2024-05-02T16:12:49.858Z

FuPa Portrait
Thomas Brdarić hat den albanischen Traditionsverein KV Vllaznia Shkodra zurück in die Erfolgsspur geführt.
Thomas Brdarić hat den albanischen Traditionsverein KV Vllaznia Shkodra zurück in die Erfolgsspur geführt. – Foto: © Mikel Thepina

Was macht eigentlich Thomas Brdarić?

Sonnenschein, Mittelmeer, Vorbereitung! Aktuell absolviert der KV Vllaznia Shkodra - die Mannschaft von Thomas Brdarić - ein Trainingslager in Montenegro.

Am 14. Januar startet die Rückrunde für Brdarić’ Jungs mit dem Topspiel beim Tabellenführer KF Tirana in der „Kategorie Superiore“ (1. Liga Albaniens). Es ist gleich ein Schlüsselspiel, denn bei einem Sieg würde sich Vllaznia in Schlagdistanz zum Spitzenreiter bringen.

Die Mannschaft des achtfachen deutschen Nationalspielers hat als Viertplatzierter der laufenden Saison noch beste Chancen die Meisterschaft zu holen und ist als Cup-Verteidiger weiterhin im Pokalwettbewerb vertreten. Der 46-Jährige brennt täglich für seine Aufgabe, die er im August 2020 aufgenommen hat. Innerhalb kurzer Zeit brachte Thomas Brdarić den sportlichen Erfolg zurück in die fünftgrößten Stadt Albaniens.

Pokalsieg & Vize-Meister im Premierenjahr

Vor 18 Monaten schien dies noch unvorstellbar. Denn da hätte der Traditionsverein fast den Weg in die Zweitklassigkeit antreten musste. Damals entkam der Club über die Relegation dem Abstieg. Dann übernahm Brdarić das Ruder und setzte den sportlichen Kurs neu. 21 Spieler verließen den Verein wohingegen 22 neue Kicker, größtenteils aus den Balkanstaaten, verpflichtet wurden. Auch Brdarić’ Sohn Tim wirkte für ein halbes Jahr unter den Fittichen des Vaters mit, suchte aber dann seine sportliche Herausforderung bei Rot-Weiß Koblenz (Regionalliga Südwest). Der komplette Neuanfang in Shkodra gipfelte in einem Pokalsieg und der Vizemeisterschaft in der Liga. Hauchdünn verpasste die Mannschaft anschließend den Sprung in die UEFA Europe Conference League. In der Premieren-Saison für Brdarić wurde gleich das sportliche Maximum erreicht. Der albanische Traditionsverein fristete in den zwei Jahrzehnten zuvor eher ein Dasein im Niemandsland der Liga, feierte vor 20 Jahren zuletzt eine der neun Meisterschaften. In der ersten Spielzeit unter Thomas Brdarić fehlten nur vier Tore zum Double. Seitdem liegen die frenetischen Anhänger von Vllaznia dem deutschen Trainer zu Füßen.

– Foto: © Mikel Thepina

Gute Arbeit wird belohnt

Innerhalb weniger Wochen hatte es der ehemalige Bundesligaprofi geschafft eine neue Mannschaft zu formen und den Glauben an die eigene Stärke zu entfachen. Dass die Voraussetzungen dabei nicht so einfach sind, wie in Deutschland dürfte auf der Hand liegen. „Es gibt schon große Unterschiede in Sachen Infrastruktur oder Budgetierung. Aber es gibt auch hier ganz tolle Fußballer mit großem Talent, die gemeinsam was bewegen wollen. Vor allem in Sachen Mentalität und Begeisterung sind die Spieler anders als in Deutschland. Sie geben jeden Tag unter schwierigen Bedingungen Gas. Natürlich kommt es immer darauf an, wo sie herkommen und wie sie fußballerisch ausgebildet wurden. In Deutschland ist mit den Nachwuchsleistungszentren alles sehr professionell und Spieler werden jahrelang auf ihrem Weg zum Profi vorbereitet. Das fehlt hier im Nachwuchs schon. In Albanien brauchen die jungen Spieler vielleicht zwei, drei Jahre länger, während Spieler in Deutschland mit 18 oder 19 Jahren schon so weit sind“, vergleicht Brdarić die beiden Fußballwelten. Er hat es schnell verstanden die Bedingungen in Shkodra anzunehmen und die richtigen Stellschrauben zu drehen, um erfolgreich zu sein.

