2024-06-17T07:46:28.129Z

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Indien ist trotz seiner 1,38 Milliarden Menschen ein fußballerisches Entwicklungsland. Mike Hilbig soll vor Ort Talente aufspüren. „Es ist faszinierend, wie talentiert die jungen Fußballer sind“, sagt der Fußball-Trainer.
Indien ist trotz seiner 1,38 Milliarden Menschen ein fußballerisches Entwicklungsland. Mike Hilbig soll vor Ort Talente aufspüren. „Es ist faszinierend, wie talentiert die jungen Fußballer sind“, sagt der Fußball-Trainer.

Münchner Trainer Mike Hilbig sucht den indischen Messi

Mike Hilbig: Münchner Fußball-Trainer ist ein Star in Indien

In Indien wird Mike Hilbig gefeiert wie ein Popstar. Er will dem Ex-Manager der indischen Nationalmannschaft bei seinem großen Traum helfen: Ein indischer Fußballer soll es in eine europäische Profiliga packen.
  • In München war Mike Hilbig ein Mann in der zweiten Reihe: Er war z.B. Trainer der Reserve des FC Unterföhring
  • Seit sieben Monaten arbeitet der 44-Jährige in Zentralindien
  • Der Münchner will dem Ex-Manager der indischen Nationalmannschaft bei seinem großen Traum helfen

Die Haustür zuziehen und loslaufen - für Sportler gehört diese Freiheit zu den normalsten Dingen der Welt. Doch auf Mike Hilbig wartet vor der Haustüre der indische Tiger. Seit sieben Monaten arbeitet er in Zentralindien an der Jagran Lakecity University als Fußball-Trainer. Sein neues Zuhause liegt mitten im Dschungel. Joggen gehen kann er nur noch hinter sechs Meter hohen Mauern. „Ich dachte erst an einen Scherz, als mir die Security gesagt hat: Du gehst nirgendwo hin. Außerhalb der Uni ist der indische Tiger zu Hause. Und der rennt schneller als du“, lacht Hilbig.

In Deutschland war Mike Hilbig immer ein Mann in der zweiten Reihe. Er war Trainer der Reserve des FC Unterföhring oder des FC Ismaning. Die Clique um Robert Glatzel, Efkan Bekiroglu, Albion Vrenezi und Daniel Wein trainierte er in der fußballfreien Zeit individuell. Sie schoben bei Hilbig Extraschichten für den Profi-Traum. Genauso wie der Ex-Bundesliga-Spieler Georg Niedermeier, der sich unter dem 44-Jährigen die Fitness für sein Australien-Abenteuer bei Melbourne Victory holte.

In München baute Mike Hilbig Soccerhallen für Michael Rummenigge auf. In seiner Freizeit stand er auf dem Fußballplatz. Die vergangenen sieben Monate waren für den Fußball-Trainer eine 180-Grad-Wende. Seit Hilbig in Indien lebt, wird er gefeiert wie ein Popstar. Mit seiner Glatze und der hellen Hautfarbe ist der 44-Jährige ein Exot. „Für die Inder bin ich ein Super-VIP. Jeder schaut mich an. In Mumbai sind viele Touristen unterwegs. Aber als Fußball-Trainer in Zentral-Indien bin ich ein Star. Die Kinder wollen Selfies und Unterschriften von mir“, lacht Hilbig.

Der große Traum von Eric Benny soll wahr werden

In Indien ist Mike Hilbig der entscheidende Mosaikstein für den Traum von Eric Benny. Der ehemalige Manager der indischen Fußballnationalmannschaft ist vernarrt in den deutschen Fußball. Und zapft für sein Lebensziel das deutsche Fußball-Know-how an. „Eines Tages soll es ein indischer Profifußballer in eine große europäische Liga schaffen und dort eine tragende Rolle spielen“, spricht Benny seinen großen Traum aus. Der 37-Jährige gilt als der wichtigste Mann im indischen Fußball. Er will diesen Sport in einem Land vorantreiben, das unter 1,38 Milliarden Menschen noch immer 22 Spieler sucht, die die WM-Qualifikation überstehen.


Eric Benny (rechts) war Manager der indischen Nationalmannschaft. Er holte Hilbig für seinen Traum nach Indien.

