2024-04-25T14:35:39.956Z

Aufreger der Woche
Woher kommt der Herforder Geldwahnsinn? F: Gottschlich
Woher kommt der Herforder Geldwahnsinn? F: Gottschlich

Großer Geldregen - Wer ist schuld am Herforder Wahnsinn?

Im Kreis Herford sind die Spielergehälter schon im Kreisbereich auffällig hoch. Ümit Yavuz, Trainer des B-Ligisten Sancakspor Spenge, gibt den Spielern und dem Verband die Schuld dafür. Der FLVW selbst sieht das aber komplett anders.

"Ich möchte hier keinen angehen oder diskreditieren. Ich möchte einfach gerne eine Diskussion entfachen", stellte Ümit Yavuz zu Beginn sofort klar. Immer wieder wechseln Spieler aus überkreislichen Ligen in die A- und B-Ligen des Kreises Herford. Die Meinung des Spenger Trainers zu dieser Entwicklung ist klar: "Es macht die Kreisliga kaputt. Wir wollen hier Spaß haben am Kicken und am Ende soll der Beste aufsteigen und eben nicht derjenige, der am meisten Geld in die Kaderplanung investiert." Die größte Ursache dafür sei die schlechte Aufstiegsregelung in den B-Ligen. Im letzten Jahr hatte seine Mannschaft selbst den Aufstieg trotz einer starken Serie verpasst. "Du spielst in vielen Spielen überragenden Fußball und wirst dann als Zweitplatzierter nicht einmal mehr belohnt", sagt der Sancak-Trainer. Kai Rieke, Vorsitzender des Kreisfußballausschusses des Fußball- und Leichtathletikverbands Herford, ist da aber ganz anderer Meinung.

"Natürlich wäre es möglich, einen Zweitplatzierten der Kreisliga B oder sogar beide aufsteigen zu lassen", erklärt Rieke. "Aber dann würden ja in jedem Jahr fünf Mannschaften (ein Aufsteiger und vier Absteiger) die Liga verlassen. In den vergangenen Jahren wären dann sogar Vereine mit über 30 Punkten noch nicht gesichert." In diesem Jahr gibt es derweil sogar drei Absteiger aus Kreisliga A, doch aufgrund der zwei Herforder Absteiger aus der Bezirksliga, bleibt es für die Zweiten zunächst hoffnungslos. Abgesehen davon ist sich der Kreis als Spielleitende Stelle dieser Problematik natürlich bewusst.

"Herford hat eine wahnsinnige finanzielle Ebene erreicht"

"Ein Blick auf die benachbarten Kreise wie Gütersloh oder Bielefeld reicht, um zu erkennen, dass wir mittlerweile im Kreis Herford völlig wahnsinnige finanzielle Ebenen erreicht haben. Es wird oft immer damit begründet, dass wir in Herford sehr viele überkreislich spielende Mannschaften haben, die ´abfärben´. Aber diese Dichte ist beispielsweise in Bielefeld noch viel größer", sagt Kai Rieke. "Es könnte sein, dass es vielleicht in Herford eine spendablere Industrie gibt oder einfach bessere Vereinsführungen.

Sancakspor-Trainer Yavuz findet diese Entwicklung dennoch sehr beängstigend. "Es ist natürlich voll okay, dass die sehr ambitionierten Vereine, die wirklich Geld in die Hand nehmen, auch aufsteigen. Doch es sollte mindestens die Chance geben für Mannschaften, die versuchen, mit eigenen Spielern den Aufstieg zu realisieren." Der Spenger, der große Aufstiegsambitionen hegt, geht sogar noch einen Schritt weiter: "Wir werden es nun in der kommenden Saison noch ein Jahr versuchen, mit eigener Kraft aufzusteigen. Doch in der übernächsten Saison werde ich dann auch in die Transferoffensive gehen, da es anders nun mal nicht zu gehen scheint."

Dem widerspricht der Vorsitzende des Kreisfußballausschusses vehement: "Natürlich gibt es gute Beispiele dafür, was mit Geld machbar ist. Das sieht man an Fichte Bielefeld und Tengern in der Landesliga oder natürlich auch im eigenen Kreis. Dennoch schießt Geld eben keine Tore", so Rieke. "In der Bezirksliga ist es passiert, dass mit dem FSC Eisbergen eine Mannschaft den Klassenerhalt schafft, die ihren Spielern keinen Cent gibt."

