2024-05-02T16:12:49.858Z

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Korbinian Dietrich steigt mit dem ASV Dachau nach Paragraph 93 ab. ASV-Boss Michael Dietrich ledert derweil gegen die Präsentation des BFV.
Korbinian Dietrich steigt mit dem ASV Dachau nach Paragraph 93 ab. ASV-Boss Michael Dietrich ledert derweil gegen die Präsentation des BFV. – Foto: Geisler

„Ich bin maßlos enttäuscht“ - Betroffene Vereine wettern gegen BFV

Vereine überrascht von BFV-Votum

Es ist entschieden: Die Saison 2019/21 wird nach Paragraph 93 abgebrochen. Die betroffenen Vereine zeigen sich insbesondere vom BFV enttäuscht.

Dachau - Das Hin und Her, das Auf und Ab, das Für und Wider, all das hat nun ein Ende – zumindest ein vorläufiges. Die bayerischen Amateurfußballer haben sich entschieden. Sie haben mit deutlicher Mehrheit für die Variante des Saisonabbruchs mit Auf- und Absteigern gestimmt. Sollte nun kein Verein mehr Klage einreichen, oder eine solche scheitern, ist die Saison 2019/ 21 endgültig beendet. Der Bayerische Fußball Verband (BFV) spricht in seiner Presseerklärung von einem „eindeutigen Votum der bayerischen Vereine“, es folgte ein einstimmiger Vorstandsbeschluss: Eine klare Mehrheit von 71,14 Prozent (2115 Stimmen) hat sich in einem vom BFV eingeholten Meinungsbild dafür ausgesprochen, die bis zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie unterbrochene Spielzeit 2019/21 bei den Frauen und Herren jetzt unter der Maßgabe abzubrechen, dass es durch Anwendung der in Paragraf 93 der Spielordnung verankerten Quotienten-Regelung direkte Auf- und Absteiger in den einzelnen Spielklassen gibt und die Relegation ersatzlos entfällt.

Das zur Abstimmung stehende Alternativmodell, wonach alle Vereine, die unter Berücksichtigung der Quotienten-Regel in der Tabelle auf einem Aufstiegs- und Relegationsplatz stehen, aufsteigen können und der Abstieg nicht zum Tragen gekommen wäre, erhielt eine Zustimmung von 28,86 Prozent (858 Stimmen). Die Wahlbeteiligung lag bei 80,46 Prozent. Aufgerufen, ihr Votum abzugeben, waren insgesamt 3695 Vereine im gesamten Freistaat, die am Erwachsenenspielbetrieb teilnehmen. Dabei hatte jeder Verein eine Stimme. Von ihrem Wahlrecht machten letztlich 2973 Klubs Gebrauch. Selbst unter Miteinbeziehung der Vereine, die nicht an der Abstimmung teilgenommen haben, übertrifft das jetzt getroffene Votum bei weitem die absolute Mehrheit von 1848 Stimmen um 267 Stimmen.

In allen 22 bayerischen Fußball-Kreisen gab es laut BFV durchwegs „eine klare Zustimmung für die Anwendung des bestehenden Paragrafen 93 der Spielordnung.“ Mit der technischen Durchführung der Abstimmung und der Feststellung des Ergebnisses hatte der BFV einen externen Dienstleister beauftragt.

Landkreis Dachau: Betroffene Vereine reagieren überrascht

Für einige Mannschaften waren die vergangenen Wochen bis zur Entscheidung eine wahre Gefühlsachterbahn. Von Enttäuschung über Hoffnung bis hin zur Resignation war alles dabei. Als feststand, dass die Saison im Amateurfußball abgebrochen werden muss und anhand der Quotientenregelung gewertet werden wird, herrschte bei einigen Vereinen Enttäuschung. Ein Hoffnungsschimmer war die Nachricht, dass der Verband die Vereine anhand einer Abstimmung in die Entscheidungsfindung mit einbinden wird. Nun ist das Wahlergebnis da und das Horror-Szenario für die betroffenen Klubs besiegelt.