Deshalb schickt Eric Benny die größten indischen Talente ins Deutsche Fußball-Internat nach Bad Aibling. Zwei Inder durften bereits ein Probetraining bei der SpVgg Unterhaching absolvieren. Für Benny ein erster kleiner Erfolg. Doch er will mehr. Und dafür brauchte er Mike Hilbig. „Ich hatte ein normales Leben. Aber als ich gehört habe, dass Eric Benny einen Trainer sucht, der den Fußball in Indien vorantreibt, war mir sofort klar: Das mache ich“, sagt Hilbig. Seit April lebt er an der Jagran Lakecity University. Der Fußball ist anders organisiert als der Vereinssport in Deutschland. Gekickt wird an der Uni und in den Schulen. Dort bietet Hilbig den talentierten Kindern ein Stützpunkt-Training an. „Es ist faszinierend, wie talentiert die jungen Fußballer sind. Die Inder sind super dankbar für alles, was du ihnen weitergibst“, erzählt Hilbig von seinen Erfahrungen.

Es ist ein Leben der Extreme für den Münchner

Doch fußballerisch ist Indien immer noch ein Entwicklungsland. Die Kinder kennen zwar große deutsche Klubs wie den FC Bayern oder Borussia Dortmund. Doch Cricket ist immer noch die Sportart Nummer 1. „Hier wächst keiner ab dem Kindergarten mit dem Fußball auf. Als Trainer leiste ich Basisarbeit“, sagt der 44-Jährige. Hilbig hat sein Leben in Deutschland für ein Abenteuer getauscht. Er lebt jetzt in einem Land, in dem er sich im Mai nach zehn Uhr nicht mehr draußen aufhalten kann. „Wir hatten in dieser Zeit 42 Grad. Ich stand deshalb noch vor dem Frühstück auf dem Platz“, lacht Hilbig. Eine Zeit, zu der er keinen Kreisklasse-Kicker aus dem Bett bekommen hätte. Als Fußall-Trainer erlebt er Momente fürs Leben. Bei einem Turnier musste ein Spiel angepfiffen werden, obwohl der Gegner nicht angetreten ist. „Wir mussten mit dem Schiri einlaufen und ein Tor schießen. Da fällst du doch vom Glauben ab. Aber so sind die Regularien“, lacht Hilbig.

Es ist ein Leben der Extreme, das der Münchner in seiner neuen Heimat kennenlernt. Auf dem Campus müssen Sicherheitsleute Kobras einfangen. Wenn Hilbig aus seinem Fenster schaut, hüpfen Affen durch die Bäume. Wenn Hilbig in die nächste Stadt Bhopal möchte, muss ihn ein Chauffeur fahren. „Mit 1,8 Millionen Menschen ist das eine Kleinstadt für indische Verhältnisse. Was auf diesen Straßen los ist, kann ein Europäer nicht verarbeiten. Für 30 Kilometer musst du eineinhalb Stunden einplanen“, erzählt Hilbig. Er zeigt ein Foto, auf dem vier Personen auf einem Motorad sitzen. Keiner trägt einen Helm. „Auf der Straße ist alles unterwegs: Kühe, Hunde, Fahrradfahrer und Autos. Ich würde es mir niemals zutrauen, selbst zu fahren. Das wäre Wahnsinn“, lacht Hilbig.

Genügend Abenteuer erlebt er auch auf dem Platz. Einen Plan, ob und wann Mike Hilbig wieder zurück nach Deutschland geht, gibt es nicht. „Mir war von Anfang an klar: Wenn ich hierher komme, möchte ich alles mitnehmen. Die Kultur und die Mentalität der Menschen“, betont Hilbig. Geht es nach den Zielen von Eric Benny, bleibt Hilbig noch sehr lange. Unter 1,38 Milliarden Menschen den indischen Messi zu finden ist ein Lebensprojekt.


Einer von vielen Profis: Georg Niedermeier bereitete sich mit Mike Hilbig auf sein Australien-Abenteuer vor.

Aufrufe: 013.11.2019, 14:23 Uhr
Christoph Seidl / Redaktion Fussball VorortAutor