Die Spieler seien selbst verantwortlich für die Entwicklung

Doch woran liegt diese, in Yavuz´ Worten "wahnsinnige Entwicklung", die er seit etwa fünf Jahren beobachtet. Neben der Aufstiegsregelung des FLVW sieht der Spenger nämlich einen weiteren Schuldigen: "Es passiert ja nicht einfach so, dass immer mehr Spieler aus den Landes- oder Westfalenligen in unsere Kreisebene eintauchen. Sie bieten sich den Vereinen an und die sagen natürlich, weil sie eben die finanziellen Mittel für solche Transfers haben, sicher nicht nein." Die Spieler sollten anfangen nachzudenken, sagt Yavuz weiter, was sie mit einem Verein oder der Liga machen.

Es werde der Meister, der in der Sommerpause 50.000 Euro in neue Spieler investiert und nicht der, der durch gute Jugendarbeit glänzt. Generell ist für Ümit Yavuz die Jugendarbeit der Teil, der unter dieser Entwicklung am meisten leidet. "Spieler mit großem Potential, die aber noch keine Landesligafähigkeiten haben, sitzen in den ersten Saisonwochen nur auf der Bank und haben keine Chance an den etablierten Senioren vorbei zu kommen. Da ist es doch kein Wunder, dass die Jungs dann keine Lust mehr haben, wechseln oder gar komplett mit dem Kicken aufhören. Denn klar ist auch, dass man eventuell drei oder vier Spiele abgeben muss, wenn man Jugendspieler einsetzt." Würden vielleicht 20.000 Euro weniger in neue Spieler investiert werden, könnte man mit diesem Geld sogar selbst die eigene Jugendarbeit auf ein hohes Niveau bringen, sagt der Spenger weiter.

Ümit Yavuz: "Die sollen lieber in der Landesliga bleiben!"

Besonders bei den Seniorenspielern fordert Ümit Yavuz deswegen ein Umdenken: "Wir sind natürlich mit anderen Trainern in Kontakt und können oft die gleiche Masche beobachten. Ein Spieler wechselt in die Kreisliga, bekommt vielleicht 1.000-5.000 Euro Handgeld und wechselt nach sechs Monaten wieder den Verein für das gleiche Geld. Nur der Spieler profitiert und die Vereine werden komplett geschädigt. Die sollen lieber in der Bezirks- und Landesliga bleiben."

Eine ganz andere Meinung hat "Fußball-Chef" Kai Rieke: "Es sind die Vereine, die Schuld sind. Wieso bezahlen sie denn diese Summen? Wenn jede Mannschaft ihren Spielern nur die Hälfte des Gehalts zahlen würde, was würde dann passieren?", fragt er sich. "Sie würden genau bei diesen Mannschaften bleiben. Weil es in anderen Ligen noch viel weniger gibt! Die Vereine schaukeln sich gegenseitig hoch und an den Spieler kann da keine Schuld gewiesen werden. Angenommen du bist ein ambitionierter Spieler und zwei Vereine, die beide aufsteigen wollen, werben um dich. Zu wem gehst du dann? Natürlich zu dem, der mehr Geld bietet. Es sind eben alles Individualisten."

Kai Rieke: "Es sind die Vereine, die Schuld sind."

Auch was eine Zukunftsprognose angeht, sind sich beide sehr uneinig. Während laut Rieke fest damit zu rechnen sei, dass diese Blase irgendwann platzen wird und die Vereine irgendwann aufhören werden diese Summen zu zahlen, hat Ümit Yavuz einen ganz eigenen Plan. "Ich bin mir sicher, dass es auch in Zukunft in diese Richtung gehen wird. Irgendwann wird man 50.000 Euro im Jahr investieren müssen, um nicht abzusteigen. Zusätzlich wird sich in der Trainerbranche viel ändern", erklärt er. "Ein Trainer, der die ganze Zeit nur Kreisliga gespielt hat, kann keinen Landesligisten trainieren. Bald wird es in unserem Kreis nur noch Lizenztrainer geben."

Aufrufe: 029.5.2019, 11:30 Uhr
Nico EbmeierAutor