2024-05-02T16:12:49.858Z

Kommentar
Die B-Jugend könnte bald der Vergangenheit angehören. Unser Bild zeigt das Kreisliga-Duell dieser Altersklasse zwischen der SG Teisbach und der SG Altenkirchen.
Die B-Jugend könnte bald der Vergangenheit angehören. Unser Bild zeigt das Kreisliga-Duell dieser Altersklasse zwischen der SG Teisbach und der SG Altenkirchen. – Foto: Roland Stoiber

Jugend-Reform: Die große Lösung ist alternativlos!

Kommentar zur im Raum stehenden Reform der älteren Juniorenjahrgänge von FuPa-Redakteur Helmut Weigerstorfer

Dass die von Vereinsseite initiierte Neuaufstellung der älteren Juniorenjahrgänge eher "Flickschusterei" als "Ei des Columbus" ist, hat Verbands-Jugendleiter Florian Weißmann im Rahmen einer FuPa-Berichterstattung zum Thema jüngst ziemlich eindeutig unterstrichen. Dass allerdings das aktuelle Nachwuchs-System an vielen Ecken und Enden krankt, betont der BFV-Funktionär genauso wie es die breite Masse der Vereine längst weiß. Doch anstatt an kleinen Stellschrauben zu drehen, muss die große Lösung her. Bevor es zu spät ist...

Die Realität ist alarmierend. Auf Kreisebene müssen sich vielerorts bis zu vier Vereine zusammenschließen, um überhaupt Mannschaften mit auf Kante genähten Kadern für jede Altersstufe stellen zu können. Kommen Verletzungen und das ein oder andere gerade in der pubertären Lebensphase obligatorische Karriereende hinzu, müssen jüngere Jahrgänge bei den älteren nicht nur aushelfen, sondern zählen zu den Stammkräften, werden somit mit zwei Einsätzen an zwei Wochenend-Tagen regelrecht verheizt. Oder es tritt der leider nicht mehr seltene Super-GAU ein, dass ein Team komplett zurückgezogen werden muss - und somit den "Restposten"-Jugendlichen überhaupt die Gelegenheit genommen wird, ihrem Hobby nachzugehen. Dazu ist es selbst in den untersten Ligen inzwischen die Regel, dass weite Auswärtsfahrten anstehen, was wiederum ein deutlicher Stimmungskiller ist.

Es muss etwas geschehen, das ist längst klar. Sinkt die Zahl der Aktiven im Nachwuchsbereich auf derart drastische Art und Weise wie bisher weiter, werden in einigen wenigen Jahren die Personalprobleme für Herrenmannschaften auf Kreisebene erdrückend sein. Der endgültige Kollaps droht, was zur Folge hätte, das wir uns vom Amateurfußball, wie wir ihn kennen - also mit Derbys gegen Nachbardörfer und den vielen verschiedenen Leistungsniveaus, der Vielfalt - komplett verabschieden müssten. Die im Raum stehende Flickschusterei würde aber weiteres Öl in das ohnehin schon lodernde Feuer gießen. Allein die angedachten Unterschiede von Kreis- und Bezirksebene würden für eine weitere Verkomplizierung sorgen. Deshalb steht fest: Nur mit einer allumfassenden Neuausrichtung der Amateur-Fußball-Ausbildung besteht zumindest ein kleiner Funken Hoffnung.

Gefordert sind der Verband UND die Vereine


Florian Weißmann hat trotz aller kritischen Stimmen gegen über ihm und dem gesamten Verbands-Apparat, dem immer wieder vorgeworfen wird, Verantwortung auf die Basis abzuwälzen, recht damit, dass zunächst einmal Vereine, in persona deren Vorsitzende, Jugendleiter und -Trainer umdenken müssen. Das ausschließliche Erfolgsdenken, oft einhergehend mit profilierungssüchtigen Egomanen an entscheidenden Stellen, die im direkten Umgang mit den Kindern und Jugendlichen einzig und allein ihre Macht ausspielen wollen, muss von den Verantwortlichen als absolutes No-Go eingestuft werden. Im Nachwuchsbereich muss die Entwicklung der Akteure und der Spaß am Spiel im Vordergrund stehen - und nicht ein Sieg oder Aufstieg mehr oder weniger. Anstatt einen hochkarätigen Spieler oder (Spieler-)Trainer für die 1. Mannschaft mit dem letzten Schein aus der Kasse zu locken, ist zudem die Rendite höher, wenn diese Mittel in die Jugend investiert werden, um dort weitsichtig agierendes, selbstloses und fachlich adäquates Personal zu haben.

Doch auch der Bayerische Fußball-Verband ist gefordert. Denn das aktuelle Nachwuchs-System mit der Einteilung von G- bis A-Jugend ist längst überholt. Die Auswirkungen des demographischen Wandels sind inzwischen Fakt und sogar von den größten Leugnern nicht mehr zu verbergen. Die alternde Gesellschaft kann nicht von heute auf morgen verjüngt werden. Vielmehr gilt es, mit den aktuellen Begebenheiten zu leben und zu arbeiten. Und in diesem Zusammenhang müssen Florian Weißmann & Co. an früher denken. Retro ist ohnehin modern gerade - auch wenn der Griff in die Schublade in der immer mehr nach Innovation lechzenden Gesellschaft als Niederlage abgestempelt wird. Doch es geht nicht um Sympathiepunkte, sondern um die Zukunft des Fußballs an der Basis.



Zurück zu den Wurzeln ist Trumpf. In Anlehnung an frühere Zeiten (Bambini, Schüler Jugend - nur drei Altersklassen von den ABC-Dribblern bis zu den Volljährigen) muss der Jugendbereich wieder "größer" eingeteilt werden. Mehr Jahrgänge müssen zu einer Altersstufe zusammengefasst werden. Dann haben wieder mehr Clubs die Möglichkeit, "solo" zu agieren. Die Identifikation der Kinder und Jugendlichen mit den Vereinen steigt dadurch, was dazu führt, dass mehr den Weg in den Herrenbereich durchziehen. Selbst untalentiertere Kicker werden nicht so einfach fallengelassen, weil sie mit dem eng befreundeten Jungen von nebenan spielen - sowie schlicht und einfach gebraucht werden. Und das Argument mit den unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen zählt ohnehin nicht unbedingt, denn selbst bei Gleichaltrigen können diese oft gravierend sein.

Zugegeben, auch dieser Vorschlag ist nur eine erste Idee, nur ein gedankliches Grundgerüst, das noch mit Leben gefüllt werden muss. Doch dafür bleibt genügend Zeit, wenn sich alle - also Vereine und Verband - darauf fokussieren und sich nicht mit irgendwelchen Flickschustereien aufhalten lassen...

Kommentar: Helmut Weigerstorfer

Aufrufe: 013.1.2021, 07:00 Uhr
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