2024-04-29T14:34:45.518Z

Im Nachfassen
Eine unüberwindbare Mauer bilden gegen die Binger Hassia die Bad Kreuznacher Lukasz Dreger, Dimitri Mayer, Major Amoah, Manuel Helmlinger und Greg Strohmann (von links). Im Tor erwartet Keeper Razvan Nechiti den Freistoß.
Eine unüberwindbare Mauer bilden gegen die Binger Hassia die Bad Kreuznacher Lukasz Dreger, Dimitri Mayer, Major Amoah, Manuel Helmlinger und Greg Strohmann (von links). Im Tor erwartet Keeper Razvan Nechiti den Freistoß. – Foto: Mario Luge

Das Ende einer Ära

DENKWÜRDIGE SPIELE +++ Am 12. Mai 2006 trafen die SG Eintracht Bad Kreuznach und Hassia Bingen zum letzten Mal in der Oberliga aufeinander +++ Beide Klubs mussten anschließend erst durch ein Tal gehen, ehe es sportlich wieder bergauf ging

Bingen. Auch wenn der Ball auf den Sportplätzen in Rheinhessen und an der Nahe aufgrund der Corona-Pandemie ruht, müsst ihr doch nicht völlig auf Spielberichte verzichten. Wir werfen mit euch einen Blick in die Geschichtsbücher und stellen euch besondere Partien aus den vergangenen Jahren vor. Heute im Blickpunkt: Das letzte Oberliga-Duell zwischen den Nahe-Rivalen Eintracht Bad Kreuznach und Hassia Bingen am 12. Mai 2006.

Sportlich hatte die Begegnung keinen großen Stellenwert mehr. Die Eintracht befand sich im Niemandsland der Tabelle, die Hassia belegte sogar den letzten Platz und stand bereits als Absteiger fest. Trotzdem hatten sich an diesem sommerlichen Freitagabend über 300 Zuschauer im Friedrich-Möbus-Stadion eingefunden, um sich das prestigeträchtige Nahe-Derby anzusehen. Die Rahmenbedingungen stimmten also.

Auf dem Platz ging es von Beginn an mächtig zur Sache - wohl auch. Schon nach zwei Minuten hätte die Eintracht in Führung gehen müssen. Mahir Sahin lief alleine auf das Tor der Gäste zu, konnte deren Keeper Tobias Lautz allerdings nicht bezwingen. Besser machte es der spätere Saarbrücker und Elversberger Manuel Rasp, der den Außenseiter nach zwölf Minuten in Führung schoss. Als die Eintracht wenig später Mittelfeld-Antreiber Sahin durch einen zweifelhaften Platzverweis verlor und fortan in Unterzahl spielte, schienen sich die Gäste auf einem guten Weg zu befinden. Doch es sollte alles anders kommen: Noch vor dem Pausentee glich Marcel Fennel aus (33.).

Nach dem Seitenwechsel zeigte sich, warum die Hassia am Ende der Tabelle stand. Bingen erspielte sich trotz Überzahl kaum Torchancen. Stattdessen gab Bad Kreuznach spielerisch den Ton an und nutzte eine der vielen Unzulänglichkeiten der Gäste aus: Eintracht-Kapitän Gregory Strohmann fing nach 63 Minuten einen missglückten Rückpass ab und schob zum 2:1-Siegtreffer ein. Anschließend waren die Gastgeber dem dritten Tor näher als Bingen dem Ausgleich. Somit musste die Mannschaft von Trainer Peter Schlaad trotz des guten Beginns wieder einmal das Spielfeld mit hängenden Köpfen verlassen.

Gregory Strohmann und Nelson Rodrigues erinnern sich

Siegtorschütze Strohmann, der wenige Wochen später zum Ligakonkurrenten nach Oggersheim wechselte, erinnert sich noch heute mit Freude an sein Engagement bei der Eintracht: "In Bad Kreuznach hatte ich meine sportlich erfolgreichste Zeit. Ich habe damals ein Spieltags-Tagebuch geführt, in dem alle Partien, in denen ich mitgewirkt habe, vermerkt sind. Ich habe noch heute viele Freunde bei der Eintracht, unter anderem auch den bisherigen Trainer Patrick Krick."

