2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Die Krönung: Nelson Rodrigues bejubelt 2018 den Oberliga-Aufsteige und ein Jahr später den Klassenerhalt.
Die Krönung: Nelson Rodrigues bejubelt 2018 den Oberliga-Aufsteige und ein Jahr später den Klassenerhalt.

"Es konnte nicht um drei Monate gehen"

Nelson Rodrigues spricht über seinen Einstieg als Hassia-Coach, Schlüsselspiele, seinen Co-Trainer und die abgelaufene Saison

BINGEN. Als bei der Binger Fußballvereinigung Hassia fast nichts mehr ging, als der Verein in seiner schlimmsten sportlichen Krise steckte, die Abwärtsspirale nicht mehr zu stoppen schien, begann im Spätherbst 2012 die Trainerlaufbahn von Nelson Rodrigues. Seither hat sich fast alles am Hessenhaus Schritt für Schritt zum Positiven entwickelt. Vorläufige Krönung war der Klassenerhalt des Aufsteigers in der Oberliga. Quasi als gemeinsames Abschiedsgeschenk für das scheidende Trainerduo Rodrigues und Sandro Schlitz. Zum Abschied stand der 41-jährigen Deutsch-Portugiese, der in den vergangenen sieben Jahren das Gesicht der Hassia nach außen war, Rede und Antwort.

Chronologisch gesehen begann alles mit der Verpflichtung Ailtons. Wie war das damals, im Sommer 2012?

Ich war auf einer Hochzeit in Portugal, als die Infos kamen, dass die Hassia im ersten Saisonspiel in der Verbandsliga vor vollem Haus 2:0 gegen Ingelheim gewonnen hatte. Ailton hatte beide Tore geschossen. Mir war klar, dass ich wieder nach Bingen musste, wo ich fast meine gesamte Aktivenzeit verbracht hatte. Als dann zur Zeit des Winzerfestes klar wurde, dass Ekrem Soy nicht mehr lange Trainer sein würde, fragte mich Stefan Seidel (damals Sportlicher Leiter, die Red.), ob ich mir vorstellen könnte, mich als Betreuer bei der Hassia zu engagieren. Erfahrungswerte hatte ich durch die Arbeit beim DFB und durch die zweijährige Hospitanz im Jugendbereich bei Mainz 05.

Es folgten der Herbst, die Interimszeit und die besondere Trainervorstellung im Rahmen einer Pressekonferenz.

Von der Pressekonferenz sowie der Art und Weise, wie alles ablaufen würde, wusste ich damals überhaupt nichts. Als mich Stefan Seidel gefragt hatte, ob ich mir auch den Trainerjob zutrauen würde, bat ich erst einmal um einen Tag Bedenkzeit, setzte mich dann mit dem Vorstand zusammen. Bei der Hassia konnte es nicht um drei Monate gehen, sondern um eine mittel- und langfristige Planung mit einem gesunden Fundament.

Trotz Ailton stand zum Saisonende erstmalig der Gang in die Landesliga an.

Mir war von Anfang an klar, dass wir absteigen würden, deshalb hatte ich mir ein Grundkonzept für acht Jahre zusammengestellt. Und Ailton? Er war einfach in der falschen Mannschaft. Das gesamte Gefüge stimmte damals nicht, die Ergebnisse waren entsprechend.

Welches war für Sie der Moment der Kehrtwende?

Wir hatten ein bisschen Glück, als Enes Sovtic wieder zurück in die Region und am liebsten zu seinem alten Verein wollte. Mit ihm und Günter Dilly kam das Vertrauen wieder. Kurze Zeit später stieß auch noch Fabian Liesenfeld zu uns. Das letzte Saisonspiel 2014 in Alzey, als wir schon fast in die Bezirksliga abgestiegen waren, aber durch zwei Tore in der Schlussphase noch ein Unentschieden schafften und die Landesliga halten konnten, war in vielerlei Hinsicht ein Schlüsselspiel.

Damals war Sandro Schlitz schon Ihr Partner im Trainer-Duo. Wie kam es zur Zusammenarbeit?

Wir kannten uns als Spieler. Richtig kennen und schätzen gelernt haben wir uns beim Trainerlehrgang in Edenkoben. Von Beginn an wussten wir, dass wir uns aufeinander verlassen können. Du brauchst als Trainer einen loyalen Partner, der auch einmal konträr denkt. Wir haben uns von Beginn an perfekt ergänzt. Ich bin doch eher emotional, Sandro ist dagegen deutlich introvertierter.

Drei Jahre Verbandsliga, der Aufstieg in letzter Sekunde, der Oberligaerhalt. Kann es einen besseren Zeitpunkt zum freiwilligen Abschied geben?

Eigentlich nicht. Aber die vergangene Saison war für uns zugleich Chance und Risiko, vor allem nach dem Aufstieg in der Relegation gegen Eisbachtal. Wir wollten uns aber beweisen, dass wir als Kollektiv mit einer funktionierenden Mannschaft die Oberliga halten können. Dabei sind wir von 42 Punkten ausgegangen. Am Ende wurden es 47, weil wir zweimal die richtige Welle gefunden haben.

Haben Sie jemals daran gezweifelt, ob es klappen würde?

Definitiv nein. Genauso war ich mir in der Relegation gegen Eisbachtal sicher, dass wir irgendwann ein Tor schießen würden. Damals war die Mannschaft im ersten Spiel bei Borussia Neunkirchen sensibilisiert. Das Unentschieden dort war auch ein Schlüsselspiel. Bei einem Sieg wäre es gegen Eisbachtal wahrscheinlich schwieriger geworden. So wusste jeder, dass wir kämpfen und effektiv sein müssen. Insgesamt geht es fast immer um Erfahrungswerte.

Blicken wir noch einmal auf die gesamte Zeit. Wer hat Sie als Spieler am positivsten überrascht?

Da könnte ich viele nennen, denn aktuell haben wir eigentlich nur solche Typen im Kader, die ich menschlich sehr schätze. Zwei, die ich nach vorne bringen durfte, sind Dominik Ahlbach und Dennis De Sousa Oelsner. Bei Dominik schließt sich der Kreis. Er hat damals in Alzey das 2:2 erzielt, gewann danach unglaublich an Selbstbewusstsein und spielt nächste Saison Regionalliga bei RW Koblenz. Und Dennis gibt heute viel weniger auf Aussagen von Zuschauern, hat in der Rückwärtsbewegung riesige Fortschritte gemacht. Die beiden gehören zu den Momenten, für die du Trainer bist.

Das Interview führte Jochen Werner.



Aufrufe: 031.5.2019, 14:30 Uhr
Jochen WernerAutor