Sammelklage könnte ein Thema werden

Natürlich gab es auch in der Region Dachau Vereine, die ob der Regelung (und des somit feststehenden Abstiegs) gar nicht „amused“ waren. Johannes Popfinger, der Abteilungsleiter Fußball im Erwachsenenbereich beim Kreisligisten TSV Indersdorf, wirkte nach der BFV-Entscheidung nachdenklich: „Wie soll ich einem 20-Jährigen erklären, dass er absteigt, obwohl er rein sportlich mit seinem Team noch die Chance gehabt hätte, das rettende Ufer zu erreichen? Wir Älteren können uns mit so einer Entscheidung vielleicht arrangieren, aber der Nachwuchs hat schwer daran zu kauen.“

Die Indersdorfer, die den Offenen Brief mehrerer betroffener Vereine in Sachen Variante 2 (nur Aufstieg, kein Abstieg) unterschrieben hatten, warten nun erst einmal ab, ob die Unterzeichner des Briefes weitere Schritte einleiten wollen – sprich: gegen die BFV-Entscheidung Protest einlegen werden. „Alleine werden wir sicherlich nichts unternehmen, aber wenn es eine Sammelklage geben sollte, könnten wir durchaus dabei sein.“

Ähnlich sieht es der Trainer des Kreisklassisten SpVgg Hebertshausen, Joachim Kaiser: „Bei einer Sammelklage, sofern sie von genügend Vereinen getragen würde, wären wir vielleicht dabei, alleine werden wir gegen diese doch sehr dubiose Entscheidung aber sicher nicht vorgehen.“ Kaiser hat überrascht, wie deutlich das Votum für die Variante 1, also Abbruch mit Auf- und Absteiger, ohne Relegation, ausgefallen ist: „Wir standen im Kontakt mit anderen Vereinen und ich hatte den Eindruck gewonnen, dass die Variante 2 gute Chancen haben könnte, durchgewunken zu werden. Man muss sich das mal vor Augen halten: Wir sind aufgestiegen, mussten uns als Liganeuling erst einmal akklimatisieren. Es war vor vornherein klar, dass die Rückrunde entscheidend werden würde, und wir waren auch auf einem guten Weg, den Anschluss doch noch einmal herzustellen. Sportlich gerecht ist was anderes.“

Die Frage, ob es einen Mangel an Solidarität seitens der gesicherten Mittelfeldvereine gegeben habe, lässt Kaiser offen: „Man muss sich in diese Klubs hineinversetzen. Wenn ich die Entscheidung mittrage, ob ich gegen die mir bekannten Teams spiele oder gegen vielleicht hochmotivierte, ehrgeizige Aufsteiger, dann sollte mir das wenigstens ein paar Überlegungen wert sein.“

Landesliga Südost: TSV E. Karslfeld steigt nicht auf - ASV Dachau steigt ab

Der Landesligist TSV Eintracht Karlsfeld war nicht direkt betroffen von dem Abstimmungsergebnis, gehört aber dennoch zu den Verlierern des Saisonabbruchs. Obwohl die Mannschaft der Trainer Jochen Jaschke und Sebastian Stangl in der Landesliga Südost die meisten Punkte holte, fällt sie nach der Quotientenregel hinter Hallbergmoos und Erlbach auf Rang drei zurück. Jaschke ist aber auch aus einem anderen Grund nicht gut auf den BFV zu sprechen: „Uns konnte die Abstimmung eigentlich egal sein. Der Verband hat ein Horrorszenario gezeichnet und damit die Vereine beeinflusst. Was er nicht versucht hat, war eine Lösung zu finden und vorzustellen. Ich denke und fühle als ehemaliger Spieler des ASV Dachau natürlich mit meinem Ex-Verein, der negativ betroffen ist. Dabei gab es so viele kreative Vorschläge. Ich persönlich hätte eine regionale Liga mit zehn Teams geil gefunden. Wir hätten Spiele gegen den ASV, Jetzendorf oder Olching gehabt und müssen nicht zweieinhalb, drei Stunden nach Hauzenberg gurken.“

Der ASV Dachau wird nach aktuellem Stand aus der Landesliga in die Bezirksliga absteigen. Michael Dietrich, der Abteilungsleiter der Stadtwälder, hätte sich vor der Abstimmung des BFV eine lösungsorientierte Vorstellung der beiden Varianten gewünscht: „Ich bin maßlos enttäuscht von der Präsentation. Es gab keine Lösungen, sondern ein Schreckensszenario von bis zu acht Absteigern in der nächsten Saison. Mit Neutralität hatte das wenig zu tun. Und aufgrund der Präsentation konnte man keine Solidarität der anderen Vereine erwarten. Dabei hätte es doch andere Möglichkeiten gegeben, dass haben in den vergangenen so viele Vereine mit ihren Lösungsvorschlägen gezeigt.“

