2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Was finanziell bei den Herren möglich ist, erscheint für Frauen unerreichbar.
Was finanziell bei den Herren möglich ist, erscheint für Frauen unerreichbar. – Foto: A. Wahl

Der lange Weg zur gleichen Bezahlung

Fußball-Nationalspielerinnen in aller Welt kämpfen seit Jahren um „Equal Pay“. Selbst in Deutschland tut sich langsam etwas. Doch in den Ligen spielen Frauen und Männer weiter in verschiedenen Welten – auch bei Amateur-Vereinen.

Vor ein paar Tagen hat sich sogar der Bundeskanzler eingeschaltet. „Wir haben 2022. Frauen und Männer sollten gleich bezahlt werden. Das gilt auch für den Sport, besonders für Nationalmannschaften“, twitterte Olaf Scholz. Was die Debatte noch mal auf eine neue Ebene hob. Wenn sich schon der Bundeskanzler äußert, der wahrlich genug Baustellen hat.

Neu ist die Diskussion indes nicht. Seit Jahren kämpfen Fußballerinnen in aller Welt für „Equal Pay“ – gleiche Bezahlung. Teils mit Erfolg: In Brasilien, England, Norwegen, Dänemark und den USA erhalten die Nationalspielerinnen von ihren Verbänden mittlerweile das Gleiche wie ihre männlichen Kollegen. Auch in Deutschland hat sich etwas getan, für die aktuelle EM, bei der heute das Viertelfinale gegen Österreich ansteht, hat der DFB eine Titelprämie von 60.000 Euro pro Spielerin aufgerufen. Doch auf einem Level mit Manuel Neuer und Leon Goretzka sind Alexandra Popp und Sara Däbritz noch lange nicht. Die Männer hätten für den EM-Sieg im Vorjahr 400.000 Euro erhalten.

Vollzeit-Job trotz Bundeliga-Engagement

Julia Comouth kann das weniger überraschen. „Mit der Zeit gewöhnt man sich dran“, sagt die Kapitänin der SpVg Gustorf/Gindorf über die ungleiche Bezahlung im Fußball. Sie versteht das auch, bei den Männern wird nun mal ein Vielfaches umgesetzt. Und für die Nationalspielerinnen gehe es ja langsam in die richtige Richtung. „Aber wenn ich sehe, dass eine Frau in der Bundesliga spielt und nicht ansatzweise davon leben kann. Wenn sie nahezu so viel Zeit investiert wie ein männlicher Profi, aber da mit einem 450-Euro-Job rausgeht, dann ist das halt schwierig“, sagt Comouth, die aus Erfahrung spricht. Von 2014 bis 2016 spielte sie für Alemannia Aachen in der 2. Bundesliga. Und musste ihr Geld woanders verdienen. „Das gibt es heute noch, manche müssen Vollzeit nebenher arbeiten.“

Auch Anne Birbaum vom SV Hemmerden kennt das. Jahrelang spielte sie in Mönchengladbach, schaffte es mit der Borussia 2016/17 sogar in die Bundesliga. Doch nicht mal dort konnte sie sich auf den Fußball konzentrieren: „Es gibt auch innerhalb der Bundesliga einen Klassenunterschied. Bei manchen Klubs kann man gut davon leben. In anderen muss man nebenher acht Stunden am Tag arbeiten. Ich habe das selbst erlebt, das geht sehr an die Nerven“, sagt die 36-Jährige, die seit ein paar Jahren wieder in der Heimat in Hemmerden kickt. Und – natürlich – auch dort nichts bekommt. Das muss man nicht mal falsch finden. In den meisten Sportarten wird im Amateurbereich nichts gezahlt. Warum auch? Andererseits kann es im Männerfußball sehr wohl etwas geben. Es ist kein Geheimnis, dass auch auf Dorfsportplätzen selten elf Freunde auf dem Platz stehen. Jobs (gern auch für die Partnerin), Autos, Urlaube, Kleidung oder direkte Zahlungen sind selbst in unteren Ligen Argumente für Vereinswechsel.

Bei den Frauen ist das anders. „Man kann froh sein, wenn man einen richtig guten Sponsor hat, der einem mal eine Tankkarte geben kann“, sagt Dirk Wistuba, Trainer in Gustorf, „aber bei einem kleinen Verein wie bei uns gibt es keinen Cent.“ Zwar spielt die SpVg in der vierthöchsten Liga, „aber wie sollen wir das machen? In kleinen Vereinen ist für so etwas kein Geld da. Da muss man realistisch sein“, sagt Wistuba, der aber auch weiß: „Wenn ein Verein viele Sponsoren hat, fließt das ganze Geld in die Männer.“

"Spielen, weil es Spaß macht"

Das kann frustrieren. „Man fühlt man sich im Vergleich zu den Männern in der Kreisliga zurückgesetzt. Die bekommen Prämien oder mal Fußballschuhe, was bei uns gar nicht der Fall ist“, sagt Kapitänin Julia Comouth. Und auch Anne Birbaum aus Hemmerden weiß, wie es sich anfühlt, „wenn man hört, dass manche Spieler selbst in der Kreisliga B, was ja wahrhaftig nichts Wildes ist, schon ein paar hundert Euro hier, ein paar neue Fußballschuhe da bekommen“. Was nicht heißt, dass die Frauen das auch für sich fordern: „Eigentlich ist das in der Mannschaft kein großes Thema. Wir spielen einfach Fußball, weil es uns Spaß macht“, sagt Comouth.

Bei den Profis ist das aber natürlich anders. Umso mehr hofft Comouth, die noch viele Kontakte in die Bundesliga hat, dass die EM auch der Liga hilft. Während in anderen Ländern in großen Stadien gespielt wird, locken Spiele in Deutschland oft nicht mal 1000 Fans an. „Ich habe jetzt mit vielen gesprochen, die vom Niveau bei der EM positiv überrascht sind. Der Frauenfußball hat sich entwickelt. Vielleicht geht sich der ein oder andere dann doch mal ein Spiel in der Bundesliga ansehen.“ Nur dann gäbe es mehr Aufmerksamkeit, nur dann stiegen die Einnahmen und damit die Gehälter.

Damit das gelingt, müsse aber auch intern mehr geschehen, sagt Birbaum. Dass das Nationalteam für ein paar Wochen im Fokus steht, gab es ja schon häufiger, nur war der Hype danach schnell vorbei, in den Vereinen und Ligen kam er kaum an. „Die Vermarktung ist leider null da. Und je weiter wir nach unten gehen, desto weniger wird es.“ Dass sich die Bedingungen zwischen Frauen und Männern auch im Amateurbereich irgendwann angleichen, bleibt wohl ein frommer Wunsch.

Aufrufe: 023.7.2022, 09:00 Uhr
RP / Bernd SchwickerathAutor