Auf der Gegenseite stand mit Nelson Rodrigues ein Binger Urgestein auf dem Platz. Der heute 42-Jährige, der in der Saison 2004/05 noch für Bad Kreuznach aufgelaufen war, führt den enttäuschenden Saisonverlauf auf die Unerfahrenheit der jungen Binger Truppe zurück. "In Sachen individueller Qualität glich das Spiel gegen Bad Kreuznach David gegen Goliath. Wir lagen zwar früh in Führung, doch uns hat in weiten Teilen einfach die Cleverness gefehlt. Wir haben in zu vielen Spielen Lehrgeld gezahlt und immer wieder leichte Fehler gemacht. Der Abstieg war da nur folgerichtig."

Der Abstieg der Hassia aus der Viertklassigkeit kann ohne Zweifel als das Ende einer Ära bezeichnet werden. Der Mannschaft vom Hessenhaus, mittlerweile wieder in der nun fünftklassigen Oberliga zu Hause, gelang es lange Zeit nicht mehr, an die glorreichen Zeiten der 1990er- und der frühen 2000er-Jahre anzuknüpfen. "Die Hassia war immer für eine ausgezeichnete Nachwuchsarbeit bekannt. Als diese jahrelang vernachlässigt wurde und durch die Finanzkrise 2008 wichtige Sponsoren absprangen, folgte schnell der Absturz. Dieser fand mit dem bitteren Abstieg in die Landesliga 2013 seinen negativen Höhepunkt", berichtet Nelson Rodrigues, der alle Höhen und Tiefen der jüngeren Vereinsgeschichte mit den Bingern durchlebt hat.

Nahezu zeitgleich befand sich auch die Eintracht im freien Fall. Zwar konnte sich der traditionsreiche Verein aus der Kurstadt noch zwei Jahre länger (bis 2008) in der Oberliga halten, dafür fiel Bad Kreuznach in kürzerer Zeit noch tiefer als Bingen, musste 2011 Insolvenz anmelden und spielte in den Saisons 2011/12 und 2013/14 gar in der Bezirksliga. "Ich hatte immer den Eindruck, dass dem Verein ein solider Unterbau unterhalb der ersten Mannschaft fehlt. Somit stand der Erfolg der letzten Jahrzehnte immer auf recht wackeligen Beinen", bedauert Gregory Strohmann den Niedergang des ehemaligen Zweitligisten. Aktuell spielt die SGE zumindest wieder in der Verbandsliga.

Seit 2013 geht es für beide Klubs wieder aufwärts

Den Tiefpunkt haben beide Vereine mittlerweile überwunden, seit 2013 geht es für beide Klubs wieder bergauf. Maßgeblich daran beteiligt war auf Eintracht-Seite der bereits erwähnte Patrick Krick. Der 36-Jährige führte seine Mannschaft, zunächst als Spielertrainer und von 2017 bis zur Winterpause 2019/2020 ausschließlich als Trainer, zumindest wieder zurück in die Verbandsliga. Bei der Hassia übernahm Nelson Rodrigues 2012 den Trainerposten. Nach drei Aufstiegen spielt Bingen heute wieder in der mittlerweile fünftklassigen Oberliga. "Wir standen 2012 vor einem Scherbenhaufen. Wir mussten den Verein entschulden und die Jugend, die in der Region mal eine Top-Adresse war, wieder auf Vordermann bringen. Auf das Erreichte können alle Beteiligten stolz sein." Auch Bad Kreuznach sieht der Portugiese auf einem guten Weg. "Bei der Eintracht wurden viele Fehler gemacht. Der Fokus lag immer nur auf der ersten Mannschaft, man hat sich vielleicht zu sehr auf der glorreichen Vergangenheit ausgeruht. Als es dann sportlich nicht mehr lief, hat man auch wegen des fehlenden Unterbaus den Turnaround nicht mehr geschafft. Mittlerweile haben sie sich wieder etwas erholt, liegen aber in ihrer Aufbauarbeit fünf, sechs Jahre hinter der Hassia."

Aufrufe: 013.5.2020, 20:00 Uhr
Niklas AllmrodtAutor