Bezirksliga: SV Sulzemoos steigt nach 17 Jahren ab

Gibt es nicht doch noch ein Wunder, muss der Bezirksliga-Dino SV Sulzemoos nach 17 Jahren in die Kreisliga absteigen. Und das auf die denkbar ungünstigste Art und Weise. Der SVS holte einen Punkt weniger als der Konkurrent SVA Palzing. Umgerechnet auf die Quotientenregel entspricht das 0,044 Punkten. Markus Wagenpfeil, noch sportlicher Leiter, bald Teil des Trainerduos mit Markus Niedermeyer, ist enttäuscht: „Natürlich hatten die Vereine nach der Präsentation des BFV Angst, weil der Verband keine Lösungen präsentiert hat. Die Abstimmung gab es, um die Verantwortung den Vereinen zuzuschieben. Ich verstehe jeden Verein, der für die Variante mit Absteigern gestimmt hat. Was ich nicht verstehe ist, dass der Verband keine Vorschläge bringt. Die Situation hat auf jeden Fall dazu geführt, dass das Miteinander unter den Betroffenen stärker geworden ist. Wir sind mit anderen Vereinen im Austausch.“

Auch für den TSV Jetzendorf geht es eine Liga nach unten. Die erste Landesliga-Saison der Vereinsgeschichte endet wenig erfreulich. Manfred Zeindl, der Spielleiter der Grün-Weißen, wurde vom Abstimmungsergebnis nicht überrascht: „Ich habe es kommen sehen. Ungefähr 30 Vereine waren direkt betroffen, die anderen haben für eine Lösung mit Auf- und Absteigern gestimmt. Der BFV hat die Werbetrommel gerührt und das Modell mit den aufgeblähten Ligen in seiner Präsentation vielleicht ein bisschen zu krass dargestellt. Warum haben sie nur den Extremfall aufgezeigt?“

Die SpVgg Kammerberg hatte als Tabellensechster weder mit dem Auf- noch dem Abstieg zu tun. Die Kammerberger stimmten für die Variante mit Absteigern, die Solidarität mit anderen Clubs fiel den Vereinsinteressen zum Opfer. Teammanager Klaus Kollmair: „Wir mussten an uns denken und sind zufrieden mit dem Ergebnis. Es gibt dann keine aufgeblähten Ligen. Wobei wir kein Problem mit mehr Spielen in der nächsten Saison gehabt hätten, sieben oder acht direkte Absteiger wären aber zu krass gewesen.“ Ob der Schlussstrich unter die Saison 2019/20/21 nun auch ein wirklich endgültiger ist, bleibt also noch abzuwarten.

Koch bittet Vereine um Verständnis

„Unser großes Dankeschön geht an alle Vereine in ganz Bayern, die in solch’ überragender Mehrheit von über 80 Prozent mit ihrer Stimmabgabe dazu beigetragen haben, dass dieses Meinungsbild auf einem ganz festen und breiten Fundament steht. Völlig losgelöst davon, wie jeder Verein abgestimmt hat, lebt Demokratie vom Mitmachen – und unsere Vereine haben das auch in dieser für uns alle äußerst schwierigen Lage eindrucksvoll getan. Umso wichtiger ist es jetzt, dass wir alle auch schnell wieder zusammenfinden und das Ergebnis wechselseitig respektieren – egal, wer wie gestimmt hat“, sagt BFV-Präsident Rainer Koch.

„Der Vorstand hat immer betont, dass er jeden Weg, den die Vereine mehrheitlich wählen, auch konsequent mitgehen wird. Entsprechend sind die Beschlüsse im Vorstand auch jetzt so gefasst worden“, betont BFV-Schatzmeister Jürgen Faltenbacher, der für den Spielbetrieb in Bayern verantwortlich ist. Dem fünftägigen Wahlzeitraum waren am vergangenen Freitag und Samstag insgesamt acht virtuelle Informations-Veranstaltungen mit nahezu 2500 Teilnehmern aus Vereinen im gesamten Freistaat vorausgegangen.

