ibrahim Nadir: Weltreisender in Sachen Fußball

Knapp verpasste der Willicher Ibrahim Nadir den Sprung zum Fußballprofi. Nun will er mit Hilfe des Sports die Welt entdecken.

Am linken Flügel nimmt der Willicher Ibrahim Nadir im Trikot von Bay Olympic FC aus Auckland (Neuseeland) den Ball an, zieht in die Mitte und dann aus rund 25 Metern mit dem rechten Fuß ab. Der Ball schlägt im langen Kreuzeck ein, und Nadir hat nicht nur sein zweites Saisontor im vierten Spiel der neuseeländischen Eliteliga erzielt, er ist auch Torschütze der Woche und hat durchaus gute Aussichten auf den Titel „Tor des Monats“.

„Den hab ich schon ganz gut erwischt“, erzählt er grinsend. Neuseeland ist, nach vier Jahren College in den USA, bereits die zweite weit entfernte Auslandsstation des 25-Jährigen. Sein Ziel: mit dem Fußball die Welt entdecken.

„Welche Länder ich noch erleben werde, das weiß ich nicht. Dafür ist der Fußball viel zu schnelllebig. Und es kann auch schnell vorbei sein. Das habe ich vor einem Jahr erlebt, als ich binnen kürzester Zeit zwei schwerere Knieverletzungen hatte und zweimal operiert werden musste. Passiert so etwas im falschen Moment, dann kann das eine Karriere stark zurückwerfen“, sagt er.

Der Traum vom Profifußball platzte für den Linksaußen zumindest vorläufig. Und so machte Nadir aus der Not eine Tugend. Wenn seine Stationen nicht in der Bundesliga oder wenigstens der Zweiten Liga liegen sollten, so wollte er doch immerhin die Welt sehen. „Der Fußball bietet dazu tolle Möglichkeiten. Ich kann in fremden Ländern spielen, damit noch etwas Geld verdienen und spannende Dinge erleben“, erzählt der Deutsch-Iraker, der einst auch irakischer Junioren-Nationalspieler war.

In Neuseeland erlebe er auch fußballerisch schöne Momente. „Das ist hier eine semi-professionelle Liga. Alle Spieler haben nebenher Jobs oder studieren. Ich selbst arbeite in einem Hotel als Duty-Manager. Es ist zwar streckenweise hart, nach einem vollen Arbeitstag jeden Tag zum Training zu gehen, aber es hat auch schöne Seiten. Denn der Spielbetrieb ist hier auch etwas flexibler. Ich bin Moslem und faste zur Zeit, da wir uns im Ramadan befinden. Nun hatten wir zwei Abendspiele, die für 18 Uhr terminiert waren. Das Fastenbrechen wäre um 18.04 Uhr und 18.06 Uhr, das richtet sich nach dem Sonnenuntergang, gewesen. Da hat der Schiedsrichter kurzerhand die Anstoßzeit etwas verschoben, damit ich noch etwas essen konnte. Das würde es in der Bundesliga wohl nicht geben“, erzählt er beeindruckt.

Die Liga bestehe aus drei Staffeln á zwölf Teams. „Wir haben eine Nord-, Mittel- und Südgruppe, um die Reisewege zu reduzieren. Für mich hat das den Nachteil, dass ich nicht das ganze Land sehen kann. Umso mehr hoffe ich, dass wir im Pokal, der bald losgeht, gegen ein Team aus der Süd-Gruppe spielen und dann ein paar Tage runter fahren“, sagt Nadir. Sein Team sei mäßig in die Liga gestartet. „Unsere Saison ist drei Wochen alt, wir hatten vier Spiele und liegen auf Platz neun. Wir sind eine junge, ganz neu zusammengestellte Mannschaft mit neuem Trainerteam. Das muss sich alles finden. Damit ist der Start okay“, erzählt er.

Mit zwei Toren und vier Vorlagen war er an sechs der acht Tore seines Teams (ein Sieg, drei Niederlagen) direkt beteiligt. Machen seine guten Leistungen Hoffnung, bald vielleicht doch noch in einer Profiliga unterzukommen? „Natürlich würde ich das mitnehmen. Ich bin sehr ehrgeizig und möchte auf dem höchstmöglichen Niveau spielen. Aber das lasse ich alles auf mich zukommen. Ich weiß noch nicht, wie meine Karriere verlaufen wird. Stand jetzt finde ich es toll, möglichst viel von der Welt zu sehen“, sagt er.

Ein Traumziel habe er nicht. „Klar ist: Wenn ich schon einmal in der Gegend bin, dann werde ich nach der Saison über die Fidschi-Inseln zurück reisen und mir das mal zwei Wochen ansehen. Gern würde ich einmal in Asien spielen. Und auch Länder wie Island oder die Färöer würden mich reizen“, erzählt er. Letztere Ziele hätten auch einen großen Vorteil: „Das sind Entfernungen, die meine Familie auch mal überbrücken und mich besuchen könnte. Nach Neuseeland ist es von Willich wirklich weit. Das ist schon etwas, was mich traurig macht. Ich bin ein totaler Familienmensch und würde solche Erfahrungen gern mit meinen Eltern oder meinen vier Geschwistern teilen. Bei aller Reiselust: Sie vermisse ich schon“, betont er.

Auch eine Rückkehr in die USA sei für ihn absolut denkbar. „Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt, und die Liga ist spannend. Kontakte habe ich natürlich auch noch, aber auch da lasse ich alles auf mich zukommen“, erzählt der offenherzige Jung(halb)profi. Dann erzählt er weiter, und eine kleine Vorliebe scheint sich abzuzeichnen, denn wieder kommt die Sprache auf Island als mögliches Ziel.

Unter dem Strich aber ist ihm wichtig, die Liebe zum Sport mit der für Reisen und Kultur zu verbinden. Die Karriere als Fußballer ist letztlich zeitlich begrenzt, und Amir ist sich auch dieses Umstandes bewusst. So wird und will er noch möglichst viele Teams und Länder kennenlernen, ehe der Körper Signale Richtung Karriereende sendet. Dann ist immer noch Zeit für eine Rückkehr nach Willich, in die Heimat. Für den Familienmenschen Ibrahim Nadir ohne Frage auch immer eine Option.

Info: Zahlen und Fakten zu Neuseeland

Neuseeland ist ein Inselstaat im Südpazifik. Es liegt in der kürzesten Entfernung 1530 Kilometer vor Australien und besteht aus zwei Hauptinseln. Mit 269.652 km² ist es rund dreiviertel so groß wie Deutschland, hat aber nur rund 5,1 Millionen Einwohner. Damit ist die Bevölkerungsdichte mit 19 Einwohnern pro Quadratkilometer sehr gering.

Aufrufe: 015.4.2023, 22:00 Uhr
RP / Sven SchalljoAutor