2024-05-02T16:12:49.858Z

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Holzheims Coach Hamid Derakhshan.
Holzheims Coach Hamid Derakhshan.

Wie die HSG-Kicker der Corona-Krise trotzen

Weil alle Sportplätze gesperrt sind, trainiert der Landesligist aus Holzheim seit gut 14 Tagen viermal in der Woche per Skype

Da soll noch mal einer sagen, Fußballer hätten keine Fantasie. Lange vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie und der Schließung aller Sportanlagen im Rhein-Kreis hatte die Sportliche Leitung beim Landesligisten Holzheimer SG ihre Hausaufgaben gemacht. Vor knapp zwei Wochen war Premiere, leitete Chefcoach Hamid Derakhshan mit seinen Assistenten Stefan Schellenberg und Thomas Rodoniklis das Training per Skype, einer Videochat-App, über die bis zu 50 Personen an einem kostenlosen Gruppen-Videoanruf teilnehmen können – einfach per Smartphone, Tablet oder Computer.

Der letztlich entscheidende Vorteil der ziemlich ungewöhnlichen Aktion, von der sich Derakhshan einen Wettbewerbsvorteil im Abstiegskampf verspricht: Seine Spieler können sich von zu Hause aus einschalten, vermeiden so jeden körperlichen Kontakt.

„Zunächst wusste ich auch nicht, wie ich damit umgehen soll“, räumt Kapitän Pascal „Calli“ Schneider ein, ist inzwischen jedoch voll überzeugt. „Ich finde das echt gut, dass wir so was machen.“ Sein Handy hat er erstmal auf der Fensterbank im Zimmer seiner vierjährigen Tochter Charlotte aufgestellt. Frau und Kind müssen während des Trainings allerdings draußen bleiben. „Da möchte ich für mich sein.“ Für ihn und seine Teamkollegen stehen nun bis auf weiteres immer ab 19 Uhr vier 45-minütige Einheiten pro Woche auf dem Programm.

Los geht es dienstags mit einem sehr intensiven Cardio-Training für Herz- und Kreislauf zur Reduzierung des Körperfetts. Der Donnerstag ist Übungen zum Kraftaufbau vorbehalten. Eher locker soll es freitags zugehen, wenn sich das von lässiger Lounge-Musik begleitete Workout der Koordination und dem richtigen Körpergefühl widmet. Dabei ließen sich durchaus tänzerische Elemente einbauen, sagt Derakhshan, der sich als „Drill Instructor“ mit seinen Kollegen abwechseln will. „Sonst wird es schnell langweilig.“ Hemmungen seien dabei fehl am Platz, findet er: „Die sollte man gegenüber seinen Mannschaftskollegen tunlichst ablegen.“ Das Stichwort heißt für ihn Teambuilding: „Wenn wir lachen, dann miteinander, nicht übereinander.“ Sonntags sollen seine Kicker dann möglichst im Spielmodus bleiben. Auch wenn der Ball nicht rollt, ab 15 Uhr bildet der Coach seine Schützlinge vor allem taktisch weiter.

Die Trainingseinheiten werden aufgezeichnet, so dass die Trainer die Performance aller Kicker im Auge behalten können. „Das machen wir jedoch nicht, um sie zu kontrollieren. Das ist gar nicht nötig, dafür sind wir Sportler genug, dafür haben alle viel zu großen Spaß an der Geschichte.“ Der Capitano bestätigt das, will als Vorbild vorne wegmarschieren. Denn etwas Vergleichbares hat er in seiner langen Karriere bei der HSG noch nie erlebt. Der 27-Jährige trägt seit mehr als zwei Jahrzehnten das Holzheimer Trikot, versuchte sich als Jugendlicher mal ganz kurz beim damals unter Trainer Michael Stork in der Niederrheinliga spielenden TSV Norf. „Aber nach einem Training habe ich in Holzheim meinen alten Trainer Ralf Karbowiak angerufen, um ihn unter Tränen zu fragen, ob ich nicht wieder zurückkommen dürfe“, verrät er schmunzelnd. „Ich brauche einfach das Umfeld hier. Wir sind offen für alles, deshalb fühlen sich neue Spieler auf Anhieb wohl bei uns.“ Und darum sind in Holzheim die ganz und gar nicht alltäglichen Ideen Derakhshans auch sofort auf fruchtbaren Boden gefallen.

Aber eigentlich hätte Schneider die zusätzlichen Einheiten gar nicht nötig, verdient er seine Brötchen doch als für die Wartung und Instandhaltung von Aufzügen zuständiger Servicetechniker bei der in Neuss ansässigen Firma Schindler. „Das hält mich schon fit, denn wenn ich ankomme, steht der Aufzug ja...“ Trotzdem schnürt er außer der Reihe mitunter noch dreimal in der Woche die Laufschuhe. Im Kampf um den Klassenverbleib in der Landesliga überlässt er nichts dem Zufall. Sein Zwischenfazit nach den ersten Cyber-Workouts: „Ich bin wirklich ausgepowert – und ein kleiner Muskelkater folgte hinterher auch noch.“

Aufrufe: 05.4.2020, 14:30 Uhr
RP / Dirk SitterleAutor