„Es war wichtig und richtig, diesen Weg jetzt so offen zu gehen und allen Beteiligten die Zeit zu geben, um das Votum für den Verein abzugeben. Unabhängig vom Ausgang des Meinungsbildes dürfte die Erleichterung überall um sich greifen, dass diese Saison jetzt Geschichte ist. Wir wissen um die zutage tretenden Härtefälle, die es auch jetzt gibt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diese Härtefälle mit keiner Lösung zu vermeiden gewesen wären. Es ging letztlich darum, die beste unter allen schlechten Lösungen zu finden und auch in die Tat umzusetzen“, sagt BFV-Vizepräsident Robert Schraudner, der die sechsköpfige Arbeitsgruppe zu den Modalitäten des unvermeidbaren Saison-Abbruchs geleitet hatte: „Wir alle wollten uns eine Entscheidung am Grünen Tisch ersparen. Deshalb war es auch der richtige Weg, die Saison 2019/20 zunächst zu verlängern. Dass wir zu keinem sportlichen Ende finden, war in dieser Form nicht absehbar.“

Sechs-Monats-Frist wird wieder aktiviert

Neben dem Beschluss zum Abbruch der verlängerten Saison 2019/20 bei Frauen und Herren (ausgenommen Play-off-Spiele der Regionalliga Bayern und LigapokalWettbewerb der Regionalliga Bayern) sowie dem Verbandspokal-Wettbewerb der Frauen 2020/21 hat der BFV-Vorstand die zuletzt aufgrund der Pandemie ausgesetzte Sechs-Monats-Frist bei Vereinswechseln aktiviert und auch die persönlichen Strafen wieder in Gang gesetzt.

Aufgrund der staatlichen Corona-Verfügungslagen bleiben bei Wechseln aufgrund von Inaktivität die Zeiträume vom 13. März bis 29. Juli 2020 (Lockdown I) sowie vom 2. bis 30. November 2020 (Lockdown II) und vom 1. Februar bis 18. Mai 2021 (Lockdown III) unberücksichtigt.

Saison-Abbruch auch bei den Juniorinnen

Der BFV-Vorstand hat jetzt auch einstimmig dafür votiert, die Saison bei den Juniorinnen abzubrechen. „Es gab auch hier in den vergangenen Tagen einen regen Austausch mit den Vereinen und den Ausschüssen – es ist der klare Wunsch der großen Mehrheit aller Juniorinnen-Vereine, einen Schlussstrich zu ziehen. Dem kommen wir jetzt auch nach“, sagt Sandra Hofmann, Vorsitzende des Verbands-Frauen- und Mädchenausschusses.

Bei den Junioren, die ihre Saison 2019/20 bekanntlich abgebrochen hatten und bereits vor dem Start in die Spielzeit 2020/21 Regelungen für einen neuerlichen pandemiebedingten Abbruch getroffen haben, dem der Vorstand auch zugestimmt hat, wird es am Samstag, 22. Mai 2021, eigene virtuelle Info-Seminare geben. Dort wird Florian Weißmann, Vorsitzender des Verbandsjugendausschusses, mit seinem Team die Klubs über das weitere Vorgehen informieren.

Mit Hinblick auf die neue Saison, deren Start sich aktuell ebenso wenig prognostizieren lässt wie deren Verlauf unter dem Eindruck von Corona, wird der BFV ab der neuen Spielzeit 2021/22 auch eine begrenzte Zahl alternativer Spielklassenmodelle zum klassischen System mit Hinund Rückrunde anbieten. „Diese Alternativen werden in den nächsten Wochen finalisiert.

Im zweiten Schritt überlassen wir es den Kreisen sowie Bezirken in direkter Abstimmung zusammen mit den Vereinen der einzelnen Spielklassen, welches der zur Verfügung stehenden Modelle sie für sich wählen“, so Faltenbacher. Dabei ist klar, dass es nur eine begrenzte Auswahl geben kann: „Wir werden diese Alternativmodelle zur herkömmlichen Saison mit Hin- und Rückrunde entsprechend bindend vorbereiten. Die einzelnen Ligen und die darin beteiligten Vereine sollen hier gemeinsam mit den Verbandsvertretern vor Ort in Zukunft also Wahlmöglichkeiten haben. Auch in der neuen Spielzeit kann es dazu kommen, dass wir nicht alle Spieltage über die Bühne bringen werden und es zu einer Wertung anhand der gespielten Partien kommen kann“, betonen die Verbandsspielleiter Hofmann und Janker.

(Rolf Gercke)

Aufrufe: 020.5.2021, 09:38 Uhr
Dachauer Nachrichten / Rolf GerckeAutor