Die Realität ist alarmierend. Auf Kreisebene müssen sich vielerorts bis zu vier Vereine zusammenschließen, um überhaupt Mannschaften mit auf Kante genähten Kadern für jede Altersstufe stellen zu können. Kommen Verletzungen und das ein oder andere gerade in der pubertären Lebensphase obligatorische Karriereende hinzu, müssen jüngere Jahrgänge bei den älteren nicht nur aushelfen, sondern zählen zu den Stammkräften, werden somit mit zwei Einsätzen an zwei Wochenend-Tagen regelrecht verheizt. Oder es tritt der leider nicht mehr seltene Super-GAU ein, dass ein Team komplett zurückgezogen werden muss - und somit den "Restposten"-Jugendlichen überhaupt die Gelegenheit genommen wird, ihrem Hobby nachzugehen. Dazu ist es selbst in den untersten Ligen inzwischen die Regel, dass weite Auswärtsfahrten anstehen, was wiederum ein deutlicher Stimmungskiller ist.
Es muss etwas geschehen, das ist längst klar. Sinkt die Zahl der Aktiven im Nachwuchsbereich auf derart drastische Art und Weise wie bisher weiter, werden in einigen wenigen Jahren die Personalprobleme für Herrenmannschaften auf Kreisebene erdrückend sein. Der endgültige Kollaps droht, was zur Folge hätte, das wir uns vom Amateurfußball, wie wir ihn kennen - also mit Derbys gegen Nachbardörfer und den vielen verschiedenen Leistungsniveaus, der Vielfalt - komplett verabschieden müssten. Die im Raum stehende Flickschusterei würde aber weiteres Öl in das ohnehin schon lodernde Feuer gießen. Allein die angedachten Unterschiede von Kreis- und Bezirksebene würden für eine weitere Verkomplizierung sorgen. Deshalb steht fest: Nur mit einer allumfassenden Neuausrichtung der Amateur-Fußball-Ausbildung besteht zumindest ein kleiner Funken Hoffnung.
Florian Weißmann hat trotz aller kritischen Stimmen gegen über ihm und dem gesamten Verbands-Apparat, dem immer wieder vorgeworfen wird, Verantwortung auf die Basis abzuwälzen, recht damit, dass zunächst einmal Vereine, in persona deren Vorsitzende, Jugendleiter und -Trainer umdenken müssen. Das ausschließliche Erfolgsdenken, oft einhergehend mit profilierungssüchtigen Egomanen an entscheidenden Stellen, die im direkten Umgang mit den Kindern und Jugendlichen einzig und allein ihre Macht ausspielen wollen, muss von den Verantwortlichen als absolutes No-Go eingestuft werden. Im Nachwuchsbereich muss die Entwicklung der Akteure und der Spaß am Spiel im Vordergrund stehen - und nicht ein Sieg oder Aufstieg mehr oder weniger. Anstatt einen hochkarätigen Spieler oder (Spieler-)Trainer für die 1. Mannschaft mit dem letzten Schein aus der Kasse zu locken, ist zudem die Rendite höher, wenn diese Mittel in die Jugend investiert werden, um dort weitsichtig agierendes, selbstloses und fachlich adäquates Personal zu haben.
Doch auch der Bayerische Fußball-Verband ist gefordert. Denn das aktuelle Nachwuchs-System mit der Einteilung von G- bis A-Jugend ist längst überholt. Die Auswirkungen des demographischen Wandels sind inzwischen Fakt und sogar von den größten Leugnern nicht mehr zu verbergen. Die alternde Gesellschaft kann nicht von heute auf morgen verjüngt werden. Vielmehr gilt es, mit den aktuellen Begebenheiten zu leben und zu arbeiten. Und in diesem Zusammenhang müssen Florian Weißmann & Co. an früher denken. Retro ist ohnehin modern gerade - auch wenn der Griff in die Schublade in der immer mehr nach Innovation lechzenden Gesellschaft als Niederlage abgestempelt wird. Doch es geht nicht um Sympathiepunkte, sondern um die Zukunft des Fußballs an der Basis.