Als Würdigung seiner Trainerarbeit wurde Brdarić jüngst zu Albaniens Fußballtrainer des Jahres gekürt. „Das war eine Belohnung für die geleistete Arbeit. Die Mühen die Mannschaft wettbewerbsfähig zu machen, haben sich trotz widriger Umstände gelohnt. Wir haben es geschafft den Mehrwert der Spieler und des Vereins in kurzer Zeit zu steigern. Der tägliche Fleiß und teilweise die Drecksarbeit, die man leisten muss, wurden mit der Auszeichnung gewürdigt“, freut sich Brdarić über die Anerkennung in Albanien.

Thomas Brdarić wurde zu Albaniens Trainer des Jahres gekürt.
Thomas Brdarić wurde zu Albaniens Trainer des Jahres gekürt.

„Kein Typ der nachkartet“

Auch in Deutschland war Thomas Brdarić als Trainer bei seinen bisherigen Vereinen durchaus erfolgreich. Mit dem VfL Wolfsburg II und TeBe Berlin wurde er jeweils Meisterschaftszweiter, mit der TSG Neustrelitz scheiterte er hauchdünn in der Relegation zur 3. Liga nach überraschendem Staffelsieg in der Regionalliga Nordost. Ins Stocken geriet seine Laufbahn an deutschen Seitenlinien allerdings beim FC Rot-Weiß Erfurt. Die sportlichen Handlungsräume Brdarić wurden durch die wirtschaftlichen Probleme der Thüringer ausgebremst. Mitte November 2019 erfolgte die Trennung in Erfurt. Sicher ein Rückschlag für die Trainerkarriere von Thomas Brdarić. Doch schon als Spieler war er keiner, der lange mit einer schwierigen Situation haderte. „Wenn ich als Spieler verletzt war, habe ich stets den Blick nach vorne gerichtet und habe mich versucht wieder vernünftig aufzustellen. Die professionelle Einstellung ist mir sehr wichtig. Ich bin kein Typ, der groß nachkartet. Es war sicher eine Erfahrung in Erfurt, die auch negativ war. Insgesamt bin ich aber ein positiv eingestellter und kommunikativer Mensch. Jeden mit dem ich einmal aneinander geraten bin, rufe ich auch später an. Im Fußball geht es darum zu vergessen. Alles ist sehr schnelllebig, weshalb es nichts bringt groß nach hinten zu schauen“, sagt er zurückblickend.

>> zum FuPa-Profil von Thomas Brdarić

Eines Tages in England oder Deutschland?

Doch viel lieber wendet Brdarić den Blick nach vorne. Die Arbeit bei Vllaznia macht ihm „unheimlich Spaß“ wie er sagt. Er sieht sich noch nicht am Ende seiner Aufgabe in Albanien, weiß aber auch, dass die Rahmenbedingung sich weiter verbessern und professionalisieren müssen. „Wir entwickeln alles ständig weiter. Da geht es um Sachen wie Infrastruktur sowie Lern- und Arbeitsprozesse. Wir haben uns als Team schnell gefunden und gefestigt. Ich fühle mich sehr wohl, aber es kommt immer darauf an, wie man sich weiterentwickeln kann. Es geht dabei immer darum realistisch und demütig zu bleiben. Ich möchte mich als Trainer mit Spielern und Vereinen auf dem höchstmöglichen Niveau messen“, schätzt der ehemalige Bundesligaprofi die Entwicklungsmöglichkeiten in Shkodra ein. Was dann in ein, zwei Jahren ist, kann er im schnelllebigen Geschäft natürlich nicht voraussehen. „Es geht immer darum neue Herausforderungen zu finden. Solange ich diese in Shkodra sehe und der Verein sich weiter gut aufstellt, bleibe ich gerne dabei. Ansonsten sind natürlich Vereine in Deutschland oder auch England interessante Alternativen“, so der 46-Jährige. Eins scheint aber sicher: Die Trainerkarriere von Thomas Brdarić könnte durch die erfolgreiche Zeit in Albanien richtig Schwung aufnehmen…

Aufrufe: 09.1.2022, 10:46 Uhr
André HofmannAutor